Réné-Francois Guettée oder Vater Vladimir
Um auf die immer wiederkehrenden Fragen unserer Gemeindemitglieder zu antworten und ihnen zu helfen, die Lehre der eigenen Kirche auch im Vergleich zu anderen Konfessionen besser zu verstehen, und um das kirchliche Erbe zu würdigen, veröffentlichen wir einen offenen Brief eines bekannten französischen Theologen (eines ehemaligen römischen Priesters, der aus tiefer Überzeugung zur Orthodoxie konvertierte) an die russische Kaiserin Maria Alexandrowna, in dem er ausführlich das Wesen der christlichen Lehre darlegt und ihre Bewahrung in den verschiedenen christlichen Konfessionen vergleicht. Obwohl der Text im 19. Jahrhundert verfasst wurde, sind seine Themen und Lehren auch für den heutigen Glauben von zentraler Bedeutung. Die behandelten Themen sind nicht nur aktuell geblieben, sondern haben sich in mancher Hinsicht vertieft. Seine detaillierten Ausführungen über die Gebote Gottes, die Offenbarung Jesu Christi und die Wachsamkeit gegenüber der Tradition und der Heiligen Schrift sind tiefgründig und zugleich leicht verständlich. Der Text unterstreicht die Notwendigkeit, an den von der Kirche bewahrten Offenbarungen festzuhalten, um den wahren Sinn des Glaubens nicht zu verlieren. (Der Text wurde aus dem Französischen in viele Sprachen übersetzt, eine deutsche Übersetzung ist uns jedoch nicht bekannt, weshalb wir hier unsere eigene Übersetzung vorstellen. Sollten Ihnen Ungenauigkeiten oder Fehler auffallen, bitten wir Sie, uns diese mitzuteilen).
Darstellung der Lehre der orthodoxen Kirche mit Hinweis auf die Unterschiede zu den Lehren der anderen christlichen Kirchen.
Priester Vladimir Guettée
An Ihre Kaiserliche Majestät, die Kaiserin Maria Alexandrowna, Kaiserin von ganz Russland
Gnädigste Kaiserin!
Ich erfülle meine Pflicht, indem ich Eurer kaiserlichen Majestät die “Darstellung der Lehre der orthodoxen Kirche” widme, denn Ihr seid die fromme und würdige Gemahlin des einzigen Herrschers, Es gefiel der göttlichen Vorsehung, dass seine Kirche in zwei Teile geteilt war: in einen leidenden, ohne äußere Unterstützung, und in einen anderen, der von mächtigen Herrschern geschützt wurde, die sich nach dem Vorbild des heiligen Konstantin des Großen die Ehre gaben, äußere Bischöfe zu sein, das heißt, die äußere Existenz der Kirche zu verteidigen. Gott gefiel es, auf diese Weise zu beweisen, dass seine Kirche leiden konnte – ohne sich aufzulehnen; geschützt – ohne etwas von ihrer Lehre zu opfern; mächtig – ohne sich die bürgerliche Macht anzueignen. Außerhalb der wahren Kirche war es nicht so. Die Geschichte beweist nämlich, dass unter den Hirten der verschiedenen nichtorthodoxen Kirchen einige weltliche Macht an sich gerissen haben, die mit den Pflichten des heiligen Amtes unvereinbar ist; andere haben sich der Hilfe der weltlichen Macht bedient, um bestimmte Lehren mit Gewalt einzuführen; viele haben die Wahrheit ungerechten und gebieterischen Forderungen geopfert; nicht wenige haben unter dem Vorwand der Religion Verwirrung gestiftet und grausame Kriege angezettelt. Die wahre Kirche Christi hat unter diesen menschlichen Leidenschaften nicht gelitten. Stets demütig und unterwürfig ließ sie sich lieber wie der Heiland kreuzigen, als sich mit dem Schwert zu verteidigen. Sie hat das göttliche Gut, das ihr anvertraut war, stets treu bewahrt und niemals eine einzige Wahrheit mächtigen Forderungen geopfert. Nie hat sie die ihr zuteil gewordene Bevormundung missbraucht, um aus ihrem rein geistlichen Wirkungskreis auszubrechen. Zur Ehre der russischen Herrscher muss auch gesagt werden, dass sie von der Kirche niemals kriminelle Unterwerfung als Ersatz für ihre Schirmherrschaft verlangt haben und dass ihnen stets die Ehre zuteilwurde, gehorsame Söhne des orthodoxen Glaubens zu sein. Neben dieser großen Erscheinung, die nach dem Willen der Vorsehung im ganzen Leben der wahren Kirche zu finden ist, möchte ich noch eine andere hervorheben, die für den slawischen Stamm im allgemeinen und für Rußland im Besonderen sehr ruhmreich ist: Gott hat ihn gerade zu der Zeit zur Wahrheit berufen, als die Völker des Abendlandes in ein Schisma mit den verhängnisvollsten Folgen hineingezogen wurden. Ohne die unerforschlichen Absichten Gottes ergründen zu wollen, dürfen wir annehmen, dass Russland zu einer hohen Bestimmung in den irdischen Geschicken der Kirche berufen ist. Sollten wir nicht einen Beweis dafür in der öffentlichen Bedeutung finden, die es in unserer Zeit auf Veranlassung seines großmütigen Herrschers gewinnt; in der Vormachtstellung, die es im Westen und im Osten erringt; in der Gleichzeitigkeit dieses Erfolges mit dem Niedergang der päpstlichen Macht, die die Hauptursache für die Spaltung des Abendlandes war? Ich bin oft von dieser Koinzidenz überrascht worden und finde in ihr immer neue Gründe, Gott zu danken, der mir durch Russland die Tür zu seiner wahren Kirche geöffnet hat. Ich bin glücklich, der Orthodoxie anzugehören, und ich möchte mein Glück mit anderen teilen. Deshalb widme ich mich dieser heiligen Sache mit aller Kraft und Standhaftigkeit, die Gott mir gegeben hat. Zu diesem Zweck habe ich ein Werk verfasst, das ich Eurer Kaiserlichen Majestät zu widmen wage. Möge es mit Gottes Segen jenen Orthodoxen von Nutzen sein, die das Glück ihrer Geburt in der Tiefe der wahren Kirche nicht genügend zu schätzen wissen; jenen Christen, die von ihren Vätern Täuschungen und Vorurteile geerbt haben; jenen, die nicht an die göttliche Offenbarung glauben und unter tausend Systemen jene Wahrheiten suchen, die ihnen die heilige Kirche durch Gottes Eingebung anbietet. Ich hoffe, Kaiserin, dass mit dem Segen Gottes die Schirmherrschaft Eurer Kaiserlichen Majestät meinem bescheidenen Werk zu guten Früchten verhelfen wird. Der Name, mit dem es unterzeichnet ist, konnte es nicht genügend bekannt machen; die Schirmherrschaft Eurer Kaiserlichen Majestät wird die Aufmerksamkeit auf es lenken und es dadurch viel nützlicher machen. Deshalb kam mir der Gedanke, es Eurer Kaiserlichen Majestät zu widmen. Außerdem wollte ich bei dieser Gelegenheit Eurer Kaiserlichen Majestät die Hochachtung bezeugen, die der erhabenen Kaiserin gebührt, die in ihrer Person die heilige Orthodoxie ehrt und selbst die Kirche durch ihre milde Frömmigkeit, ihre hohen Tugenden und ihren erleuchteten Eifer für die Verbreitung der christlichen Wahrheiten ehrt. Ich habe die Ehre, Kaiserin, der demütigste und gehorsamste Diener Eurer Kaiserlichen Majestät zu sein, Vladimir Guettée, Priester und Doktor der Theologie der Russischen Orthodoxen Kirche. Paris10/22. März 1866. *** Mit der Herausgabe des vorliegenden Werkes verfolgen wir vor allem das Ziel, nach besten Kräften zu der großen Sache der Vereinigung der Kirchen beizutragen. In der vollen Überzeugung, dass diese Einigung nur auf der Grundlage der allgemeinen Orthodoxie erfolgen kann, haben wir uns bemüht, die Lehre der altehrwürdigen Ostkirche darzulegen, die mit Recht für sich in Anspruch nimmt, dass sie allein seit der Zeit Jesu Christi das Offenbarungsgut unversehrt und rein von jeder menschlichen Vermischung bewahrt hat. Es ist unbestreitbar, dass diese Kirche seit der apostolischen Zeit ununterbrochen existiert. Ebenso unbestreitbar ist, dass es in ihrer gesamten Existenz keine Neuerung gegeben hat. Diese beiden Tatsachen beweisen hinreichend die Kraft ihres Zeugnisses für alle wahren Christen, die wissen, dass die Offenbarung eine Tatsache ist – und die Bezeugung einer Tatsache ist das Zeugnis eines klaren und ununterbrochenen Beweises. Der christliche Glaube ist kein philosophisches System, das beliebig interpretiert werden kann. Jesus Christus hat eine positive Lehre verkündet, und diese Lehre ist eine Tatsache, die, wie jede Tatsache, auf einem beständigen Zeugnis beruhen muss, um als wahr anerkannt zu werden. Deshalb führt jede Frage nach der christlichen Lehre zu der Tatsachenfrage: Hat Jesus Christus diese Dinge gelehrt? Wie aber kann eine solche Frage beantwortet werden, wenn nicht durch das beständige Zeugnis der christlichen Gemeinschaft – einig in ihrer Existenz, unveränderlich in ihrem Glauben, unerschütterlich wie ein Fels inmitten aller Wechselfälle und Fiktionen des menschlichen Verstandes? Wo aber ist eine solche christliche Gesellschaft zu finden, wenn nicht in der orthodoxen Ostkirche? Die römische Kirche bezieht sich auf sich selbst, doch gibt es eine geschichtliche Entwicklung, die die Bedingungen und Daten all ihrer allmählichen Neuerungen in der dogmatischen Lehre und im kirchlichen Dekanat beweist. Die anglikanische Kirche und die verschiedenen protestantischen Kirchen tun so, als hätten sie im sechzehnten Jahrhundert ihre Verbindung mit der Urkirche wiederhergestellt; nun sie können zwei offenkundige Tatsachen nicht leugnen: erstens, dass die Lehre, die sie zur Zeit der Reformation als wahr anerkannt haben, nicht dieselbe ist, die sie hundert Jahre früher verkündet haben; zweitens, dass das, was sie im fünfzehnten Jahrhundert als wahr verkündet haben, auf bloßen Auslegungen der Bibel beruht, die keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit erheben. Umso weniger können diese Kirchen die Tatsache leugnen, dass sie unterschiedliche Interpretationen der grundlegenden Wahrheiten des christlichen Glaubens zugelassen haben und dass sie selbst in unserer Zeit ein Schauspiel von auffallender Vielfalt bieten. Alle westlichen Kirchen haben sich vom neunten bis zum sechzehnten Jahrhundert zur Lehre Roms bekannt; heute vertreten sie gegensätzliche Lehren. Sie können daher nicht behaupten, dass ihre Existenz einheitlich und kontinuierlich gewesen sei. Die geoffenbarte Lehre war für sie kein empfangenes Erbe, das ununterbrochen von Generation zu Generation weitergegeben wurde, von der Zeit Jesu Christi bis in unsere Zeit. Nur für die orthodoxe Ostkirche ist die christliche Lehre ein solches Erbe, und deshalb ist ihr heutiges Zeugnis dem der apostolischen Zeit ebenbürtig. Ihre Lehre ist ein getreues Echo der Schriften und Predigten der Apostel, der Lehren der Heiligen Väter und der Definitionen der Ökumenischen Konzilien. Sie hat alle Wandlungen des christlichen Glaubens im Abendland begleitet. Da sie älter ist als die römische Kirche, hat sie alle Handlungen der Päpste miterlebt und ihre allmählichen Neuerungen zur Kenntnis genommen. Sie sah die Entstehung aller Kirchen, aller Sekten, und inmitten der Bewegung der Gemüter in entgegengesetzte Richtungen blieb sie unbewegt, treu dem festen Gebot des heiligen Paulus, die Überlieferung zu bewahren”. Wir haben uns bemüht, diese Lehre der ehrwürdigen Kirche zu erläutern. Ohne die Absicht, eine vollständige Verteidigung dieser Lehre zu geben, haben wir nicht alle Beweise aus der Heiligen Schrift und der Tradition angeführt, die ihre Wahrheit bestätigen. Wir wollen sie nur in aller Genauigkeit darlegen. Wir glauben gewiss nicht, dass das von uns vollendete Werk ohne Mängel ist, und noch weniger hegen wir die Hoffnung, dass es uns gelungen ist, diese hohe Lehre in ihrer ganzen göttlichen Majestät darzustellen. Wir haben uns mit aller Sorgfalt und Genauigkeit bemüht, – aber wer kann sich der Unfehlbarkeit und Gewissheit rühmen, alle Fragen der uns von oben gegebener göttlichen Philosophie vollständig erfasst zu haben? Wir haben keine eigene Ordnung erfunden, um die Lehre der Kirche darzulegen. Was den dogmatischen Teil betrifft, so haben wir uns an das nizäno-konstantinopolitanische Symbol gehalten und jedem Glied eine möglichst kurze Auslegung beigegeben. Nach den Dogmen haben wir den moralischen Teil der Lehre behandelt, gefolgt von den Frömmigkeitsregeln und schließlich der Liturgie. Diese Reihenfolge hat uns zu einigen Wiederholungen gezwungen; wir haben es jedoch vorgezogen, mehrmals auf dasselbe Thema zurückzukommen, anstatt Verweise zu verwenden, die für den Leser immer unangenehm sind. So mußten wir zum Beispiel bei der Auslegung der Worte des Glaubensbekenntnisses “Schöpfer des Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Welt” nicht nur von den beiden Welten, der sichtbaren und der unsichtbaren, sprechen, sondern auch von den Beziehungen, die zwischen ihnen bestehen. Die auf diese Weise verstreuten Informationen bilden ein Ganzes und ergänzen sich gegenseitig, wie eine aufmerksame Lektüre leicht erkennen lässt. Es sei darauf hingewiesen, dass wir die amerikanische Kirche nicht erwähnen, da sie mit der anglikanischen Kirche, aus der sie hervorgegangen ist, identisch ist. Wir unterscheiden diese Kirche von den protestantischen Kirchen, weil ihre Grundlagen sehr verschieden sind. Es ist bekannt, dass die Protestanten das durch die Weihe vermittelte Priestertum ablehnen, während die anglikanische Kirche nicht nur die Weihe als Mittel zur Vermittlung des Priestertums anerkennt, sondern auch die drei heiligen Stufen des Bischofs, des Presbyters und des Diakons, die die wesentliche Hierarchie der Kirche bilden. Unter Protestantismus verstehen wir nur alle lutherischen und calvinistischen Gesellschaften, deren Gründung auf einer persönlichen Auslegung der Bibel beruht und die kein durch Ordination verliehenes Priestertum kennen, sondern nur eine Klasse von Pfarrern, die von den Gläubigen oder von Personen, die als ihre Vertreter angesehen werden, zur Ausübung ihres Amtes ermächtigt sind. Es sei darauf hingewiesen, dass wir die armenische Kirche zu den Vertretern der wahren Kirche gezählt haben. Das ist natürlich nicht so zu verstehen, sondern nur im Hinblick auf die Bewahrung der reinen Lehre und der göttlichen Struktur der Kirche. Die armenische Kirche, die sich zur Zeit des Konzils von Chalcedon aufgrund eines einfachen Missverständnisses von den Kirchen des Ostens und des Westens getrennt hatte, nahm von da an nicht mehr am gemeinsamen Leben der Kirche teil, was zum Schisma führte. Dennoch ist sie ihrem ursprünglichen Glauben treu geblieben, und ihre Lehre steht bis heute in voller Übereinstimmung mit der Lehre der östlichen Kirche. Allein in dieser Hinsicht haben wir sie als Repräsentantin der wahren Kirche, wie sie in ihrer Einheit im fünften Jahrhundert bestand, bezeichnet. Wir müssen auf die Quellen hinweisen, die wir bei der Abfassung dieses Aufsatzes benutzt haben. Was die orthodoxe Kirche betrifft, so genügten uns die Heilige Schrift, die Schriften der Heiligen Väter und die Akten der Ökumenischen Konzilien, da sie die wahren Quellen ihrer Lehre sind. Um jedoch unsere Studien zu verifizieren, haben wir sorgfältig geforscht: mit dem Brief der orientalischen Patriarchen an Papst Pius IX. mit dem ausführlichen orthodoxen Katechismus, der von Seiner Eminenz Philaret von Moskau zusammengestellt, vom Heiligen Synod von Russland bestätigt und mit dem Segen der Patriarchen ins Griechische übersetzt wurde; mit der “Einführung in die Theologie und der Dogmatischen Theologie” Seiner Eminenz Makarius, des derzeitigen Erzbischofs von Charkow, einem bemerkenswerten Werk, das die Aufmerksamkeit aller gelehrten Theologen verdient. Was die römische Kirche betrifft, so sind wir den Definitionen des Tridentinischen Konzils und dem Katechismus desselben Konzils gefolgt, wobei wir die allmählichen Veränderungen der Lehre durch die päpstlichen Bullen und die verschiedenen theologischen Werke berücksichtigt haben, die von Rom und der römischen Diözese approbiert wurden und die mit Recht als Widerhall der gegenwärtigen Lehre der römischen Kirche angesehen werden müssen. Von diesen sind nur die Schriften von Ligorio, Kardinal Gusset und des Jesuiten Gury zu nennen; und von den Bullen, die die Lehre des Tridentinischen Konzils modifizierten, die Bullen Unigenitus, Ineffabilis und das letzte Rundschreiben oder die Enzyklika von 1864 mit dem Syllabus im Anhang. Wenn Sie etwas von dem, was wir über die Lehre der römischen Kirche sagen, bestreiten wollen, sind wir bereit, unsere Worte durch offizielle Dokumente der Päpste, durch Bischofsbriefe oder durch von der römischen Kirche approbierte theologische Werke zu bestätigen. Was die Kirche von England betrifft, so sollten wir uns insbesondere auf das Prayer Book (Gebetsbuch) stützen, das den Katechismus und 39 Glaubensartikel enthält. Da diese die offizielle Erklärung der dogmatischen Überzeugungen der Kirche von England zu den zwischen ihr und der Kirche von Rom strittigen Fragen darstellen, betrachten wir sie als eine echte Glaubenserklärung und nehmen sie daher als die wichtigste Grundlage für alles, was wir über diese Lehre zu sagen haben. Unser Ziel ist es, die Hindernisse, die der Vereinigung der anglikanischen und amerikanischen Kirche mit der orthodoxen Kirche des Ostens im Wege stehen, so weit wie möglich zu beseitigen, und deshalb haben wir uns bemüht, den genannten Glaubensbrüdern die möglichst orthodoxeste Bedeutung zu geben. Wir nutzten auch die von der Anglo-Continental Society herausgegebenen Werke, die der Verbreitung der Lehren der anglikanischen Kirche auf dem amerikanischen Kontinent dienten. Was die protestantischen Kirchen betrifft, so mußten wir uns von den Bekenntnissen von Augsburg und Larochelle leiten lassen; da diese jedoch die Lehren des heutigen Protestantismus nicht genau wiedergeben, waren wir gezwungen, die wichtigsten Werke der bedeutendsten protestantischen Theologen unserer Zeit zu Hilfe zu nehmen. Wir müssen zugeben, dass wir auf so viele verschiedene Protestantismen gestoßen sind, wie es Schriftsteller gibt, und wir mussten uns daher darauf beschränken, einige der wichtigsten Daten herauszugreifen, die uns am allgemeinsten akzeptiert zu sein scheinen. Wir wollten in diesem Werk nicht mit Gelehrsamkeit glänzen. Wir wollten kein wissenschaftliches Buch schreiben, sondern ein klares und präzises Werk, das sowohl für Theologen als auch für Laien zugänglich ist und auch von den weniger Gebildeten verstanden werden kann. Haben wir unser Ziel erreicht? – Es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen. Sollte unsere Arbeit nicht zufriedenstellend sein, so hoffen wir, dass sie im Hinblick auf das Ziel, dem sie dienen soll, wohlwollend aufgenommen wird, und dass wir bereit sind, auf jede berechtigte Anregung zur Korrektur unserer Arbeit einzugehen. Zum Abschluss dieser Vorbemerkungen halten wir es für notwendig, darauf hinzuweisen, dass wir bei den Mitgliedern der verschiedenen christlichen Gesellschaften, die sich von der orthodoxen Kirche getrennt haben, keine Absicht vermuten. Wir betrachten jede Lehre, die nicht in vollem Einklang mit dem Glauben der wahren Kirche steht, als Irrlehre (Häresie); doch nicht jede Irrlehre ist Ketzerei, ebenso wenig wie alle, die Häresie predigen, Ketzer sind. Damit ein Irrglaube Ketzerei ist, ist es notwendig, dass die Kirche, die Hüterin der göttlichen Wahrheit, den Irrglauben als dem göttlichen Dogma widersprechend erklärt. Ein Ketzer ist jemand, der entgegen der Definition der Kirche eine Meinung vertritt, die der göttlichen Wahrheit widerspricht. Ein Irrender kann gewissenhaft und apologetisch sein, aber ein Ketzer ist eine stolze und unverschämte Person, die es verdient, verurteilt zu werden. Wir möchten glauben, dass es in den abgefallenen Kirchen mehr Menschen gibt, die unwissentlich getäuscht werden, als hartnäckige Ketzer. Deshalb bieten wir ihnen unser bescheidenes Werk in wahrer brüderlicher Liebe an. Wir bitten sie, es mit derselben Aufrichtigkeit zu lesen, mit der es geschrieben wurde, und hoffen, dass sie, wenn sie die Stimme der Wahrheit hören, ihre Herzen nicht verhärten und das Licht, das bereit ist, ihren Geist zu erleuchten, nicht zurückweisen werden. Wenn unser kleines Buch etwas Gutes bewirkt, so schreiben wir es der Güte Gottes zu, der sich oft der bescheidensten Mittel bedient, um seine Wunder zu vollbringen. В. Guettée, Priester und Doktor der Theologie der Russischen Orthodoxen Kirche.
Über die Regel des Glaubens
Der christliche Glaube ist die von Jesus Christus verkündete Offenbarung. Er ist die Weiterentwicklung und Ergänzung des ursprünglichen Glaubens, den Gott nach und nach den ersten Menschen, den Patriarchen, Mose und den Propheten offenbart hat: “Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat Er zu uns gesprochen durch den Sohn” (Hebr. 1,1). Der ursprüngliche Glaube bestand in der Verehrung Gottes in Jesus Christus, dessen Kommen als Messias hoffnungsvoll erwartet wurde. Der christliche Glaube besteht in der gleichen Verehrung Christi, des Retters und Erlösers des Menschengeschlechts. “Jesus sagt: “Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Nicht der kleinste Buchstabe im Gesetz Gottes – auch nicht ein Strichlein davon – wird je an Gültigkeit verlieren, solange Himmel und Erde bestehen. Alles muss sich erfüllen.” (Mt 5,17.18).
Als Jesus Christus seine Botschaft erfüllt hatte, musste alles, was zu seiner Verkündigung und zur Aufrechterhaltung der Hoffnung auf sein Kommen errichtet worden war, aufhören. Alles andere blieb bestehen, denn Gott konnte nur die Wahrheit offenbaren, und die Wahrheit ist eins und unveränderlich. So hat er durch Jesus Christus, seinen Sohn, nur noch deutlicher geoffenbart, was ursprünglich in geheimerer Weise offenbart worden war, und hat der Welt Wahrheiten kundgetan, die frühe zu offenbaren Ihm nicht gefallen hatte.
Der christliche Glaube ist Offenbarung Gottes und kann daher keine andere Rechtfertigung haben als das Wort Gottes. Die von Jesus Christus gesandten Apostel lehrten nur das, was sie von Ihm gehört hatten. “Kommt”, sagte der Heiland zu ihnen, “geht zu allen Völkern … und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.” (Matthäus 28,19.20). “Gott”, sagt der heilige Paulus, “zu seiner Zeit hat Er Sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut ist nach dem Befehl Gottes, unseres Heilands” (Titus 1,3).
Und so ist das Wort Gottes auch die einzige Quelle des Glaubens. Das wurde von Jesus Christus mündlich überliefert, nicht schriftlich. Die Apostel haben es mündlich oder in der Schrift weiterverkündet. “Paulus schreibt:-” So steht nun fest und haltet euch an die Überlieferungen, in denen ihr durch uns unterwiesen worden seid, es sei durch Wort oder Brief von uns.” (2 Thes. 2,15). Die Lehre der Apostel wurde mündlich oder schriftlich an die Gläubigen weitergegeben, die sie unterwiesen. Die zweite Generation von Christen empfing sie von der ersten und gab sie an die dritte weiter. So wurde sie von Generation zu Generation in den verschiedenen Kirchen, die ihren Ursprung in der apostolischen Zeit haben, bis in unsere Zeit weitergegeben. Die auf diese Weise überlieferten Schriften bilden die Bücher des Neuen Testaments. Diese Bücher sind:
Die vier Evangelien: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.
Die Apostelgeschichte, der Jakobusbrief, der Petrusbrief, die drei Johannesbriefe, der Judasbrief.
Die vierzehn Briefe des Paulus, die Offenbarung des Johannes.
Nur die Schriften und mündlichen Lehren, die von den Aposteln empfangen und von allen apostolischen Kirchen ununterbrochen weitergegeben worden sind, können als authentisch angesehen werden. In diesem beständigen und weit verbreiteten Zeugnis liegt der Weg zur Erkenntnis der wahren, von Gott geoffenbarten Lehre. Sie wird Tradition (oder mündliche Überlieferung) genannt. Diese Tradition darf nicht mit menschlichen Traditionen verwechselt werden, d.h. mit Meinungen und Gebräuchen, die nur an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit angenommen wurden. Solche Meinungen und Bräuche können nur zur guten Ordnung der Kirche gehören und können angenommen werden, wenn sie mit der göttlichen Lehre übereinstimmen, und verworfen werden, wenn sie ihr widersprechen; in keinem Fall jedoch können sie als Ergänzung der Offenbarung anerkannt werden.
Als Offenbarung kann nur gelten, was durch das Zeugnis Gottes, sei es schriftlich oder mündlich, positiv bezeugt ist. Dieses Zeugnis wurde uns von Jesus Christus und seinen ersten Jüngern gegeben, die auserwählt waren, dieses Zeugnis allen Völkern weiterzugeben, und die, vom Heiligen Geist dazu inspiriert, die alleinigen seine Hüter waren. Und so ist die Heilige Offenbarung – eine Verheißung.
Jede Generation von Christen hatte die Pflicht, sie von aller menschlichen Unreinheit rein zu halten und sie so an die nächste Generation weiterzugeben, wie sie sie selbst empfangen hatte. Ap.Paulus schreibt: “Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehört hast, im Glauben und in der Liebe in Christus Jesus. Dieses kostbare Gut, das dir anvertraut ist, bewahre durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.” (2 Timotheus 1,13.14). “Timotheus, bewahre die Überlieferung und meide das gottlose Urteil und die Skrupel eines falschen Geistes” (1 Tim 6,20.21). “Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist” (2 Tim 3,14).
Die eine oder andere Ortskirche könnte sich bei der Bewahrung des göttlichen Depositums geirrt haben, jedoch alle Kirchen können nicht in diesen Irrtum verfallen; denn Jesus Christus hat die Verheißung gegeben, bei seiner Kirche zu bleiben “alle Tage bis an das Ende der Welt” (Mt 28,20). Jesus aber, der als das Wort Gottes die Wahrheit ist, würde nicht bei einer Kirche bleiben, die sich zum Irrtum bekennt. Deshalb nennt der heilige Paulus die Kirche “die Säule und das Bollwerk der Wahrheit, die heilige und unbefleckte Braut Christi, den Leib Christi selbst”;[1] sie muss also die Wahrheit enthalten.
Über allen Ortskirchen, die einzeln in Irrtum verfallen können, steht die allgemeine Kirche, bei der Jesus Christus in Ewigkeit bleibt und die weder durch Zeit noch Raum begrenzt ist. Sie ist von den Aposteln und durch sie von Jesus Christus ausgegangen; sie besteht ununterbrochen durch die Zeiten hindurch, bezeugt beständig die Wahrheit und bewahrt sorgsam das ihr anvertraute Gut. Jesus Christus, der sie regiert, hat ihre sichtbaren Züge bekleidet, und alle Teilungen zwischen den einzelnen Kirchen sind zugelassen worden, damit das Zeugnis der Allgemeinen Kirche mit größerer Klarheit offenbart werden kann. Diese Allgemeine Kirche kann auf diese Weise erkannt werden: Es gibt heute in der Welt drei Hauptkirchen apostolischen Ursprungs: die griechische, die lateinische und die armenische Kirche; die letztere ist im vierten Jahrhundert aus der griechischen Kirche hervorgegangen und geht daher auf die Apostel zurück. Die drei Kirchen bildeten im vierten Jahrhundert n. Chr. eine Kirche. Erst im fünften Jahrhundert trennte sich die armenische Kirche von den beiden anderen. Bis ins achte Jahrhundert waren die griechische und die lateinische Kirche vereint. Erst im neunten Jahrhundert begann ihre Trennung.
Aus diesen unbestreitbaren Tatsachen ergeben sich folgende Konsequenzen:
1) Die heute in der lateinischen und der griechischen Kirchen bestehende Lehre, geht mindestens auf das achte Jahrhundert zurück, denn seit ihrer Trennung konnten sie nichts mehr voneinander übernehmen.
2) Die heute, in der lateinischen, griechischen und armenischen Kirchen bestehende Lehre, geht mindestens auf das vierte Jahrhundert zurück, denn nach dieser Zeit konnte die letztere (armenische) nichts mehr von den beiden Ersteren entlehnen.
Zwischen diesen verschiedenen Kirchen herrschte bekanntlich eine tiefe Feindschaft. Bereits im 11. Jahrhundert erreichte sie zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche ein solches Ausmaß, dass Michael Kerularius den Römern einfache Riten vorwarf: im Gottesdienst z.B. das Singen des “Halleluja” an bestimmten Tagen. Es genügte, irgendeinen Brauch im Westen einzuführen, um ihn den Griechen sofort verhasst zu machen. Diese Regelung zeigt deutlich, dass die griechische Kirche seit dem 9. Jahrhundert nichts mehr von der lateinischen Kirche übernehmen konnte. Aus dem gleichen Grund konnten die Armenier seit dem Konzil von Chalcedon nichts mehr von den Griechen übernehmen.
Die Spaltung zwischen der griechischen und der armenischen Kirche ist jedoch mehr äußerlicher Natur; sie beruht, abgesehen von bestimmten Bräuchen und politischen Umständen, auf einem Missverständnis bezüglich eines Dogmas, das auf dem ökumenischen Konzil von Chalcedon festgelegt wurde. Die Lehre beider Kirchen ist die gleiche. Die armenische Kirche ist in völliger Übereinstimmung mit der griechischen Kirche und in ihren Vorwürfen an die lateinische Kirche. Daraus folgt, dass die griechische und die armenische Kirche bis heute die allgemeine Kirche darstellen, wie sie in ihrer Einheit seit dem 4. Jahrhundert besteht und wie sie im Westen noch im achten Jahrhundert war.
Zur Bestätigung dieser Tatsache können wir auf das Zeugnis einiger ostchristlicher Sekten verweisen, die sich in den ersten Jahrhunderten von der Kirche trennten und heute noch existieren, wie die Jakobiten und die Nestorianer. Trotz ihrer Trennung von der Kirche nach dem Konzil von Chalcedon stimmen sie in vielerlei Hinsicht mit der griechischen und armenischen Kirche sowie mit der lateinischen Kirche vor dem neunten Jahrhundert überein. Dies wird auch durch das Zeugnis der georgischen Kirche bestätigt, die aus politischen Gründen seit dem 5.Jahrhudert von allen anderen getrennt war. Als diese Kirche zu Beginn dieses Jahrhunderts (um 1805) ihre Entfremdung überwunden hatte, befand sie sich in vollkommener Harmonie mit der griechisch-russischen und der armenischen Kirche.
Die Tatsachen sprechen für sich: Die griechisch-russische, die armenische, die georgische und die lateinische Kirche sind bis ins neunte Jahrhundert die Vertreter der Kirche der Märtyrer, die die Kirche der Apostel und Jesu Christi selbst war. So wird die beständige und weit verbreitete Stimme der christlichen Kirche hörbar, und jeder Christ kann in dieser Stimme, in ihrem beständigen und weit verbreiteten Zeugnis, leicht die Regeln seines Glaubens finden.
Die wahre Kirche Jesu Christi ist sichtbar; sie ist weder zeitlich noch örtlich begrenzt; ihre Allgemeinheit oder Universalität ist das Merkmal, das sie wesentlich auszeichnet und ihren apostolischen Ursprung beweist. Sie lebt heute dasselbe Leben wie zur Zeit der Apostel. Ihre Stimme ist immer noch dieselbe. Sie existiert, evangelisiert und wirkt vor unseren Augen. Sie ist ein moralisches Wesen, das von Zeitalter zu Zeitalter geht und in ununterbrochener Folge direkt zu Jesus Christus aufsteigt. Sie leuchtet inmitten der Welt wie ein ewiges Licht. Man braucht sich nicht in eine Diskussion über Texte zu vertiefen, um ihr beständiges und universales Zeugnis zu entdecken: Sie lebt und spricht.
Die Lehre, die wir hier darlegen wollen, war den griechischen und lateinischen Kirchen im achten Jahrhundert gemeinsam und wird heute noch von den Apostolischen Kirchen; Griechische, Armenische und Georgische vertreten. Sie war also die Lehre der Urkirche, d.h. der Zeit vor dem vierten Jahrhundert. Daraus schließen wir, dass diese Lehre die Lehre der Apostel war und dass die Griechisch-Russische, die Armenische und die Georgische Kirche auch heute noch treue Vertreter der wahren Kirche Jesu Christi sind. Wenn dem so ist, dann kann man kein vollkommener Christ oder orthodox sein, ohne in voller Glaubensgemeinschaft mit ihnen zu stehen.
Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen in Bezug auf die Glaubensregel.
Bis zum 16. Jahrhundert erkannte die römische Kirche an, dass die Glaubensregel im ständigen und universalen Zeugnis der Kirche zu finden sei. Im 16. Jahrhundert begannen einige Theologen, insbesondere der Jesuit Bellarmine, die Ansprüche der Päpste in eine theologische Lehre umzusetzen. Sie behaupteten, dass der Bischof von Rom als Oberhaupt der Kirche mit göttlichem Recht die ganze Kirche in sich vereinige; dass er der unfehlbare Interpret der göttlichen Offenbarung sei, die sowohl in der Schrift als auch in der Tradition überliefert ist. Andere Theologen, vor allem in Frankreich, hielten an der alten Lehre fest – man nannte sie Gallikaner; die Anhänger Bellarmins, die vor allem in Italien, jenseits der Alpen, die dieses Land von Frankreich trennen, beheimatet waren, nannte man Ultramontane, und ihre neue Lehre Ultramontanismus. Dieses neue System setzte sich nach und nach in der römischen Kirche durch und ist heute die vorherrschende Lehre in der Kirche. Dieses System steht in krassem Gegensatz zum orthodoxen Prinzip, wonach die Glaubensregel nicht im Wort eines römischen Bischofs besteht, sondern im ständigen und weit verbreiteten Zeugnis der ganzen Kirche von der Zeit der Apostel bis heute.
Um wieder orthodox zu werden, muss die römische Kirche erst die Lehre aufgeben, die dem Papst eine geistliche Autorität verleiht, die höher ist als die des Bischofs.
Die anglikanische Kirche hat keine endgültige Lehre über die Glaubensregel. So erkennt sie im VI. Glied ihres Glaubensbekenntnisses eine in der Heiligen Schrift niedergelegte Lehre als verbindlich an, im XIX. erkennt sie den Irrtum aller patriarchalischen Kirchen, die die Universalkirche bilden, an. Im XXI. leugnet sie die Unfehlbarkeit der ökumenischen Konzilien, obwohl sie in ihnen die Repräsentanten der ganzen Kirche anerkennt. Andererseits anerkennt sie im XX. Konzil die Autorität der Kirche, strittige Glaubensfragen zu interpretieren, und im XXXIV. verurteilt sie diejenigen, die die Tradition der Kirche verletzen, einschließlich der Regeln der Frömmigkeitsordnung (Blagotschiniya). In den Vorworten zum Öffentlichen Gebetbuch fordert sie dazu auf die Schriften der Alten Väter zum Anfang und zur Grundlage des Gottesdienstes zu nehmen; sie verwirft nur das, was der biblischen Lehre widerspricht, und hält die von den Alten Vätern festgelegte Ordnung für das Vorbild des wahren Gottesdienstes. Sie anerkennt die vier ersten ökumenischen Konzilien und erkennt an, dass sie die wahre Lehre der ersten fünf Jahrhunderte bestimmt haben und dass die Kirche jener Zeit die Regeln des Glaubens und der guten Ordnung rein gehalten hat; zu ihren kanonischen Regeln gehört eine, die die Prediger verpflichtet, sich bei der Auslegung der Heiligen Schrift von der Lehre der ökumenischen Väter und der alten Bischöfe leiten zu lassen. Sie ehrt das Studium der Kirchenväter in hohem Maße, und ihre besten Theologen bestätigen, dass sie die Willkür der persönlichen Auslegung, wie sie von den Protestanten angenommen wird, ablehnt. So gelehrt von Overall, Hall Beveridge Bull und in unseren Tagen von dem gelehrten Dr. C. Wordsworth. Daher steht die Lehre der Kirche von England der Lehre der östlichen Orthodoxie näher als der Lehre der römischen Kirche. Um mit der Orthodoxen Kirche in voller Übereinstimmung zu sein, muss die Anglikanische Kirche die in ihren symbolischen Büchern dargelegten Ursprünge in Einklang bringen und positiv anerkennen: 1) dass es eine göttliche Lehre gibt, die von den Aposteln mündlich überliefert wurde; 2) dass diese Lehre in der Kirche unfehlbar bewahrt worden ist; 3) dass sie aus dem beständigen und universalen Zeugnis der apostolischen Kirchen gelernt werden kann, d.h. jener Kirchen, die seit den ersten Jahrhunderten die Lehre, die sie empfangen haben, unveränderlich bewahrt haben.
Die Protestanten lehnen die katholische Regel des ständigen und universalen Zeugnisses eindeutig ab, sowohl was die Art der Überlieferung der mündlichen Lehre als auch die Art der Auslegung der schriftlichen Lehre betrifft. Sie erkennen als Regel die eine Heilige Schrift an, die nach dem persönlichen Verständnis eines jeden ausgelegt wird. Für die Authentizität der schriftlichen Lehre sind sie jedoch auf das beständige und weit verbreitete Zeugnis der Kirche angewiesen, denn die Kirche hat uns die Heilige Schrift so überliefert, wie wir sie haben. Das protestantische Aufbegehren gegen die Mißbräuche der römischen Kirche hat sie zu weit getrieben. Um die in die römische Kirche eingedrungenen privaten und falschen Traditionen zu widerlegen, verkündeten sie, dass jede Tradition abgelehnt werden müsse, ohne zu bemerken, dass es gerade diese Tradition ist, die der Heiligen Schrift ihre ganze Kraft verleiht, indem sie ihre Echtheit bestätigt. Um der Wahrheit treu zu bleiben, die in der Heiligen Schrift selbst enthalten ist, müssen die Protestanten anerkennen: 1. die Behauptung des heiligen Paulus, dass die göttliche Lehre auf zweierlei Weise weitergegeben wurde, nämlich durch mündliche und schriftliche Überlieferung (2 Sol 6,14). 2. dass die Kirche diese zweifache Lehre bewahrt hat und sie durch ihr beständiges und allgemeines Zeugnis weitergibt 3 dass jeder Christ verpflichtet ist, dieses Zeugnis anzunehmen, sowohl was die Kenntnis der gelehrten und geschriebenen Lehre als auch was ihre Auslegung betrifft, und dass die Auslegung der eigenen, persönlichen Lehre immer der allgemeinen untergeordnet sein muss.
Indem ein Protestant diese Regeln ablehnt, schreibt er Gott seine eigenen Gedanken zu, denn er interpretiert das Wort Gottes nach seiner eigenen, mehr oder weniger entwickelten Vernunft. Dabei wird er alles verwerfen müssen, was ihm mit seiner Vernunft unvereinbar erscheint, oder er wird nach einem Sinn suchen müssen, der ihm vernünftig erscheint. Wenn er logische Folgerungen aus seinen Ursprüngen ziehen will, wird er unweigerlich in den Rationalismus verfallen, und genau das geschieht bei einer beträchtlichen Anzahl von Protestanten unserer Zeit.
Erster Teil.
Dogmen des orthodoxen Glaubens
Die Grundlehren des orthodoxen Glaubens sind im Glaubensbekenntnis von Nizäa, das auf den ersten beiden ökumenischen Konzilien von Nizäa und Konstantinopel verfasst wurde, in wenigen Worten zusammengefasst.
In diesem Symbol heißt es wie folgt:
Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes einziggeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen:
Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden:
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden.
und ist am dritten Tage auferstanden, nach der Schrift:
Und aufgefahren ist in den Himmel und Er sitzt zur Rechten des Vaters:
Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten, und seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Und an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht der aus dem Vater hervor geht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.
Und in die eine heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben in der kommenden Welt. Amen.
I. Dreifaltigkeit
“Ich glaube an den einen Gott, den Vater … und an Jesus Christus, Gottes einziggeborenen Sohn … und an den Heiligen Geist”.
Von den ersten drei Absätzen des Glaubensbekenntnisses bezieht sich der erste auf den Vater, der zweite auf den Sohn und der dritte auf den Heiligen Geist. Das Glaubensbekenntnis enthält also die Lehre von der hl. Dreifaltigkeit.
In dem einen Gott sind drei Personen: Der Vater, der allmächtige Anfang, aus dem der Sohn durch die Geburt und der Heilige Geist durch die Abstammung gezeugt sind und der allen sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen das Sein gegeben hat.
Den Sohn, von Ewigkeit her aus dem Vater geboren, durch den sich die göttliche Macht in der Schöpfung aller Dinge offenbart hat.
Der Heilige Geist – geht vom Vater aus, hat also göttliche Natur und ist untrennbar mit dem Vater und dem Sohn zu verehren.
In diesen drei Personen, die dieselbe göttliche Natur haben, ist ein ewiger Gott. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren persönlichen Eigenschaften. Die persönliche Eigenschaft des Vaters ist, dass Er der Anfang ist. des Sohnes, dass Er vom Vater gezeugt ist. Der Heilige Geist, dass Er vom Vater ausgeht. Der Vater als Anfang hat also zwei verschiedene Handlungen: die eine heißt Geburt und bezieht sich auf den Sohn, die andere heißt Ausgehen und bezieht sich auf den Heiligen Geist.
Diese beiden Handlungen, die ein unbegreifliches Geheimnis darstellen, haben die vor-ewige Offenbarung des Sohnes und des Heiligen Geistes zur Folge.
In den Personen der Heiligen Dreifaltigkeit darf man weder ihre Wesenseigenschaften aufteilen noch ihre persönlichen Eigenschaften vermischen, denn die Zuschreibung verschiedener Wesenseigenschaften würde sie zu mehreren Göttern machen und damit das Dogma von der Einheit Gottes verletzen. Die Zuordnung persönlicher Eigenschaften einer Person zu einer anderen würde zur Zerstörung der persönlichen Unterscheidung führen und damit das Dogma der Heiligen Dreifaltigkeit verletzen. Schließlich würde durch die Umwandlung einer persönlichen Eigenschaft in eine wesentliche Eigenschaft das, was nur einer von ihnen gehören kann, allen drei Personen derselben Natur zugeschrieben.
Neben seinem inneren und ewigen zweifachen Wirken übt der Vater ein äußeres Wirken aus, dessen Gegenstand die unsichtbare und die sichtbare Welt ist. Erstere besteht aus geistig geschaffenen Wesen, letztere aus materiell geschaffenen Wesen.
Das äußere Wirken des Vaters geschieht durch den Sohn und der Heilige Geist, heiligt beide Welten durch die Gnade aufgrund der Botschaft, die Er vom Vater und vom Sohn empfängt. Diese Botschaft offenbart sich vor allem in der Inspiration der von Gott erwählten Menschen, die bis zur Menschwerdung des Sohnes anderen Seinen Willen verkünden, und in der Kirche durch die Erneuerung und Bewahrung des Schatzes (Geboten) der Göttlichen Lehre.
Es wäre ein großer Irrtum, die Sendung des Heiligen Geistes durch den Vater und den Sohn mit seiner ewigen Hervorgehen zu verwechseln, denn diese Hervorgehen kann nur vom Vater, dem einzigen Anfang in der Dreifaltigkeit, ausgehen, und es ist weder direkt noch indirekt möglich, diese ewige Hervorgehen dem Sohn zuzuschreiben, ohne ihm die persönliche Eigenschaft des Vaters zuzuschreiben und damit das eigentliche Dogma von der Dreifaltigkeit der Personen zu verletzen.
Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen in der Trinitätslehre.
Alle christlichen Kirchen bekennen dogmatisch, d.h. sie glauben: 1., dass Gott einer ist; 2., dass Er in drei Personen ist, die voneinander unterschieden, jedoch in dem einen Gott untrennbar sind.
Die römische Kirche hat allerdings indirekt gegen die Trinitätslehre verstoßen, indem sie dem Glaubensbekenntnis “aus dem Vater” die Worte “und aus dem Sohn” – lateinisch: Filioque – hinzufügte.
Dieser Zusatz entstand im siebten Jahrhundert in Spanien. Im achten Jahrhundert drang er nach Frankreich vor, wo er jedoch auf heftige Gegner stieß. Zu Beginn des neunten Jahrhunderts schlug Karl der Große Papst Leo III. vor, den Zusatz zu genehmigen, was dieser ablehnte. Unter dem Einfluss Karls des Großen, dessen Herrschaftsgebiet sich über weite Teile Mitteleuropas erstreckte, wurde der Zusatz von einer beträchtlichen Zahl von Kirchen angenommen. Die Ostkirche erhob Einspruch gegen die Neuerung, wurde aber nicht gehört, und die römische Kirche selbst nahm den Zusatz im 11. Jahrhundert auf Wunsch Kaiser Heinrichs I. an. Seitdem hat sich der Zusatz Filioque in allen westlichen Kirchen durchgesetzt.
Im 16. Jahrhundert ließen die anglikanische und die protestantische Kirche diesen Zusatz außer Acht, und erstere behielten ihn nach ihrer Trennung von der römischen Kirche in ihrem Glaubensbekenntnis bei. Wie die römische Kirche versuchten sie sogar, ihn zu rechtfertigen. Dazu wurden zwei Mittel eingesetzt: Zum einen wurde dem Sohn die Eigenschaft eines zweiten Anfangs in der Trinität zugeschrieben, zum anderen wurde auf die Aussagen der Kirchenväter verwiesen, um die Übereinstimmung dieses Zusatzes mit der Tradition der Kirche zu versichern.
Es fiel der Ostkirche nicht schwer, zu beweisen, dass es in der Dreieinigkeit nichts Zweites geben kann, dass die Eigenschaft des Anfangs ausschließlich eine persönliche Eigenschaft des Vaters ist und dass sie dem Sohn in keiner Weise zugeschrieben werden kann, ohne dass dem Sohn etwas persönlich vom Vater zukommt, und damit ohne das Dogma der Dreieinigkeit zu zerstören. Es fiel ihr auch nicht schwer zu beweisen, dass von den Aussagen der heiligen Väter einige ganz erfunden, andere entstellt waren, und dass die echten sich nicht auf die Sendung des Heiligen Geistes in die Welt, oder überhaupt nicht auf seine ewige Hervorbringung bezogen.
Und so ist der im Westen vorgenommene Zusatz zum Glaubensbekenntnis nicht nur ein falsches und unrechtmäßiges Werk der Ortskirche, sondern enthält darüber hinaus in sich einen entschiedenen Irrtum, der dem katholischen (orthodoxen) Glauben widerspricht.
Anstatt eine Deutung des Wortes filioque zu erfinden, die das Dogma der Dreifaltigkeit schützen könnte, wäre es besser, in gutem Glauben zu bekennen, dass ein solcher Zusatz nicht dem Geist der Orthodoxie entspricht, und dann aus dem Glaubensbekenntnis einen Ausdruck zu streichen, der verführerisch ist und dem Wort Gottes und der wahren Tradition der Kirche widerspricht.
II. Welt
“Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Welt”.
Das äußere Wirken des vor-ewigen Anfangs manifestiert sich im Sohn und hatte die Erschaffung der Welt zur Folge, d.h. der Gesamtheit aller Wesen, die die Ursache ihres Seins nicht in sich tragen. Das Universum enthält zwei Welten: die eine besteht aus geistigen Wesen, die andere aus materiellen Wesen. Alles, was unseren Sinnen nicht unterworfen ist, ist unsichtbar, und alles, was ihnen unterworfen ist, ist sichtbar.
Unter den geistigen Wesen kennen wir Engel und Menschenseelen. Erstere sind körperlose, d.h. nicht mit dem Körper verbundene Geister. Bei der Erschaffung der Engel wurden sie auf die Probe gestellt, wie sie den ihnen gegebenen Willen gebrauchen würden. Einige blieben treu – das sind die guten Engel; andere fielen aus Hochmut und verloren einen Teil ihrer Vorteile – das sind die bösen Engel oder Dämonen, an deren Spitze Satan steht.
Beide wirken unmittelbar in der irdischen Welt, die einen zum Guten, die anderen zum Bösen. Das Wirken beider ist dem höchsten Willen Gottes untergeordnet.[2].
Es besteht also ein ständiger Austausch zwischen der geistigen und der materiellen Welt.
Obwohl die unsichtbare Welt nicht wie die sichtbare Welt räumlich begrenzt ist, befindet sie sich in einem besonderen Zustand, der sie von allem, was nicht zu ihr gehört, unterscheidet. In ihr offenbart Gott in besonderer Weise seine Herrlichkeit durch die Güte der Engel und die Seelen der Gerechten: – das ist der Himmel.[3] Die bösen Engel dagegen befinden sich in einem Zustand der Verdammnis, der Hölle. Die Seelen der Verworfenen werden sich in demselben Zustand befinden, nachdem das Endgericht über sie ergangen ist, und ihr Zustand wird, wie der der bösen Engel, endgültig sein.
Der Tod zerreißt nicht die Bande der Gemeinschaft, die auf Erden zwischen den Gläubigen bestanden haben. Diese Gemeinschaft besteht vor allem im Gebet zu Gott, das einer für den anderen erbringt. Die Erwählten beten für ihre Brüder, wie sie es taten, als sie auf Erden lebten, und wenn wir sie schon um ihr Gebet bitten konnten, als sie noch in dieser Welt waren, wie viel mehr können wir sie jetzt bitten, da sie sich in der himmlischen Welt vor dem Angesicht Gottes befinden. Darin besteht die Anbetung der Heiligen.
In Erwartung des Endgerichts am Ende der irdischen Welt befinden sich die Menschenseelen, die noch nicht in die himmlische Welt aufgenommen wurden, wo die guten Engel sind, und die noch nicht dem Endgericht unterworfen wurden, in einem Übergangszustand, in dem wir ihnen durch unser Gebet, durch gute Werke und durch die Spendung des Sakraments der Eucharistie helfen können. Auf diese Weise suchen wir für sie das Erbarmen Gottes in Jesus Christus.
Von den menschlichen Seelen, die sich nicht in die Reihen der Engel eingereiht haben, sind einige so böse, dass sie sofort nach der Trennung vom Körper zu mehr oder weniger großen Qualen verdammt werden, die kein Ende nehmen. Wie die Dämonen sind sie für immer von Gott getrennt und Qualen ausgesetzt, die in der Heiligen Schrift in den schrecklichsten Farben beschrieben worden. Auch wenn die biblischen Ausdrücke eine metaphorische Bedeutung haben mögen, ist die Wahrheit, die sie ausdrücken, authentisch; der Zustand des großen Leidens der Seele, wenn sie für immer von Gott getrennt ist, ist ein unbestreitbares Dogma.
Der Zustand der Seligkeit und der Zustand der Verdammnis werden jedoch erst nach der Auferstehung des Leibes, d.h. nach dem furchtbaren Gericht, vollendet sein (Apk. 6,9.10.11; 19ff.). Der Mensch besteht aus Seele und Leib. Der durch die Trennung dieser beiden Naturen zerstörte Mensch wird nach der Auferstehung des Leibes wiederhergestellt sein; er wird sich also in einem Zustand befinden, in dem er die Seligkeit oder der Verdammnis in seinem vollen Wesen erfährt. Der auferstandene Leib wird an der Seligkeit oder an den Leiden der Seele teilhaben, und zwar unter den neuen Bedingungen, denen er unterworfen sein wird (1 Kor 14,42ff; Phil 3,21; Mt 22,30).
Die materielle Welt besteht aus verschiedenen Wesen, die in drei Kategorien eingeteilt werden können: 1) Wesen, die nur mit Sein begabt sind; 2) die mit Sein und Leben begabt sind; 3) die mit Sein, Leben und Geist (Verstand) begabt sind. Die dritte Kategorie ist die Menschheit.
Gott ist der alleinige Schöpfer all dieser Wesen. Er hat sie durch das Wirken seiner Allmacht erschaffen und ihre Existenz in aufeinanderfolgenden Augenblicken gemessen, die Zeit genannt werden. Er allein ist ewig und hat aufgrund der Notwendigkeit seiner Natur eine Existenz aus sich selbst heraus; Gott ist „Der, der ist“( im griechischen ὁ ὢν, dem hebräischen Jahwe), und seine Existenz kann nicht durch die Zeit gemessen werden. Alle Geschöpfe – Zufallsgeschöpfe – sind weder Ausfluss noch Erscheinung Seiner ewigen und unendlichen Natur, sondern nur die Wirkungen Seiner schöpferischen Macht, die sie ins Dasein rief, als sie nicht waren.
Gott schuf nur einen Mann, Adam genannt, und eine Frau, Eva genannt. Alle Menschen stammen von diesem Paar ab und sind somit eine Familie. Unsere Vorfahren, von Satan versucht und beeinflusst, fielen in die Sünde. Mit der Unschuld, in der sie erschaffen wurden, verloren sie viele Vorzüge ihrer ursprünglichen Natur und behielten eine Natur zurück, die bereits verdorben war. Da ihre Kinder nach dem Sündenfall geboren wurden, konnten sie ihnen nur ihre entstellte und beschädigte Natur weitergeben. Dieses dem Menschen innewohnende natürliche Übel wird Erbsünde genannt.
Die Folgen des Sündenfalls waren Unwissenheit, Begierde und Tod, die Gottes Schöpfung entstellten und den Menschen in einen Zustand versetzten, der im Widerspruch zu Gott steht, der von Seiner Natur aus Licht oder Wahrheit, Güte, Unsterblichkeit ist.
Gott beabsichtigte, die gefallene Menschheit geistig zu heilen. Zu diesem Zweck hat Er der Menschheit durch seinen Sohn oder sein Wort mitgeteilt: 1) Wahrheit; 2) Gnade oder übernatürliche Hilfe, um Gutes zu tun; 3) den Beginn der Auferstehung und Unsterblichkeit für einen Körper, der dem Tod unterworfen ist.[4] Um diese Wiedergeburt der Menschheit zu vollenden, ist Gott in der Person des Sohnes Mensch geworden.
Der Unterschied zwischen den christlichen Kirchen in der Lehre von der Welt.
Die Lehre der christlichen Kirchen unterscheidet sich in folgenden Punkten – 1) über die bestehende Gemeinschaft zwischen den Auserwählten, die im Himmel sind, und den Gläubigen, die auf Erden leben; 2) über den Zustand der Seelen der noch nicht Verurteilten und Gerechtfertigten nach ihrer Trennung vom Leib und folglich über das Gebet für die Verstorbenen.
Die evangelischen Kirchen lehnen diesen Zustand der Seelen und damit den Nutzen des Gebets für sie völlig ab. Für die Protestanten gibt es daher nur auserwählte oder verworfene Seelen, die unmittelbar nach dem Tode in einen Zustand der Seligkeit oder der völligen Verdammnis übergehen, und jeder Verkehr mit der Erde ist abgeschnitten. Sie behaupten auch, dass es keine Kommunikation zwischen den Auserwählten im Himmel und den Gläubigen auf Erden gibt, so dass letztere nicht mehr auf die Gebete der ersteren zurückgreifen können. Der Tod trennt ihrer Meinung nach endgültig die sichtbare von der unsichtbaren Welt.
Die anglikanische Kirche verwirft in ihrer 22. Regel des Glaubensbekenntnisses die gesamte römische Lehre vom Fegefeuer und von der Anrufung der Heiligen, ohne in dieser Lehre zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Sie hat jedoch die Gedenktage der Heiligen in ihrem Kalender beibehalten und feiert sie in ihren öffentlichen Gottesdiensten. Sie ehrt und feiert also die Heiligen, doch sie betet sie nicht an. Man könnte meinen, sie wolle damit ihre Verurteilung des der römischen Kirche vorgeworfenen Götzendienstes zum Ausdruck bringen, doch gerade die Anrufung der Heiligen kann nicht als ein solcher Dienst angesehen werden. Wenn die Gläubigen einander um ihr Gebet bitten können und sollen, solange sie auf Erden sind – wenn der Apostel Paulus selbst um das Gebet der Brüder bat, die er im Glauben erneuert hatte -, warum sollten wir dann nicht um das Gebet derer bitten, die wir ehren und verehren, die Gott nahe sind und die der Tod nicht von der Kirche Christi getrennt hat, deren Herrlichkeit und Stütze sie waren? Der Tod zerreißt das Band zwischen den Gläubigen nicht. Deshalb können sie für einander beten und einander um ihr Gebet bitten. So gesehen ist die Anrufung der Heiligen ebenso wenig Götzendienst wie ihre Verehrung. Sie gelten auch nicht als Vermittler im strengen Sinne des Wortes, ebenso wenig wie die Gläubigen, die in dieser Welt um Gebete gebeten werden. Obwohl die anglikanische Kirche die römische Lehre vom Fegefeuer ablehnt, betet sie offenbar für die Toten, wie der Begräbnisgottesdienst in Trebnik (Gebetsbuch) zeigt. Sie geht also davon aus, dass sich die Seelen der Gläubigen in einem solchen Zustand befinden können, dass ihnen Gebete nützen. Diese Lehre wird von ihr natürlich nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber wir sind der Meinung, dass sie aus ihrem Gottesdienst abgeleitet werden muss und nur außer Gebrauch gesetzt wurde. Die gegenwärtige römische Kirche macht sich entschiedene Illusionen über den Zustand der Seelen, die noch nicht verdammt und noch nicht in den Himmel aufgenommen sind; sie weist ihnen einen besonderen Ort zu, den sie Fegefeuer nennt, wo diese Seelen im Feuer für die geringen Sünden, die sie begangen haben, büßen, die Strafe, die sie verdient haben und ihnen wird vergeben.
Die Vergebung kann ihnen vom Papst ganz oder teilweise durch vollständige oder private Ablässe (Indulgentia lat.) gewährt werden, die durch die Verrichtung eines bestimmten Gottesdienstes oder durch das Beten eines bestimmten Gebetes gewährt werden.
Die Ostkirche lehnt die Ansicht ab, dass die Seele im Tode ein Verdienst oder eine Übertretung begeht, um ihre Sünden zu sühnen; sie verwirft daher jede erlösende Strafe und das Fegefeuer selbst ab.[5] Sie gewährt den Seelen keinen Aufenthaltsort, sondern nur einen vorübergehenden Zustand. Ablässe betrachtet sie als bloße Erleichterung der von der Kirche auferlegten Bußen, die auf Erden zu erfüllen sind und keinen Bezug zum künftigen Leben haben. Sie erkennt daher nicht an, dass die Kraft der Ablässe (Indulgetia) über das Jenseits hinausreichen kann, und gesteht weder dem römischen Bischof noch sonst jemandem das Recht zu, die Seelen der Verstorbenen ganz oder teilweise von Strafen zu befreien, mit Ausnahme der kirchlichen Strafen, die von der kirchlichen Autorität in dieser Welt und unter den Bedingungen dieser Welt verhängt werden.
Die Ostkirche gründet ihren Glauben an den Übergangszustand bestimmter Seelen, die für das Heil bestimmt sind, auf die Lehren der Urkirche, die in den ältesten Liturgien bezeugt sind, insbesondere in der ältesten Liturgie, die unter dem Namen Jakobus von Jerusalem bekannt ist. Sie alle enthalten Gebete für die Verstorbenen. So drückt der heilige Cyrill von Jerusalem im 4. Jahrhundert den Glauben der Urkirche, indem er sagte: “Für die Seelen derer, die vor uns gelebt haben, sind unsere Gebete für sie von großem Nutzen bei der Durchführung des heiligen und furchtbaren unblutigen Opfers (Oglas. v).
Die wahre Lehre, die den Ostkirchen und den uralten Westkirchen gemeinsam ist, liegt zwischen den Leugnungen der Protestanten und den Neuerungen der heutigen römischen Kirche.
III. Menschwerdung
“Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes einziggeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater. Durch Ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen, и zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden”.
Der zweite Teil des Nizänischen Glaubensbekenntnisses bezieht sich auf den Sohn, der Mensch wurde, um die Welt zu erneuern und zu erlösen, indem er sich selbst als Opfer darbrachte.
Gott hat nur einen Sohn, sein Wort, das der ewige Ausdruck seines Wesens ist und von Ihm vor Ewigkeit gezeugt wurde. Das Wort das einzige vor aller Ewigkeit, kam aus dem Anfang oder aus dem Vater hervor durch einen Vorgang, der Geburt genannt wird. Dieser Akt geschah vor allen Zeitaltern, das heißt vor der Erschaffung der aufeinanderfolgenden Augenblicke, die Zeit genannt werden, und vor der Erschaffung aller Wesen, deren Existenz nach der Zeit gemessen wird. Daher war der Vater nie ohne den Sohn; sonst könnte man sich einen Augenblick vorstellen, in dem der Sohn das Sein empfing; dann würde Er in die Kategorie der Geschöpfe eintreten, und es gäbe einen Augenblick in der Ewigkeit, was unmöglich ist und einen Widerspruch darstellt. Und so ist das Wort eine ewige Emanation aus einem ewigen Anfang; Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, unerschaffen, wesensgleich mit dem Vater, durch Ihn ist alles geschaffen.
Selbst wenn man mit den Arianern annähme, der Sohn sei wesensänlich mit dem Vater, so wäre Er doch Geschöpf, weil Er seine Natur nicht durch ewige Geburt, sondern durch einen Akt erhälte, der, da er in Gott nicht notwendig ist, ein äußerer Akt, also Schöpfung ist. Entweder ist also der Sohn dem Vater wesensgleich durch notwendige und ewige Geburt, oder Er ist Gott und Geschöpf zugleich. Damit würde man aber die Existenz zweier Götter annehmen, von denen der eine der Schöpfer des anderen wäre, was eine lächerliche und hässliche Meinung darstellt.
Gott hat durch Sein Wort in der ganzen Schöpfung gewirkt. Folglich hat Er durch Ihn allen Geschöpfen, die die beiden Welten, die sichtbare und die unsichtbare bilden, Existenz verliehen.
Der Sohn ist zur Wiedergeburt und zum Heil der Menschheit vom Himmel herabgestiegen, das heißt, Er hat sich in der irdischen Welt, außerhalb der unsichtbaren Welt, offenbart. Er hat Fleisch angenommen, d. h. mit einem vollkommenen menschlichen Wesen vereinigt, das mit Ihm bereits eine untrennbare, einzige Göttliche Person gebildet hat und Jesus Christus genannt wird.
Sein Name Jesus – bedeutet Retter, denn Er ist gekommen, um die Menschheit zu retten; Er ist der Christus, d. h. gesalbt zur Erlösung der Welt. Die göttliche Natur und die menschliche Natur sind in Jesus Christus vollkommen, aber sie sind völlig verschieden, so daß es unmöglich ist, der einen Natur zuzuschreiben, was der anderen gehört; doch alle Eigenschaften jeder der beiden Naturen müssen der Person zugeschrieben werden, die eine ist. So gibt es in Jesus Christus zwei Willen, einen menschlichen und einen göttlichen, und zwei Handlungen. Jedoch die menschliche Handlung und der menschliche Wille sind dem göttlichen Willen und der göttlichen Handlung untergeordnet.
Der Leib Jesu Christi wurde nicht nach den Gesetzen der menschlichen Geburt geformt, und deshalb war Jesus Christus nicht an der Erbsünde beteiligt. Der Heilige Geist hat Ihn in der Jungfrau Maria gezeugt, und so ist das Wort durch göttliches Wirken Mensch geworden. Maria blieb vor und nach der Geburt Jesu Jungfrau, und diese Geburt war ebenso wunderbar wie die Empfängnis selbst.
Der Unterschied zwischen den christlichen Kirchen bezüglich des Dogmas der Menschwerdung.
In unsere Zeit vertreten viele Protestanten wie die alten Ketzer, die Sozinianer, die Ansicht, Jesus Christus sei nicht Gott, sondern nur ein von Gott mit außergewöhnlichen Eigenschaften begabter Mensch gewesen. Indem sie einem solchen Irrglauben anhängen, lehnen sie offensichtlich die Heilige Schrift ab, die sie anscheinend als Glaubensregel betrachten. Dort heißt es: “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort… Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns…” (Johannes 1,1.14). – Ich und der Vater, sagte Jesus Christus, sind eins” (Joh 10,30) – “Wer mich sieht, sieht den Vater…” (….) Ich bin im Vater und der Vater ist in mir…” (Joh 14,9.11).
Die frühen Protestanten und alle anderen christlichen Gesellschaften stimmen im Dogma der Menschwerdung mit der Ostkirche überein.
Die heutige römische Kirche verstößt jedoch indirekt gegen diese Lehre, indem sie das Heiligste Herz Jesu verehrt.
Die Anbetung muß der einen göttlichen Person Jesu Christi gelten, jedoch seine menschliche Natur ist in diese Anbetung nur durch ihre hypostatische Vereinigung mit der göttlichen Natur einbezogen. Daher ist es unzulässig, die menschliche Natur Jesu Christi getrennt zu verehren, geschweige denn irgendeinen Teil seines Leibes. Die römische Kirche hat diese Verehrung früher damit gerechtfertigt, dass sie sich auf das Antlitz Jesu Christi selbst beziehe; heute allerdings ist die Mehrzahl ihrer Schriftsteller berechtigt, zu lehren, dass das Herz Jesu als solches der Verehrung würdig ist.
Die Protestanten akzeptieren die Bezeichnung der heiligen Mutter Jesu Christi als Jungfrau im Glaubensbekenntnis von Nizäa nicht vorbehaltlos. Sie behaupten, sie habe noch andere Kinder gehabt. Damit weichen sie von ihrer Regel ab, nur das anzunehmen, was in der Heiligen Schrift steht. Dort ist nirgends von weiteren Kindern Marias die Rede; diejenigen, die als Brüder Jesu bezeichnet werden, werden zugleich als Söhne Marias einer anderen Maria, der Frau des Kleopas, bezeichnet. Nach der Heiligen Schrift war Maria des Kleopas die Schwester der Jungfrau Maria, und ihre Kinder waren Cousins und Cousinen Jesu. In der Antike wurden nicht nur Geschwister, sondern auch Cousins und Cousinen Brüder genannt.
Die Ostkirche glaubt mit der gesamten Urkirche, dass die Mutter Jesu vor, während und nach seiner göttlichen Geburt und im Akt der Empfängnis eine Jungfrau war.
IV. Erlösung
“Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden:
Und am dritten Tag auferstanden, wie es in der Heiligen Schrift steht:
Und aufgefahren in den Himmel Er sitzt zur Rechten des Vaters:
Und Er, wird wiederkommen mit Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten, und Seines Reiches wird kein Ende sein“.
Nachdem Jesus Christus die Menschen die Wahrheit gelehrt hatte, war Er bereit, die Menschheit in seiner eigenen Person zu opfern und seine menschliche Natur zu töten, damit die Menschheit mit ihm ein neues Leben der Wiedergeburt und der Auferstehung erlangen konnte. Dafür wurde Er gekreuzigt. Er starb den Tod der Verbrecher, denn die Menschheit, die Er zum Opfer darbrachte, war in den Augen Gottes verbrecherisch; Er starb für die Menschheit, um sie vor dem ewigen Tod zu retten und ihr das ewige Leben zu ermöglichen.
Nur durch Jesus Christus, unseren einzigen Erlöser, unseren einzigen Fürsprecher, können wir gerecht werden; nur in Ihm können wir, durch den Glauben an Ihn mit Ihm verbunden, das ewige Leben ererben. Damit aber dieser Glaube uns mit Jesus Christus verbindet, muss er wahr sein, das heißt, wir müssen die ihm vorgeschriebenen Gebote und Tugenden heilig erfüllen. Unsere guten Werke allein haben nicht die Kraft der Rechtfertigung, sondern sie sind eine notwendige Folge des wahren Glaubens, und dieser Glaube, der sich in den Werken kundtut, verbindet uns mit dem Erlöser, der uns rechtfertigt.
Der Glaube, der uns motiviert, Gutes zu tun, ist eine Gabe Gottes, die uns durch die Verdienste Jesu Christi zuteilwird. Folglich kommt alles Gute in uns aus der Gnade Gottes in Jesus Christus; ohne diese Gnade können wir nichts Gutes und zu unserem Heil Nützliches tun. Seit der Erbsünde ist die menschliche Natur mehr zum Bösen als zum Guten geneigt, und allein die Gnade Gottes vermehrt in uns die Liebe zum Guten und stellt in uns die Freiheit des Willens wieder her, damit wir das wahrhaft Gute vollbringen können.
Wenn wir also die heilige Mutter Gottes und die Heiligen anrufen, dann beten wir zu ihnen nur, um sie zu bitten, Gott um die Gnade und Rechtfertigung zu bitten, die Jesus Christus für uns erworben hat. Wir verehren sie nicht direkt als Fürsprecher bei Gott im eigentlichen Sinne des Wortes.
Jesus Christus wurde gekreuzigt, als Pilatus von Pontus über Judäa herrschte, also zur Zeit des Kaisers Tiberius. Bis zu dieser Zeit wussten die Menschen von dem zukünftigen Kommen des Erlösers, denn Gott hatte es ihnen von Anfang an offenbart. Da aber diese ursprüngliche Offenbarung durch die Täuschungen, denen die Menschen verfallen waren, verdrängt worden war, erwählte Gott das Volk Israel und beauftragte es vor allem, die Verheißung vom Kommen des göttlichen Gesandten oder Messias zu bewahren und vor der übrigen Menschheit zu bezeugen. Dieses Volk erhielt durch Mose eine Institution und religiöse Riten, um die Verheißung zu erfüllen. Es hatte Propheten, die alle Umstände des Lebens des Messias voraussagten, insbesondere die Verstockung Israels, die den Gesandten, der die Welt retten sollte, töten würde.
Jesus Christus hat alle Prophezeiungen durch sein Leben, sein Leiden, seinen Tod und schließlich seine Auferstehung am dritten Tag erfüllt, wie es in der Heiligen Schrift heißt.
Und so war Jesus Christus von Anbeginn der Welt der Mittelpunkt allen wahren Glaubens. Er wurde als der Messias erwartet, Er wurde als der Erlöser verehrt, Er war die Quelle des Heils für das Menschengeschlecht, und in Ihm allein konnten Wahrheit und Gnade gefunden werden. Er bewahrte die dogmatischen und moralischen Grundlagen des ursprünglichen Glaubens und des Glaubens Israels, weil sie die von Gott kommende Wahrheit darstellten. Er ersetzte die Wandlungsriten, die eingeführt worden waren, um uns an die Verheißung Seines Kommens zu erinnern, durch die Wirklichkeit. So gab es von Anbeginn der Welt immer nur einen wahren Glauben, einen Retter und Erlöser, und der christliche Glaube ist nur die Weiterentwicklung und Erfüllung des ursprünglichen Glaubens und des Glaubens Israels.
Der auferstandene Jesus Christus hat die sichtbare Welt verlassen und ist in die unsichtbare Welt zurückgekehrt. Das Wort Gottes hat in seiner Vereinigung mit der menschlichen Natur für immer, in der hypostatischen Vereinigung, eine Autorität, die der des Vaters gleich ist; dies kommt in den Worten zum Ausdruck: Er, sitzt zur Rechten des Vaters. Die menschliche Natur in Jesus Christus unterscheidet sich von der Natur des Vaters, doch durch die Vereinigung mit dem Wort und in Verbindung mit dieser Natur stellt sie in Gott die ganze erneuerte Menschheit dar.
Das Wort in Menschengestalt wird ein zweites Mal in die Welt kommen. Es wird alle Menschen richten, die seit der Erschaffung der Welt gelebt haben. Das Endgericht wird über die Guten und die Bösen ergehen, und Jesus Christus wird in alle Ewigkeit über die Menschheit herrschen, die, in Auserwählte und Verworfene geteilt, unter den Bedingungen, die der oberste Richter festlegt, ein unsterbliches Leben führen wird.
Die sichtbare Welt wird zerstört und die Erde selbst mit Feuer verbrannt werden (2.Petrus 3:12).
Der Unterschied zwischen den christlichen Kirchen hinsichtlich des Erlösungsdogmas.
Bis in die letzten Jahrhunderte vertrat die römische Kirche in Bezug auf das Erlösugsdogma die gleiche Lehre wie die Ostkirche. In unserer Zeit herrscht eine große Verwirrung in der Lehre. Einige Theologen halten an der alten Lehre fest, andere haben neue Lehren erfunden. Letztere stimmen besser mit dem Inhalt der päpstlichen Bullen überein, und wir sind daher berechtigt, sie als Interpreten der wahren Lehre der gegenwärtigen römischen Kirche anzusehen.
Hier sind die wichtigsten Punkte, in denen sie (die neue-erfundene Lehre) sich von der Lehre der Kirche des Ostens und der uralten lateinischen Kirche unterscheidet.
1) Der Anfang unserer Rechtfertigung liegt in unseren Werken, denn das erste Geschenk der Gnade müssen wir uns selbst verdienen. Unsere Rechtfertigung hängt also in erster Linie von unserem eigenen Willen ab und nicht von der Gnade Gottes, die uns aus freien Stücken durch die Verdienste Jesu Christi zuteilwird. Diese Lehre ist nichts anderes als Semi-Pelagianismus; sie stützt sich auf die Bulle Unigenitus, die von der römischen Kirche als Glaubensregel akzeptiert wird.
2) Die Heiligen haben einen Überschuss an Verdiensten, der einen Schatz darstellt, den der Papst nach seinem Ermessen durch Ablässe (Indulgentien) an Lebende und Verstorbene verteilen kann.
Diese Vorstellung vom Ablass (Indulgention), die auf dem Verdienstüberschuss der Heiligen beruht, widerspricht dem orthodoxen Grundsatz, dass niemand ein persönliches Verdienst vor Gott hat und dass unser ganzes Verdienst allein in dem Verdienst Jesu Christi selbst besteht, das auf uns angewandt wird und durch das wir allein das Heil erlangen.
3) Die Heilige Jungfrau Maria war eine Ausnahme für die ganze Menschheit, da sie nicht in der Erbsünde gezeugt wurde. Sie hat zu unserer Erlösung beigetragen, sie ist unsere Fürsprecherin, so wie Jesus Christus unsere Fürsprecher ist; sie vervollständigt die Heilige Dreifaltigkeit.
Diese schrecklichen Irrtümer sind inzwischen in die allgemeine Lehre der römischen Kirche eingegangen, wie aus den von ihr legitimierten Büchern hervorgeht. Infolgedessen hat sie sich von der wahren Lehre über das Sühnopfer entfernt, die darin besteht, anzuerkennen: 1) dass Jesus Christus unser einziger Fürsprecher ist; 2) dass Er der Erlöser des ganzen Menschengeschlechts war, ohne Ausnahme; 3) dass wir die Rechtfertigung durch die Vereinigung mit Ihm im Glauben erlangen; 4) dass sowohl der Anfang als auch der Abschluss unseres Heils durch die uns frei geschenkte Gnade Gottes vollzogen wird; 5) dass unsere Verdienste nichts anderes sind als die Gabe Gottes, d.h. die Anwendung der Verdienste Jesu Christi auf uns; 6) dass die Heiligen das Heil allein durch die Verdienste Jesu Christi erlangt haben, – woraus folgt, dass der eingebildete Schatz ihrer überragenden Verdienste eine von der Einbildung geschaffene Täuschung ist.
Die Lehre der Anglikanischen Kirche von der Erlösung und Rechtfertigung stimmt mit der Lehre der Ostkirche überein, wie aus ihrem Glaubensbekenntnis hervorgeht, das in den Abschnitten 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 eine vollständige Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben und von den durch den Glauben gewirkten Werken enthält, ohne die der Glaube tot wäre und nicht zur Rechtfertigung dienen könnte.
Man könnte in den Schriften vieler protestantischer Theologen die übertriebensten Ansichten über die Rechtfertigung aus Glauben ohne Werke aufzeigen. Ein Studium ihrer gesamten Lehre zeigt jedoch, dass sie nicht den rein kontemplativen Glauben als rechtfertigenden Glauben anerkennen, sondern den aktiven Glauben, d.h. den Glauben, der zu guten Werken drängt.
In diesem Sinne stimmt ihre Lehre fast mit der der Ostkirche überein, und die Übertreibungen, die man bei einigen protestantischen Theologen findet, erklären sich aus dem Wunsch, die Übertreibungen einiger römischer Theologen in einem anderen Sinne zu widerlegen.
V. Heiliger Geist
“Und an den Heiligen Geist, der Herr ist, und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten”.
In Erwartung der endgültigen Herrschaft Jesu Christi kämpft und schwankt das Menschengeschlecht zwischen Gut und Böse. Da aber unter dem Einfluß der Leidenschaften die Neigung zum Bösen in ihm die Neigung zum Guten überwiegt, wurde der Geist Gottes, der mit dem Vater und dem Sohn wesensgleich ist, von beiden gesandt, um den Menschen durch Seinen wohltätigen Einfluß zu helfen. Dieser Einfluß wird Gnade genannt, weil er umsonst gegeben wird, d.h. nicht durch das Verdienst der Menschen, sondern allein durch das Verdienst Jesu Christi, das die menschliche Natur infolge ihrer Vereinigung in der Hypostase (ὑπόστασις) mit dem Wort verdient hat. Daraus folgt, daß der Heilige Geist der lebensspendende Anfang im Menschengeschlecht ist, denn durch seinen Einfluß ist Er die Quelle des erneuerten Lebens.
Der Heilige Geist geht wie der Sohn aus einem Ursprung, aus dem Vater, hervor, und zwar durch eine ewige Handlung, die Hervorbringung (Emanation) genannt wird. Diese innere Handlung, die dem Vater eigen ist, darf nicht mit einer anderen, äußeren Handlung verwechselt werden, die dem Vater und dem Sohn gemeinsam ist und die darin besteht, dass der Heilige Geist gesandt wird, um eine äußere Handlung in der Welt zu vollziehen.
Diese beiden Handlungen werden in der Heiligen Schrift deutlich mit den Worten angedeutet: “ Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir.“ (Joh 15,26).
Das Konzil von Nizäa hat diese Worte der Heiligen Schrift, “der vom Vater ausgeht“, in das Glaubensbekenntnis aufgenommen und ihnen nichts hinzugefügt in der Überzeugung, dass der menschliche Verstand der Offenbarung Gottes nichts hinzufügen darf.
Wie der Sohn eines Wesens ist mit dem Vater, von dem Er gezeugt ist, so ist auch der Heilige Geist eines Wesens mit dem Vater, von dem Er hervorgeht. Darum ist Er ein und derselbe Gott, mit dem Vater und dem Sohn, von beiden nur durch die Seinen persönlichen Eigenschaften unterschieden. Neben der Eigenschaft, vom Vater auszugehen, schreibt das Glaubensbekenntnis in Anlehnung an die Heilige Schrift dem Heiligen Geist auch die Eigenschaft der göttlichen Mitteilung an das Menschengeschlecht zu, weshalb es von Ihm heißt: “der durch die Propheten gesprochen hat“. Die Ostkirche glaubt, dass der Heilige Geist bis heute durch den Mund der Kirche zur Welt spricht, der Er die Gabe der Unfehlbarkeit verleiht. Diese Leitung der Kirche durch den Heiligen Geist ist allerdings keine Inspiration im eigentlichen Sinn, denn die Kirche wird vom Heiligen Geist nicht in neuen Offenbarungen unterwiesen, sondern nur in der Bewahrung der Lehre Jesu Christi in ihrer ursprünglichen Reinheit. Das göttliche Wirken in der Kirche ist daher nur eine ständige Führung und Hilfe. Die Botschaft des Heiligen Geistes gehört dem Vater und dem Sohn gemeinsam.
Da der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn ein und derselbe Gott ist, soll Er untrennbar mit ihnen angebetet und verherrlicht werden.
Unterschiede zwischen christlichen Kirchen in Bezug auf die Lehre vom Heiligen Geist
Wir haben bereits gesagt, dass die westlichen Kirchen das Glaubensbekenntnis nicht so bewahrt haben, wie es auf den ökumenischen Konzilien von Nizäa und Konstantinopel formuliert wurde. Zwischen den Worten: “Aus dem Vater … fügten sie ein: “und von dem Sohn”, im Lateinischen filioque. Dieser Zusatz wurde auch in das Glaubensbekenntnis aufgenommen, das fälschlicherweise dem heiligen Athanasius zugeschrieben wird, jedoch erst im neunten Jahrhundert erschien.
Wie bereits erwähnt, stammt der Zusatz zum Glaubensbekenntnis aus dem siebten Jahrhundert und wurde in Spanien verfasst. Jahrhundert unter dem Einfluss Kaiser Karls des Großen im Abendland verbreitet und erst zu Beginn des elften Jahrhunderts auf Drängen Kaiser Heinrichs in Rom angenommen. Seitdem haben alle westlichen Kirchen diesen Zusatz zum Glaubensbekenntnis angenommen. Als die anglikanische und die protestantische Kirche im 16. Jahrhundert versuchten, die römischen Missbräuche zu korrigieren, beklagten sie sich nicht über diesen Zusatz. Die anglikanische Kirche behielt ihn bei; viele ihrer Theologen verteidigten ihn sogar und versuchten zu beweisen, dass er mit der Lehre der kirchlichen Tradition übereinstimmte. Allerdings auch sie konnten, wie die Römer, nur verzerrte, fiktive oder falsch interpretierte Passagen ihrer kirchlichen Denkmäler zur Unterstützung ihrer Meinung anführen.
Die Ostkirche hat das Glaubensbekenntnis in seiner ursprünglichen Form bewahrt, ohne es zu kürzen oder ihm etwas hinzuzufügen. Sie behauptet, dass 1) der Zusatz filioque falsch ist, was unbestreitbar ist, 2) und dass dieser Zusatz ein schwerwiegendes Missverständnis bezüglich des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit enthält.
Tatsächlich ist der Hervorgang als die ewige Handlung, die den Heiligen Geist hervorbringt, eine persönliche Eigenschaft des Vaters oder des Anfangs. Diese Eigenschaft des Anfangs unterscheidet die Person des Vaters von der Person des Sohnes und von der Person des Heiligen Geistes. Dem Sohn die persönliche Eigenschaft des Vaters zuzuschreiben, bedeutet, Ihm die Persönlichkeit des Vaters zuzuschreiben; es bedeutet auch, in der Heiligen Dreifaltigkeit zu vermischen, was zu unterscheiden ist, d.h. das Sakrament selbst zu verfälschen.
Deshalb haben die Kirchenväter einmütig gelehrt, dass der Heilige Geist allein vom Vater ausgeht. Die authentischen Aussagen der heiligen Väter, die für die gegenteilige Auffassung angeführt werden, beziehen sich alle ausschließlich auf das äußere Wirken, durch das der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn gesandt wird, und nicht auf das vor-ewige und innere Wirken, aus dem der Heilige Geist hervorgeht.
Der selige Augustinus, der der im westlichen Zusatz zum Glaubensbekenntnis zum Ausdruck gebrachten Meinung am meisten zugeneigt zu sein scheint, verurteilt sie in Wirklichkeit; denn nachdem er in seinem Werk über die Heilige Dreifaltigkeit eine allgemeine Zusammenfassung all dessen, was er über dieses Thema geschrieben hat, vorgenommen hat, erklärt er in den schärfsten Worten, dass man bar jeder Vernunft sein muss, um zu behaupten, dass der Heilige Geist seinen Ursprung sowohl vom Sohn als auch vom Vater erhalten hat. Und so verstand der selige Augustinus unter den Worten vom Sohn ausgehend nur eine zeitliche Sendung vom Vater und vom Sohn.
Die Ostkirche bestreitet diese Botschaft des Vaters und des Sohnes nicht; sie behauptet nur, dass der falsch gemachte westliche Zusatz zum Glaubensbekenntnis im Widerspruch zur allgemeinen Lehre der Kirche bis zum achten Jahrhundert steht und einen sehr gefährlichen Irrtum enthält, ungeachtet der Bemühungen der Westler, ihn zu rechtfertigen.
Das wichtigste Mittel, diesen Irrtum zu entschärfen, war die Erklärung, dass der Sohn nur ein zweiter Anfang in der Dreifaltigkeit sei. Doch erstens lässt sich ein solcher Ausdruck in keiner Weise aus der kirchlichen Tradition ableiten und stellt eine Neuerung dar; zweitens führt er zu der Annahme, dass es in Gott etwas Zweites geben könnte, und das widerspricht der reinen christlichen Lehre und auch der gesunden Vernunft, die anerkennt, dass in Gott alles notwendig sein muss. Der Vater ist der einzige Initiator des inneren Handelns; der Vater und der Sohn sind nach dem seligen Augustinus der eine Anfang (Initiator) des äußeren Handelns. Das ist die ständige Lehre der orthodoxen Kirche.
So sind alle westlichen Kirchen durch den Zusatz zum Glaubensbekenntnis von der Wahrheit über den Heiligen Geist abgewichen, obwohl sie wesentliche Lehren über das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit bekennen.
Die römische Kirche hat sich gegen den Heiligen Geist versündigt, indem sie die Lehre von der Unfehlbarkeit der Kirche pervertierte, indem sie dem Papst das Vorrecht zusprach, das Jesus Christus nur der christlichen Gesellschaft in ihrer universalen Gesamtheit verheißen hat, nämlich vom Heiligen Geist regiert zu werden.
Die anglikanische und die protestantische Kirche lehnen jede unfehlbare Autorität in der Kirche ab. Sie leugnen damit das ständige Wirken des Heiligen Geistes und stehen im Widerspruch zur Heiligen Schrift, nach der Jesus Christus bis zum Ende der Zeiten bei seiner Kirche bleiben und der Heilige Geist sie leiten wird.
VI. Kirche
“Ich glaube an die eine heilige, katholische (allumfassende) und apostolischen Kirche”.
Die Kirche ist eine Gemeinschaft von Menschen, die an die ganze Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus glauben.
Diese Kirche ist eine, d.h. sie besteht nur aus Mitgliedern, die sich zu einer Lehre bekennen, die mit dem Wesen der Heiligkeit – mit Gott – übereinstimmt.
Sie ist die Allgemeine oder katholisch, d.h. sie ist keine örtliche, aus einem Volk bestehende und zeitlich begrenzte Synagoge wie die Synagoge Israels, sondern alle Völker sind zu allen Zeiten in sie berufen, und sie enthält die ihr gegebene göttliche Lehre vollständig, ohne irgendwelche Zusätze oder Ausnahmen.
Sie ist apostolisch, d.h. sie stammt von den Aposteln und bekennt die von den Aposteln im Namen Jesu Christi verkündete Lehre.
Von Anfang an wurde die christliche Kirche durch das Priestertum geleitet, das Priestertum Jesu Christi selbst, dass er zuerst den Aposteln und den auserwählten Jüngern und dann von diesen an andere weitergegeben hat. Jesus Christus selbst hat das christliche Priestertum eingesetzt und seine Aufgaben mit folgenden Worten beschrieben: –“Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Amen.” (Matthäus 28,18-20).
Und so wird Jesus Christus ständig bei seinem Priestertum sein, das bis zum Ende der Welt bestehen wird, und das die Aufgabe hat, zu taufen und zu lehren.
Außerdem wurde er bemächtigt, Sündenvergebung zu gewähren. Jesus blies seine Apostel an und sagte zu ihnen: “Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.” (Johannes 20:22, 23).
Bei der Einsetzung der Eucharistie sagte er zu seinen Aposteln: “Dies tut zu meinem Gedächtnis” (Lk 22,19).
Zu lehren, die Sakramente zu spenden, den Gottesdienst zu feiern, das sind die Aufgaben dieses Priestertums, bei dem Jesus Christus ebenso wie bei der Kirche bis zum Ende der Welt sein wird.
Die von den Aposteln angewandte Methode zur Weitergabe des Priestertums war das Auflegen der Hände, während bestimmte Gebete gesprochen wurden. Der Apostel Paulus schrieb an seinen Schüler Timotheus, der von ihm ordiniert worden war: “Vernachlässige nicht deine Gabe, die in dir wohnt, die dir durch Prophezeiung unter Handauflegung des Priestertums gegeben wurde” (1 Timotheus 4,14). “Ich erinnere dich daran, die Gabe Gottes, die in dir wohnt, durch das Auflegen meiner Hand zu erwecken” (2 Timotheus 1,6).
Seit der Zeit der Apostel wurden im Priestertum zwei Grade unterschieden: Diejenigen, die in den ersten Grad erhoben wurden, hatten Autorität über diejenigen, die den zweiten Grad innehatten. Sie erhielten jedoch die allgemeinen Titel Presbyter oder Älteste und Bischöfe oder Aufseher (Apg. 20,17.28; Phlp. 1 1Tit. 1,5.7). Doch trotz dieser gleichgültigen Verwendung der Titel hatten diejenigen, die den ersten Grad des Priestertums erhielten, den höchsten Rang des Priestertums. Johannes der Theologe nennt sie die Engel der Kirchen (Apok. 1,20; 2,1,8,12,18; 3,1,7,14).
Das Wort Engel (αγγγελος) bedeutet Bote und hat daher dieselbe Bedeutung wie Evangelist, guter Bote – Titel, die den Personen gegeben wurden, die die Apostel auf ihren apostolischen Wanderungen begleiteten und die diese an die Spitze der Kirchen stellten. Der Apostel Paulus beschreibt die Aufgaben dieser Hohenpriester in seinen Briefen an Timotheus und Titus, die diesen Titel von ihm erhalten haben, der eine in Ephesus, der andere auf Kreta. Als eine dieser Aufgaben nennt er die Weitergabe des Priestertums durch Handauflegung (1 Tim 5,22).
Also, die hierarchische Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen Priester und dem Bischof ist also göttliches Recht, denn wir sehen, dass sie von Anfang an bestand, qualitativ war und die Grundlage für die Struktur der Kirche in den ersten Tagen ihres Bestehens bildete. Auch die Art und Weise, wie das Priestertum durch Handauflegung des Bischofs unter Mitwirkung der Priester und durch Gebet übertragen wird, ist eine göttliche Einsetzung, weil durch diese Handlung die Gnade und die Vollmacht verliehen werden, die zum Priestertum gehören, und weil sie, wie wir gesehen haben, seit den ersten Tagen der Kirche ausgeübt wird.
In der christlichen Kirche stellt das Priestertum einen Rang oder eine Hierarchie dar, die sich aus Bischöfen und Priestern zusammensetzt, die ihre Vollmacht durch einen von Gott eingesetzten Ritus erhalten und sie dann von denen weitergeben, die sie selbst rechtmäßig empfangen haben. Den Bischöfen und Priestern obliegt die Erfüllung aller heiligen Pflichten in der christlichen Gesellschaft. Sie sollen gemäß der Lehre lehren, die von der Kirche beständig als Offenbarung Gottes anerkannt wird, und sie sollen diese Lehre gegen alle Angriffe auf sie verteidigen. Sie haben kein Recht auf diese Lehre, sondern nur die Pflicht, im Namen der Ortskirche, die sie vertreten, den Glauben zu bezeugen, zu dem sie sich stets bekannt haben. Alle Pfarrer sind, was die Lehre betrifft, nur Zeugen, Echo oder Vertreter ihrer Kirche.
Was den Rang des Diakons betrifft, ob er nun von den Aposteln eingesetzt wurde, wie es die Apostelgeschichte [6] sagt, oder ob seine Einsetzung direkt auf Jesus Christus zurückgeht, wie einige der heiligen Väter meinten, so betrachtet ihn die Ostkirche als einen heiligen Rang, d.h. als den dritten Grad des Priestertums. Die Diakone werden wie die Priester und Bischöfe durch Handauflegung und Gebet geweiht, haben allerdings wie die Priester nur eine begrenzte Vollmacht, während die Bischöfe allein die volle Vollmacht des Priestertums besitzen.
Seit der Gründung der Kirche haben die Bischöfe in Gemeinschaft mit den Priestern und Diakonen in Anwesenheit der Gläubigen Versammlungen einberufen, um den Glauben gegen die Angriffe seiner Feinde zu verteidigen. Diese Versammlungen werden Konzile genannt. Manche waren örtlich begrenzt, andere ökumenisch, weil Vertreter der ganzen Kirche anwesend waren. Die Konzilien diskutierten Fragen der Lehre und legten Regeln für die gute Verwaltung der christlichen Gesellschaft fest.
Was die Lehre betrifft, so begnügten sich die ersten Hirten der Kirche damit, nur die Lehre zu bezeugen, die beständig und allgemein anerkannt war, und sie den neuen Ansichten gegenüberzustellen, die einige in die Kirche einzuführen versuchten. So haben die beiden ersten ökumenischen Konzilien, das erste in Nizäa und das zweite in Konstantinopel, im Glaubensbekenntnis die überlieferte Lehre zu allen Themen dargelegt, die bis zu ihrer Zeit von verschiedenen Häretikern bestritten worden waren.
Die Konzilien haben aufgrund der göttlichen Autorität, die den Bischöfen zur Leitung der Kirchen verliehen wurde, Regeln für eine gute Ordnung aufgestellt. Auf diese wird weiter unten eingegangen. An dieser Stelle soll nur auf die äußere Struktur der Kirche eingegangen werden, die von den Konzilien in fünf Patriarchate unterteilt wurde, die wiederum in Regionen oder Metropolien und in Diözesen oder Bistümer unterteilt sind. Diese äußere Struktur und die von ihren abgeleiteten Ränge und Würden sind kirchliche, jedoch nicht göttliche Institutionen. Die einzige von Gott eingesetzte Weihe ist das Priestertum, das in drei Grade unterteilt ist: Bischof, Priester und Diakon.
Zu den Rechten des Bischofs gehört es, in seiner Person alle ihm unterstehenden Pfarrkirchen, die seine Diözesankirche bilden, zu vertreten und den Glauben zu bezeugen, den diese Kirche beständig bewahrt. So entsteht aus dem gemeinsamen Zeugnis der Bischöfe das ständige und allgemeine Glaubenszeugnis der Kirche. Zu diesem ständigen und allgegenwärtigen Zeugnis gehört die Unfehlbarkeit.
Wenn die Kirche nicht unfehlbar wäre, das heißt, wenn sie von der Wahrheit abweichen könnte, wäre sie nicht die Säule und die Bestätigung der Wahrheit. Sie wäre nicht die keusche, reine und untadelige Braut des fleischgewordenen Wortes, das die Wahrheit ist. Jesus Christus würde nicht bis zum Ende der Welt bei ihr bleiben, wie er es versprochen hatte. Er würde nicht mehr ihr Hohepriester und ihr Haupt sein. Der Heilige Geist würde sie nicht mehr regieren, sie würde nicht mehr existieren.
Darum ist die Kirche unfehlbar und verkündet ihr wahres Wort durch die Hirten, wenn sie alle, jeder im Namen seiner Ortskirche, gemäß ihren Priestern, Diakonen und Gläubigen das unveränderliche und allgemeine Glaubensbekenntnis bezeugen. So ist die Stimme der Bischöfe als Repräsentant und Echo der Gesamtkirche aller Zeiten das unfehlbare Organ der Kirche. In diesem Sinne ist auch das Ökumenische Konzil unfehlbar. Die Ostkirche anerkennt sieben ökumenische Konzilien:
1.Das erste von Nizäa. 2.Erstes von Konstantinopel. 3.Ephesus. 4.Chalcedon. 5.Das Zweite von Konstantinopel. 6.Der Dritte von Konstantinopel. 7.Das Zweite von Nicäa. Alle anderen Konzilien im Osten und Westen waren nur lokale Konzilien eines oder mehrerer Patriarchate, einer oder mehrerer Regionen und bildeten keine ökumenischen Kirchen.
Alle Glieder der Kirche, ob tot oder lebendig, sofern sie ihre Würde nicht verloren haben, ob in dieser oder in jener Welt, stehen in Gemeinschaft miteinander, das heißt, sie können einander im Gebet helfen und füreinander Barmherzigkeit erbitten.
Die Glieder der Kirche, die dieses Leben verlassen haben und in den Himmel aufgenommen worden sind, bilden die triumphierende Kirche, denn sie sind mit der Krone geehrt worden, die den Gläubigen verheißen ist.
Die Mitglieder, die noch in der irdischen Welt leben, bilden die sichtbare und kämpfende Kirche, weil sie noch im Kampf gegen das Böse stehen.
Die Würde eines Gliedes der Kirche geht verloren: in jener Welt durch Verurteilung, auf Erden durch Schisma, Häresie, Abfall und Exkommunikation.
Ein Schismatiker ist jemand, der sich von den rechtmäßigen Hirten der Kirche trennt, indem er sich weigert, ihrer Autorität zu gehorchen.
Ein Häretiker ist jemand, der hartnäckig alle Wahrheiten der göttlichen Offenbarung leugnet, wie sie von der Kirche definiert werden.
Ein Abtrünniger ist jemand, der dem christlichen Glauben öffentlich abschwört.
Ein Exkommunizierter ist ein Sünder, der durch das Urteil der rechtmäßigen Autorität zu Recht aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen wurde.
Alle Christen, gute und schlechte, die nicht zu einer dieser vier Kategorien gehören, sind Glieder der Kirche. Wir sagen gute oder schlechte (böse), weil Jesus Christus uns gesagt hat, dass die Kirche wie ein Acker ist, auf dem sich die gute Saat mit dem Unkraut mischt, und dass dies bis zum Ende der Welt so sein wird (Matthäus 13).
In ihrer äußeren Existenz und in ihrem Verhältnis zur weltlichen Obrigkeit kann sich die Kirche entweder in einem Zustand der Unabhängigkeit, in einem Zustand der Bevormundung oder in einem Zustand der Unterdrückung befinden. Je nach den Umständen kann sie in allen diesen Zuständen existieren.
Wenn sie unabhängig ist, sind ihre Mitglieder als Staatsbürger verpflichtet, sich der rechtmäßigen Regierung zu unterwerfen. Wenn sie geschützt ist, darf sie dem Staat nichts von ihrer Lehre oder ihren wesentlichen Einrichtungen opfern; wenn sie verfolgt wird, haben ihre Mitglieder kein Recht, sich gegen die rechtmäßige Regierung aufzulehnen.
In jedem Fall ist die Autorität der Kirche ausschließlich geistlich; ihre Hirten haben keine Autorität in äußeren Angelegenheiten; sie darf niemals Zwang, List oder Gewalt gegen Privatpersonen oder Regierungen anwenden.
Der Unterschied zwischen den christlichen Konfessionen in der Lehre über die Kirche
Seit dem 9. Jahrhundert hält die römische Kirche daran fest, dass der Patriarch von Rom das sichtbare Haupt der Kirche ist, und zwar kraft göttlicher Einsetzung und in der Nachfolge des Apostels Petrus, den sie als Haupt der Kirche und Bischof von Rom nach ihrer Meinung betrachtet. Sie fügt nun hinzu, dass der Patriarch von Rom der unfehlbare Repräsentant der ganzen Kirche und der unfehlbare Ausleger der Heiligen Schrift und der katholischen Tradition ist, dass ihm die unumschränkte Herrschaft über die ganze Kirche zukommt und dass alle Bischöfe seine Stellvertreter sind, die alle Autorität nur kraft seiner Vollmacht empfangen.
Wenn jedoch Petrus wirklich das Haupt der Kirche war, so folgt daraus noch nicht, dass diese Würde auf die römischen Bischöfe übergegangen ist, denn es könnte sein persönlicher Vorteil gewesen sein, und es kann auch nicht gesagt werden, dass die persönlichen Vorteile der Apostel auf die Bischöfe der Kirchen übergegangen sind, denen sie einst vorstanden. Aus der Geschichte wissen wir allerdings, dass der erste Bischof dieser Stadt der heilige Linus war und dass der heilige Petrus nur dort den Märtyrertod erlitten hat; schließlich wurde diese Kirche auch vom heiligen Paulus gegründet. Die Bischöfe von Rom könnten sich also nur deshalb als Nachfolger des heiligen Petrus betrachten, weil er in dieser Stadt den Tod erlitten hat, keineswegs jedoch, weil er Bischof von Rom war.
Schließlich war Hl.Petrus nicht das sichtbare Haupt der Kirche. Er war nur der erste der Apostel. Der Titel “Erster” bedeutete nie “Haupt” und schon gar nicht “unumschränkter Herrscher”. Die römische Kirche versuchte, den päpstlichen Anspruch auf Schrift und Tradition durchzusetzen.
Die von ihr zitierten Bibelstellen haben eine ganz andere Bedeutung als die, die sie ihnen gibt, wie andere durch Schriftstellen und das Zeugnis der Väter bewiesen haben, die sie anders als die Päpste auslegten.
Was die Tradition betrifft, so konnten sich die Verteidiger der römischen Verfolgung nur auf Tatsachen und Zeugnisse berufen, die entweder völlig erfunden oder entstellt waren oder das, was sie behaupteten, überhaupt nicht bewiesen. Auf diese Weise zerstören die Päpste die Struktur der Kirche, die nur ein Haupt hat, Jesus Christus, der ewig in ihrer Mitte ist; in der es nur eine Autorität gibt, das Priestertum, von dem die Bischöfe kraft ihrer Weihe die volle Autorität haben und sie durch göttlichen Auftrag und nicht durch irgendeine Autorität ausüben; die nur eine Unfehlbarkeit hat, die sich aus der Hilfe des Heiligen Geistes ergibt. Die ganze Kirche, bestehend aus Gläubigen und Hirten, empfängt den Beistand des Heiligen Geistes und erklärt ihre Unfehlbarkeit durch das beständige Zeugnis für die Wahrheit der göttlichen Offenbarung. Durch göttliche Einsetzung hat die Kirche nur ein Zentrum der Einheit – in Jesus Christus und in der von ihm verkündeten Wahrheit, die durch die beständige und universale Stimme aller christlichen Zeitalter bezeugt wird.
Die äußere, vermittelnde Autorität in der Kirche steht der ganzen Schar der Bischöfe zu; die Autorität des Episkopats ist eine einzige und wird, wie der heilige Cyprian lehrt, von allen rechtmäßigen Bischöfen in gegenseitiger Verbundenheit ausgeübt. Diese Wahrheiten, die von den ökumenischen Konzilien und von den heiligen Vätern, den Zeugen der orthodoxen Tradition, bestätigt wurden, werden durch die Ansprüche der römischen Bischöfe direkt verletzt. Von der äußeren Existenz der Kirche geben die Päpste und ihre Theologen eine falsche Vorstellung. Sie schreiben der Kirche eine äußere Macht zu und das Recht, diese Macht auch gegenüber den Regierungen auszuüben, und zwar durch die Bischöfe und vor allem durch den Papst, indem sie behaupten, alle Herrscher seien seine Stellvertreter in weltlichen Angelegenheiten, so wie die Bischöfe seine Kommissare und Stellvertreter in kirchlichen Angelegenheiten seien.
Die Protestanten ihrerseits verletzen die gleichen Wahrheiten in einem anderen Sinne, nämlich durch die Ablehnung des Priestertums. Für sie ist das Amt nur eine Bevollmächtigung durch die Gläubigen. Die Handauflegung ist jedoch nur ein Ritus, der weder Gnade noch Vollmacht verleiht. Der evangelische Pfarrer ist also nur ein einfacher Gläubiger, der zur Ausübung des Gottesdienstes bevollmächtigt ist, und kein Priester, der durch göttliche Einsetzung mit dem heiligen Amt ausgestattet ist. Er kann also nicht als bevollmächtigter Stellvertreter Jesu Christi lehren und die Sakramente spenden, sondern übt sein Amt mit der Bevollmächtigung der Gläubigen aus und erhält durch die Wahl bestimmte Vorteile.
In den meisten protestantischen Kirchen ist die Wahl nicht mehr üblich; ihre Pastoren werden nicht einmal von der Gesellschaft autorisiert, sondern nur von einigen anderen Pastoren, die ihrerseits ohne Beteiligung der Herde gewählt wurden. So haben die Protestanten heute kein Priestertum, nicht einmal ein wirkliches Pfarramt, sondern nur eine Klasse von Gläubigen, die von anderen Gläubigen mit bestimmten Aufgaben betraut werden und sich das Recht angemaßt haben, dafür Männer ihrer Wahl einzusetzen.
Solche Hirten können sich keine göttliche oder menschliche Autorität zuschreiben, da sie weder ordiniert noch wirklich gewählt sind. Sie können sich auch nicht eine solche Autorität anmaßen, ohne das Grundprinzip des Protestantismus zu verletzen, dass jeder Gläubige seinen eigenen Glauben auf der Grundlage seiner eigenen willkürlichen Auslegung der Heiligen Schrift finden muss. In den protestantischen Gesellschaften ist es unmöglich, irgendeines der Kennzeichen der einen, allgemeinen, heiligen, geweihten und apostolischen Kirche zu erkennen, weil sie weder in der Lehre noch in der Kirchenleitung eine Grundlage haben.
Die anglikanische Kirche kennt drei geistliche Ämter: Bischof, Presbyter und Diakon, die durch Ordination aufeinander folgen. In dieser doppelten Hinsicht stimmt sie mit der Ostkirche überein, mit Ausnahme ihrer Auffassung von der Bedeutung der Weihe, auf die wir noch zurückkommen werden. Allerdings sie spricht dem Konzil der Bischöfe der Gesamtkirche das Recht ab, im Namen dieser Kirche ein unfehlbares Zeugnis für die Beständigkeit und Allgemeinheit des Glaubens dieser Kirche abzulegen (Kap. 21); sie erkennt auch die Kirche selbst nicht als unfehlbar an, obwohl sie ihre Autorität in strittigen Glaubensfragen beansprucht (Kap. 20). Hier liegt ein klarer Widerspruch vor; oberstes Lehramt kann es nur unter der Voraussetzung der Unfehlbarkeit geben.
Es wäre ein Irrtum, in der Unfehlbarkeit das Recht zu sehen, irgendeine Lehre willkürlich aufzustellen; das ist der Irrtum der römischen Kirche, gegen den die anglikanische Kirche zweifellos protestieren wollte. Nach orthodoxer Lehre ist die Unfehlbarkeit jedoch nur ein Vorzug, der der wahren Kirche zukommt: Sie kann an der göttlich geoffenbarten Lehre nichts ändern, weil sie Jesus Christus als ihr Haupt und den Heiligen Geist als ihren Führer hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist es natürlich unschädlich zu lehren, dass die Kirche durch ihre Hirten spricht und dass das von Gott zur Leitung der Kirche eingesetzte Bischofsamt unfehlbar ist, wenn es im Namen der Kirche spricht und ihren Glauben bezeugt. Wäre die Kirche im Irrtum, würde sie nicht vom Heiligen Geist geleitet; könnten ihre Hirten nicht in ihrem Namen sprechen, wäre ihre Unfehlbarkeit unwirksam und könnte nicht zum Ausdruck kommen.
VII. Über die Taufe und die anderen Sakramente der Kirche
“Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden”.
Die Ostkirche glaubt, dass Jesus Christus die folgenden sieben heiligen Handlungen oder Geheimnisse eingesetzt hat: Taufe, Salbung, Eucharistie, Buße, Priestertum, Ehe und Krankensalbung. In den westlichen Kirchen werden diese Geheimnisse als Sacramento bezeichnet. Der östliche Name drückt das geheime Wirken der Gnade Gottes an der Seele besser aus. Drei Dinge machen die Geheimnisse aus: 1. die göttliche Einsetzung; 2. das sinnliche Zeichen, durch das die Gnade im Gebet vermittelt wird; 3. die Gnade selbst, die durch dieses geweihte Zeichen vermittelt wird. Jesus Christus hat uns, wie der heilige Johannes Chrysostomus sagt, nur geistige Dinge vermittelt, jedoch mittels leiblicher Dinge. Da die Seele mit dem Leib verbunden ist, ist der Mensch ein leibliches Wesen, und deshalb hat Jesus Christus ihm seine Gaben leiblich, d.h. in einer der menschlichen Natur entsprechenden Weise mitgeteilt.
Zur Spendung des Geheimnisses (Sakraments) gehört dreierlei: 1. ein sichtbares, d.h. sinnlich wahrnehmbares Zeichen; 2. das Gebet zur Heiligung dieses äußeren Zeichens; 3. eine bevollmächtigte Person, die die sakramentale Handlung gemäß dem festgelegten Rang vollzieht.
Über die Taufe
Die Taufe ist eine heilige Handlung oder ein Sakrament, das von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzt wurde zur Vergebung der vor dem Empfang der Taufe begangenen Sünden, zur Befreiung von der Erbsünde und zum Verleihen des wiedergeborenen geistlichen Lebens in Jesus Christus.
Jesus Christus selbst hat die Taufe eingesetzt, indem er den Aposteln befahl: “Geht hin und lehrt alle Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Seit der apostolischen Zeit wird die Taufe in allen christlichen Kirchen durch dreimaliges Untertauchen in Wasser vollzogen, wobei die festen Worte gesprochen werden: “Getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes”. Das sichtbare Zeichen der Taufe ist also das Wasser; das Weihegebet besteht aus den Worten: “Im Namen des Vaters” usw. Der befugte Spender des Sakramentes ist ein Bischof oder Priester, denn zu den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde gesagt: “Geht und tauft” usw. Der festgelegte Ritus für die Spendung des Sakramentes ist das dreimalige Untertauchen in Wasser.
Vor einigen Jahrhunderten wurde in den westlichen Kirchen der Brauch eingeführt, den Kopf des Täuflings mit Wasser zu übergießen oder zu besprengen und dabei die von Jesus Christus befohlenen Worte zu sprechen.
Diese Form der Taufe wurde in der Urkirche nur bei Kranken angewandt, die nicht aus dem Bett aufstehen konnten. Daraus folgt, dass sie gültig ist, d.h. dass die so vollzogene Taufe die wahre Taufe ist, denn sonst hätte die Urkirche sie nicht einmal für Kranke zugelassen. Die Taufe von Gesunden, sei es durch Übergießen, sei es durch Besprengen, ist dagegen unzulässig, weil sie der apostolischen Regel widerspricht, die alle Kirchen zu befolgen haben. Dies ist die Lehre der allgemeinen-orthodoxen Ostkirche zu diesem Thema.
Die Taufe ist notwendig, weil, wie der Heiland sagt, “wer nicht aus Wasser und Geist geboren ist, kann nicht in das Reich Gottes kommen” (Joh 3,5).
Die Taufe ist eine geistliche Geburt; der Mensch wird durch den Geist geboren, und der Mensch wird einmal geboren, also wird er auch einmal getauft.
Die Kinder, die von Christen geboren werden, sollen getauft werden, noch ehe sie das Alter der Vernunft erreicht haben; denn die Eltern, die an die Göttlichkeit ihrer Religion glauben, sollen sie ihren Kindern als kostbares Erbe weitergeben, sie im Glauben erziehen und sie nicht bis zu jenem Alter ohne Glauben lassen, in dem die Leidenschaften den Menschen, der der Gnade Gottes und der Wiedergeburt beraubt ist, so leicht von der Wahrheit und dem Guten abbringen können.
Die Kirche ist eine immerwährende Gesellschaft, deren Glieder in ihren Kindern ständig erneuert werden müssen. Deshalb dürfen diese Kinder nicht dem bösen Einfluß Satans ausgesetzt werden, bis sie fähig sind, für sich selbst einen Glauben zu wählen, der ihren Neigungen entspricht und nicht dem bösen Zwang der Leidenschaften unterworfen ist.
Bei der Taufe von Säuglingen soll es ihre Empfänger geben, die als geistliche Väter und Mütter die Aufgabe übernehmen, für die christliche Erziehung der Getauften zu sorgen, besonders im Fall des Todes der leiblichen Eltern. Auch die im rechten Alter Getauften sollen Empfänger haben, die vor der Kirche für den Glauben der Neubekehrten einstehen.
Die Ostkirche fügt dem Vollzug der Taufe bestimmte Riten hinzu, die ihren Ursprung in der Antike haben und deren verborgene Bedeutung dem Sinn des Sakraments entspricht, wie die Anrufung, das Kreuzzeichen und die Auflegung eines Kreuzes auf jeden Täufling, das er sein Leben lang an der Brust tragen soll. Als Spender der Taufe sind der Bischof und der Priester vorgesehen, was seit den ersten Jahrhunderten des Christentums der Fall ist. In Notfällen können auch Diakone und sogar Laien die Taufe spenden. Darüber hinaus anerkennt die orthodoxe Kirche die Annahme des Martyriums für Christus als Ersatz für die Taufe und glaubt an das Heil derer, die vor dem Empfang der Taufe ihr Leben für den Glauben an Christus hingegeben haben.
Über die Salbung
Die Ostkirche betrachtet die Salbung als einen heiligen Ritus, der von Jesus Christus eingesetzt wurde, um die Gaben des Heiligen Geistes auf die Neugetauften zu übertragen. Den Beweis dafür findet sie in folgenden Worten der Heiligen Schrift: ” Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Diese zogen hinab und beteten für sie, sie möchten den Heiligen Geist empfangen. Denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen; sie waren nur auf den Namen Jesu, des Herrn, getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen Geist.” (Apg 8,14-17). Unmittelbar nach der Himmelfahrt Jesu Christi vollzogen die Apostel also den heiligen Ritus des Gebets und der Handauflegung, um den Neugetauften die Gabe des Heiligen Geistes zu spenden.
Als der Apostel Paulus nach Ephesus kam, fand er dort Gläubige, die nur die Taufe des Johannes empfangen hatten und noch nicht viel gelehrt worden waren. “Paulus legte ihnen die Hände auf und der Heilige Geist kam auf sie herab” (Apg 19,6). In seinem Brief an die Juden erwähnt Paulus neben der Taufe auch die Handauflegung (6,2). Die Handauflegung wurde je nach ihrem Zweck von verschiedenen Riten begleitet.
Die Gaben des Heiligen Geistes, die dem Gläubigen zur Stärkung seines geistlichen Lebens geschenkt wurden, waren mit der Salbung mit heiliger Salbe verbunden. Deshalb wird die Mitteilung des Heiligen Geistes selbst in der Heiligen Schrift als Salbung bezeichnet: “Und auch ihr habt eine Salbung von dem Heiligen, ihr wisst alles…”. und ihr, die ihr die Salbung von ihm empfangt, sie bleibt in euch” (Joh 2,20.27).
Die gleiche Formulierung finden wir beim Apostel Paulus: “Gott aber, der uns mit euch in Christus bekannt gemacht und uns gesalbt hat, der hat uns auch versiegelt und den Bund des Geistes in unsere Herzen gegeben” (2 Kor 1,21.22). Die Mitteilung des Heiligen Geistes konnte im übertragenen Sinn nur durch das sichtbare Zeichen dieser Mitteilung, die äußere Salbung durch Handauflegung und Gebet, als Salbung bezeichnet werden.
Die Ostkirche hat diese drei wesentlichen Teile des Sakraments beibehalten und bestimmt, dass die Salbung des Neugetauften an Stirn, Unterarmen, Augen, Ohren, Lippen, Händen und Füßen gespendet wird, damit der ganze Mensch nach seiner geistlichen Wiedergeburt geheiligt wird. Zu diesem Zweck verwendet sie eine vom Bischof geweihte Mischung aus Öl und Weihrauch, die heilige Myrron genannt wird; sie schreibt vor, dass die Salbung nach der Taufe gespendet werden soll; sie erkennt das Recht aller Priester an, sie zu spenden; sie lehrt, dass dieses Sakrament gleichsam eine Ergänzung zur Taufe ist, dass es uns das Siegel der Gabe des Heiligen Geistes aufdrückt und deshalb wie die Taufe selbst nicht wiederholt werden kann.
Über die Eucharistie
So heißt das Sakrament, in dem der Gläubige unter dem Deckmantel von Brot und Wein den Leib und das Blut Christi, vereint mit seiner göttlichen Natur, zu sich nimmt.
Jesus Christus hat dieses Sakrament beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern eingesetzt, als er Brot und Wein segnete und ihnen mit den Worten reichte: “Nehmt dies: Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird. Trinkt alle davon: Das ist mein Blut, das Blut des neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden … Tut dies zu meinem Gedächtnis” (Matthäus 25,26ff; Markus 14,22ff; Lukas 22,19ff). Die Apostel gehorchten dem Auftrag des Herrn. Sie versammelten sich mit den Gläubigen, segneten Brot und Wein und teilten sie als Leib und Blut Jesu Christi an die Gläubigen aus (1. Korinther 10,16; 11,20). Sie taten dies zum Gedenken an Ihn, zum Gedenken an seinen dahingegebenen Leib, an sein vergossenes Blut, d.h. an Sein Selbstopfer auf Golgatha. Das Sakrament, das sie spendeten, war also die Darbringung desselben Opfers, das am Kreuz und in der realen Gegenwart Seines Leibes und Blutes dargebracht wurde.
Die Ostkirche hat diese apostolische Lehre bewahrt. Sie glaubt, dass nach der Verwandlung von Brot und Wein der Leib und das Blut Jesu Christi in der Eucharistie wirklich und wesenhaft gegenwärtig sind: Brot und Wein existieren nicht mehr wesenhaft, sondern nur noch materiell, d.h. sie besitzen nur noch die Eigenschaften, durch die sie unseren Sinnen unterworfen sind.
Was die Art und Weise der Existenz von Leib und Blut betrifft, so ist sie der Auffassung, dass diese Art und Weise nicht sinnlich, materiell, sondern geistig ist, in dem Sinne, dass sie unseren Sinnen nicht zugänglich sind, sondern in einem vergeistigten Zustand existieren, wie es der Leib des auferstandenen Jesus Christus war. Sie glaubt, dass nach der Wandlung von Brot und Wein der Leib und das Blut Jesu Christi ständig in ihnen gegenwärtig sind; dass, da die Gottheit mit ihnen vereint ist, das Antlitz Jesu Christi in der Eucharistie wie im Himmel unserer Anbetung würdig ist; dass es möglich ist, die heilige Eucharistie für die Kranken aufzubewahren; dass es möglich ist, sie nach dem Beispiel der ersten Christen in die Privatwohnungen zu bringen; dass wir nicht nur durch den Glauben am Leib und Blut Jesu Christi teilhaben, sondern dass sie auch den Ungläubigen materiell und wahrhaftig mitgeteilt werden, die, wenn sie daran teilhaben, nach den Worten des Apostels Paulus ihr Gericht und ihre Verdammnis empfangen.
Sie ist der Auffassung, dass die Gläubigen an beiden Gestalten von Brot und Wein teilhaben sollen und dass der Ausschluss der Laien von der Teilnahme unter dem Vorwand des Weines den göttlichen Bund verletzt, den Jesus Christus mit den Worten “Trinkt alle davon, das ist mein Blut” usw. zum Ausdruck gebracht hat.
Wie das Sakrament der Eucharistie gespendet wird, steht weiter unten unter Liturgie beschrieben.
Über Reue (Beichte)
Die Beichte ist ein von Jesus Christus eingesetztes Sakrament oder ein heiliger Ritus zur Vergebung der nach der Taufe begangenen Sünden.
Die Apostel und in ihrer Person ihre Nachfolger im priesterlichen Dienst haben von Jesus Christus die Vollmacht zur Vergebung und Bewahrung der Sünden empfangen, als der Heiland sie mit den Worten ansprach: “Empfangt den Heiligen Geist, durch den ihr die Sünden ablegt, so sind sie abgelegt; durch den ihr sie behaltet, so sind sie behalten” (Joh 20,22.23). “Amen, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein” (Mt 18,18.19). So werden Sünden gebunden oder losgesprochen durch das Urteil derer, die das heilige Amt ausüben. Das Urteil kann binden oder lösen; es muß daher bewusst ausgesprochen werden; ein solches bewusstes Handeln ist jedoch unmöglich, wenn man die Sünden und die Veranlagung des Sünders nicht kennt; sie können nur durch das Bekenntnis des Pönitenten (Beichtenden) selbst, d. h. durch die Beichte, erkannt werden.
Die Ostkirche sieht in der Beichte einen für das Bußsakrament wesentlichen Akt, der es dem Priester ermöglicht, sein Urteil zu fällen; sie betrachtet die Beichte als göttliche Einsetzung. Die Einsetzung der Riten selbst unterliegt, was die Art und Weise ihres Vollzugs betrifft, der kirchlichen Autorität.
In den ersten Jahrhunderten des Christentums wurde die Beichte öffentlich vor dem Volk abgelegt, und Bischöfe oder Priester sprachen ihre Urteile öffentlich. Die Beichte war Pflicht für alle, die offensichtliche Sünden und Versuchungen begangen hatten, für die öffentliche Strafen verhängt wurden. Die Entscheidung, ob man vor dem Empfang des Allerheiligsten Sakraments beichten wollte, blieb dem Gewissen überlassen. Da der Mensch doch dazu neigt, sich über seine eigene Gesinnung zu täuschen, wurde allen empfohlen, sich an die Priester zu wenden, damit sie ihnen den Zustand ihres Gewissens offenbaren. Dies ist die Lehre der Urkirche, die von der orthodoxen Ostkirche bis heute bewahrt wird.
In der Folge wurde die kirchliche Ordnung in Bezug auf die Vokalbeichte geändert, da sie erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich bringen konnte. Die orthodoxe Ostkirche hat jedoch die Auferlegung der Vokalbeichte für bestimmte offensichtliche und offenkundige Sünden beibehalten. Für andere Sündenbekenntnisse gelten die folgenden Regeln:
Wer sich auf die heilige Kommunion vorbereitet, muss seine Sünden vor einem Priester beichten.
Die Beichte wird in der Kirche vor dem Kreuz Jesu Christi in Gegenwart eines Priesters abgelegt.
Sie besteht im Bewusstsein aller begangenen Sünden, in der Reue des Büßers und in seiner Erklärung, sich bessern zu wollen.
Die Beichte soll nicht von der Untersuchung verschiedener Einzelheiten und Umstände begleitet sein, die in keiner Weise die Gesinnung des Beichtenden ändern können, die vor allem im demütigen Bewußtsein seiner Schuld und in aufrichtiger Reue besteht.
Der Seelsorger kann gemäß den kirchlichen Bußvorschriften Bußen auferlegen oder es dem Pönitenten überlassen, ein frommes Mittel zu wählen, um die sündige Gewohnheit in ihm zu überwinden.
Die heute in der Ostkirche geltende Beichtordnung entspricht also weitgehend der alten Ordnung nach der Abschaffung der öffentlichen Beichte.
So besteht das Sakrament der Buße aus: 1. dem Bekenntnis des Pönitenten (Beichtenden); 2. in der Verurteilung durch den Priester. Für die Erteilung der Lossprechung bedarf es jedoch nicht der genauesten Beichte, wenn diese nicht erfüllt werden kann.
Über das Priestertum
Dieses Sakrament wurde vom Herrn Jesus Christus selbst eingesetzt, um Sein eigenes Priestertum in der Kirche zu verewigen, d.h. um die Vollmacht zu verleihen, zu lehren, die Gnade in den Sakramenten zu vermitteln und die Gemeinschaft der Gläubigen zu leiten.
“Dafür halte uns jedermann:”,- schreibt der Apostel Paulus,- “für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse” (1 Kor 4,1). Derselbe Apostel sagt zu den Ältesten der Gemeinde in Ephesus: –“So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.” (Apg 20,28).
Das sichtbare Zeichen des Sakraments des Priestertums ist die Handauflegung:- “Verzweifle nicht”, schreibt der Apostel Paulus an Timotheus, “an der Gabe, die in dir wohnt und die dir durch Prophezeiung unter Auflegung der Hände des Priestertums gegeben wurde”. (1 Timotheus 4,14). “Ich erinnere dich an die Gabe Gottes, die durch Handauflegung in dir wohnt” (2 Timotheus 1,6). Der Apostel legte seinem Jünger zusammen mit den Priestern die Hände auf, und diese Handauflegung vermittelte dem Jünger die Gnade. Der Apostel Paulus schreibt an Timotheus: “Lege nicht bald jemandem die Hände auf” (1. Timotheus 5,22).
Im Kapitel über die Kirche haben wir die orthodoxe Lehre über die drei hierarchischen Stufen des Priesteramtes dargelegt: Bischof, Presbyter und Diakon. Wir haben hier die vorangegangenen Sprüche zitiert, um zu zeigen, worin das äußere Zeichen im Sakrament des Priestertums besteht. Es ist offensichtlich, dass dieses Zeichen die Handauflegung durch den Bischof ist. Dieses Zeichen wird durch das begleitende Gebet geheiligt.
Da diese Methode der Mitteilung des Priestertums von Anfang an verwendet wurde, betrachtet die Ostkirche sie als von Jesus Christus selbst eingesetzt. In der Tat konnte nur Er den Ritus einführen, der die gnadenvolle Gabe des Heiligen Geistes vermittelt. Aus den zitierten Sprüchen ist ersichtlich, dass: Der Heilige Geist selbst verleiht denen, denen die Hände aufgelegt sind, das Priestertum. Der Apostel Paulus erklärt, dass Jesus Christus selbst die verschiedenen Klassen von Hirten eingesetzt hat, die zur Leitung seiner Gemeinde berufen sind (Eph. 4, 11.12).
Aus den obigen Aussagen geht auch hervor, dass sowohl die Apostel als auch diejenigen, denen sie die volle priesterliche Vollmacht übertragen haben, d.h. die Bischöfe, die Hände aufgelegt haben. Daher glaubt die Ostkirche, dass nur der Bischof das Sakrament des Priestertums spenden kann und dass ohne die Handauflegung durch den Bischof das Priestertum nicht vermittelt wird.
Über die Ehe
Die Ehe kann in dreierlei Hinsicht betrachtet werden: 1. als natürlicher Bund zwischen Mann und Frau; 2. als ziviler Vertrag, wenn die zivile Autorität dem natürlichen Bund einen öffentlichen und rechtlichen Charakter verleiht; 3. als Sakrament oder heiliger Ritus, wenn Mann und Frau nach den Anordnungen der Kirche geistlich vereint werden.
Diese letzte Ehe ist für Christen allein gültig, denn Jesus Christus hat angeordnet, dass die Verbindung von Mann und Frau geistlich sein muss, damit sie rechtmäßig ist. Dies ist die Lehre der orthodoxen Ostkirche, die ihren Glauben an die Begründung der christlichen Ehe durch Jesus Christus selbst auf die folgenden Worte des heiligen Paulus stützt: – “Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Ich spreche aber in Christus und in der Kirche” (Eph 5,3yo1, 32). Es gibt also eine Ehe in Christus und in der Kirche, die sich von einer rein natürlichen Verbindung unterscheidet, und der heilige Paulus nennt diese Ehe ein Sakrament. Der Apostel spricht von ihr als einer zu seiner Zeit bestehenden Einrichtung, und alles, was von den Aposteln von Anfang an befolgt wurde, stellt unweigerlich eine göttliche Einrichtung dar, die von Jesus Christus selbst ausgeht.
Die Ostkirche betrachtet die Ehe nicht als für alle verbindlich. Sie glaubt, dass die Keuschheit, die durch einen übernatürlichen Impuls geheiligt wird, über dem Stand der Ehe steht, gemäß den Worten der Heiligen Schrift: “Nicht alle können dieses Wort aufnehmen, sondern denen es gegeben ist” (Matthäus 19,11.12). “Ich aber sage den Ledigen und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie ausharren wie ich. Wenn sie aber nicht ausharren, so sollen sie übertreten; denn es ist besser, zu heiraten, als fett zu sein. Wer nicht verjüngt ist, der sorge für den Herrn, wie es dem Herrn gefällt; wer aber verheiratet ist, der sorgt sich um die Dinge der Welt, wie er der Frau gefalle,…Also, wer seine Jungfrau heiratet, der handelt gut; wer sie aber nicht heiratet, der handelt besser.” (1. Korinther 7,8.32.33.38).
Die Ostkirche erkennt die Jungfräulichkeit als einen der Ehe überlegenen Zustand an, betrachtet sie aber als einen Ausnahmezustand; deshalb verpflichtet sie niemanden dazu und hält es auch nicht für zulässig, ihn unwiderruflich dazu zu verpflichten. Sie betrachtet also die Ehe als einen heiligen Zustand, dem man nur durch ein höheres Motiv entkommen kann.
Das äußere Zeichen der Ehe ist die Vereinigung der Eheleute selbst; diese Vereinigung, die durch das Gebet geheiligt wird, verleiht den Eheleuten eine besondere Gnade für ihren neu gewählten Stand, und der Priester ist befugt, den Ehebund durch Gebet zu heiligen.
Eine rechtmäßig geschlossene Ehe ist unauflöslich, gemäß den göttlichen Worten: “Denn Gott hat sie verbunden, den soll kein Mensch trennen” (Mt 19,6). Dieselbe Wahrheit wird an vielen Stellen der Heiligen Schrift wiederholt (Mk.10:2,9,11,12; Lk.16:18; 1 Korinther 7:10,11). Ehebruch hingegen löst die Ehe auf, wie es in einem anderen göttlichen Wort heißt: – “Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Unzucht, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe. ” (Mt 19,9 und 5,32). Nach den Regeln der Ostkirche, die mit der Lehre der Konzilien und der heiligen Väter übereinstimmen, kann der eine Ehepartner, wenn er Ehebruch begeht, den anderen wieder heiraten; dem Schuldigen ist dies jedoch nicht erlaubt.
Zum Ölsalbung
Die Krankensalbung ist ein heiliger Ritus oder ein Sakrament, das von Gott für die geistige und körperliche Heilung der Kranken eingesetzt wurde. “Wenn jemand bei euch krank ist”, schreibt der heilige Jakobus, “so rufe er die Priester der Kirche, und sie sollen über ihm beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, so werden sie ihm vergeben werden” (Jakobus 5,14.15).
Die Salbung mit Öl, die durch das Gebet geheiligt wird, ist daher ein Ritus göttlicher Einsetzung, der seit apostolischen Zeiten befolgt wird und eine besondere Gnade verleiht. Aus diesem Grund erkennt die Ostkirche in der Ölweihe ein von Gott selbst eingesetztes Sakrament an.
Der heilige Jakobus sagt klar und deutlich: 1. dass das äußere Zeichen des Sakraments die Salbung mit Öl ist; 2. dass dieses Zeichen durch das Gebet geheiligt werden muss; 3. dass der Priester der Zelebrant des Sakraments ist; 4. dass diese Salbung eine zweifache Gnade vermittelt, eine geistliche und eine körperliche. Das ist die Lehre der Ostkirche.
Der Unterschied zwischen den christlichen Konfessionen in Bezug auf die göttlichen Geheimnisse (Sakramente).
1) Eine Unterscheidung bezüglich der Sakramente im Allgemeinen.
Die römische Kirche hat die sieben heiligen Riten, die die orthodoxe Ostkirche Geheimnisse nennt, immer unter dem Namen Sacramento anerkannt. Sie erkennt sie als göttliche Institute an, als sichtbare Zeichen, die, das Gebet geheiligt, die Gnade vermitteln; aber sie hat bei der Verwaltung der Sakramente einige wichtige Irrtümer zugelassen, von denen wir im Folgenden sprechen werden.
Die anglikanische Kirche erkennt nur die Taufe und die Eucharistie als Sakramente an. Von den anderen fünf Riten, die in den orthodoxen und römischen Kirchen als göttlich angesehen werden, behauptet sie, dass sie aus einer pervertierten Nachahmung der Apostel hervorgegangen sind und dass sie Bedingungen des geistlichen Lebens darstellen, die von der Heiligen Schrift gebilligt werden, aber nicht den Charakter eines Sakraments haben (Kap. 25). Sie erkennt jedoch an, dass diese Riten die Gnade lehren. So bekräftigt sie, dass die Weihe das Priestertum vermittelt (Kap. 36), und aus der Gesamtheit ihrer Weiheordnungen für Bischöfe, Priester und Diakone geht hervor, dass diese Weihe für die priesterlichen Weihen als notwendig angesehen wird. Bei der Firmung 6 legt der Bischof mit diesem äußeren Zeichen des Gebetes die Hände auf, um die Gaben des Heiligen Geistes für den Firmling zu erbitten; bei der Trauung heiligt der Priester den Ehebund durch das Gebet, und dieser geheiligte Bund gilt als mit Gnade gesegnet; beim Krankenbesuch betet der Priester nur für die Kranken, aber es ist seine Pflicht, ihnen die Beichte abzunehmen und ihnen die Sündenvergebung zu gewähren, was den äußeren Ritus der Gnade darstellt.
Man kann also sagen, dass das Anglikanische Öffentliche Gebetbuch mindestens vier der fünf Riten beibehält, die in der Erklärung der Mitglieder des Glaubens abgelehnt werden. Mit Ausnahme der Ölweihe werden alle anderen Sakramente mehr oder weniger vollständig beibehalten, und es ist offensichtlich, dass ihnen die Kraft der Gnadenübertragung zukommt. Nur was ist ein Ritus, der Gnade vermittelt, anderes als ein von Gott selbst eingesetzter Ritus? Eine menschliche Einrichtung mag ein Mittel sein, sich auf den Empfang der Gnade vorzubereiten, allerdings kann sie diese Gnade nicht vermitteln. Es ist daher die Pflicht der anglikanischen Kirche, ihr öffentliches Gebetbuch mit dem Inhalt der Neununddreißig Glaubensgrundsätze in Einklang zu bringen und ihre Glaubenslehre klarer und genauer darzulegen. Da sie die Salbung in all jenen Fällen abgeschafft hat, in denen sie von den östlich-orthodoxen und römischen Kirchen verabreicht wird, hat ihr 25. Glaubensbekenntnis zweifellos diesen Ritus im Sinn, wenn sie sagt, dass in einigen der fünf Riten, die nicht als Sakramente anerkannt sind, eine pervertierte Nachahmung der Apostel zu beobachten ist. So haben sich die Bekehrer der anglikanischen Kirche zu Zensoren aller anderen Kirchen gemacht, die die Salbung als einen wahrhaft apostolischen Ritus ehren, den die Apostel selbst von Jesus Christus empfangen haben. Sie geben zwar zu, dass die Salbung ein apostolischer Ritus ist, behaupten aber, dass sie heute in einer pervertierten Form vollzogen wird. Worin besteht diese angebliche Perversion? Wie unterscheidet sich die heutige Salbung von der Salbung, die zur Zeit der Apostel durchgeführt wurde? Die Verfasser der 30 Mitglieder des Glaubensbekenntnisses sind nicht in der Lage, dies zu erklären. Daher ist die von ihnen geäußerte Meinung mehr als unbegründet; unter dem Einfluss des protestantischen Geistes der Reformation haben sie das apostolische Abbild leichtfertig unter dem Vorwand abgeschafft, es sei entstellt worden, obwohl sie nicht feststellen konnten, worin genau diese Entstellung bestand.
Die Protestanten lehnen gewiss die fünf Riten ab, von denen die Lehre der anglikanischen Kirche unvollständig und verworren ist. Sie lassen nur zwei Sakramente zu, die Taufe und das Abendmahl; doch letzteres stellt für sie mangels Priestertums nur einen äußeren Ritus dar, denn der Priester ist der notwendige Vollbringer der heiligen Eucharistie, und die Protestanten haben das Priestertum abgelehnt. Da die Taufe von jedermann rechtmäßig gespendet werden kann, wenn nur Wasser verwendet und feste Worte gesprochen werden, ist die evangelische Taufe ein echtes Sakrament und sollte nicht wiederholt werden, wenn man weiß, dass sie rechtmäßig gespendet wurde. Die Protestanten haben also nur ein Sakrament, obwohl sie behaupten, zwei zu haben.
2) Unterschiede bei der Taufe Protestanten vollziehen die Taufe in der Regel durch Besprengen, d.h. sie besprengen den Täufling mit Wasser und sprechen die Worte: “Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
In der römischen Kirche wird die Taufe durch Übergießen vollzogen, d.h. es wird Wasser über den Kopf des Täuflings gegossen und es werden die gleichen Worte gesprochen wie bei den Protestanten. Jahrhundert war dieser Brauch im Abendland noch nicht allgemein üblich, wie aus den erhaltenen Requisitionsbüchern jener Zeit hervorgeht; im XV. Jahrhundert wurde im Abendland noch durch dreimaliges Untertauchen in Wasser getauft.
In der anglikanischen Kirche ist vorgeschrieben, dass der zu taufende Säugling in Wasser untergetaucht werden muss; bei Erwachsenen ist es erlaubt, sie entweder in Wasser zu tauchen oder Wasser über sie zu gießen (siehe Public Prayer Book). Man kann also sagen, dass in der Kirche von England das Untertauchen die übliche Form der Taufe ist. Das in der Ostkirche übliche dreimalige Untertauchen ist nicht vorgeschrieben, aber auch nicht verboten. Damit ist die Anglikanische Kirche nach ihrem Gebetbuch diejenige der westlichen Kirchen, die der Ostkirche in der Taufspendung am nächsten steht.
Wir haben oben gesagt, dass die Taufe, wie immer sie gespendet wird, sei es durch Besprengen, Übergießen oder einfaches Untertauchen, gültig ist, d.h. als wahre Taufe wirkt; sie ist aber unzulässig, weil die Ortskirchen nicht das Recht haben, die von den Aposteln eingesetzte und seit apostolischer Zeit befolgte Ordnung der Sakramenten Spendung zu ändern.
3) Eine Unterscheidung bezüglich der Salbung
Die Ostkirche lehrt, dass die Salbung nach der Taufe gespendet werden muss und dass die Priester in gleicher Weise wie die Bischöfe zur Spendung dieses Sakramentes berufen sind. Äußeres Zeichen dieses Sakramentes ist die Salbung der verschiedenen Körperteile mit heiligem Öl. Die Weihe der heiligen Salbe ist den Bischöfen vorbehalten.
Die römische Kirche hat diese Salbung der verschiedenen Körperteile durch den Priester bei der Taufe beibehalten. Sie unterscheidet sie jedoch von einer anderen Salbung, die der Bischof später Erwachsenen spendet, der sogenannten Firmung. Nach ihrer Lehre ist der Bischof der Spender des Sakraments der Firmung, sie hat jedoch nicht festgelegt, dass die Firmung, die von einem Priester gespendet wird, ungültig ist. Viele ihrer Theologen vertreten die Auffassung, dass ein Priester die Firmung mit bischöflicher Vollmacht spenden kann, und in Rom wird die von unierten Priestern nach der Taufe gespendete Salbung als gültig anerkannt. Das äußere Zeichen dieses Sakraments wird von einigen römischen Theologen in der Salbung mit Öl gesehen, von anderen in der Handauflegung, von wieder anderen in beidem.
Bis zum dreizehnten Jahrhundert wurde die Salbung in der gesamten westlichen Kirche nach der Taufe gespendet; seitdem ist die Spendung dieses Sakraments allein dem Bischof vorbehalten. Die Priester salbten die Neugetauften jedoch weiterhin mit Myrrhe und sprachen dabei das Gebet, das in den ältesten Handbüchern für die Myrrhensalbung vorgesehen ist. Offensichtlich ist dies ein Überbleibsel des alten Brauchs, die Salbung mit der Taufe zu verbinden. Dieser Brauch geht auf die Zeit der apostolischen Kirche zurück.
Die von einem römischen Priester gespendete Salbung kann durch die authentische Firmung bestätigt werden; daraus folgt, dass die spätere Firmung durch einen Bischof einen unnötigen Ritus darstellt, da das Sakrament der Salbung auch nach römischer Lehre nicht wiederholt werden kann.
Die anglikanische Kirche hat die Salbung bei der Konfirmation abgeschafft und die Handauflegung als äußeres Zeichen des heiligen Ritus beibehalten. Sie hat den seit dem dreizehnten Jahrhundert in der Kirche von Rom eingeführten Brauch übernommen, die Salbung von der Taufe zu trennen, und ist damit dem Irrtum dieser Kirche erlegen, die lehrt, dass das Sakrament der Salbung nur von Bischöfen gespendet werden darf.
Die Protestanten haben in ihrer Lehre keine Spur der Salbung beibehalten.
4) Die Unterscheidung bezüglich des Empfangs des heiligen Sakraments
Die römische Kirche hat die Qualität des Brotes für die Eucharistie verändert. Zuerst verwendete sie gesäuertes Brot, wie es in der orthodoxen Ostkirche üblich war, doch später begann sie, ungesäuertes Brot zu verwenden, das durch verschiedene Umwandlungen schließlich zu einer Substanz wurde, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Brot hatte. Der Gebrauch von ungesäuertem Brot wurde in den westlichen Kirchen im zehnten Jahrhundert eingeführt; der Patriarch Michael Kerularius von Konstantinopel tadelte diese Veränderung heftig. Papst Leo IX. wagte es, ihm zu versichern, dass der Gebrauch von ungesäuertem Brot seit 1020 Jahren bestehe, also seit dem Tod des Erlösers. Aus dieser Zusicherung Leos IX. schlossen einige westliche Schriftsteller, Michael Kerularius habe die westlichen Kirchen verleumdet und aus Unwissenheit einen ewigen Brauch mit einer Neuerung verwechselt. Sie versuchten, diese Behauptung Leos IX. zu untermauern, konnten sich aber nur auf das Zeugnis von Schriftstellern des 11. und 12. Jahrhunderts berufen, das umso weniger Gewicht hat, als die Geschichte zu jener Zeit im Westen völlig unbekannt war. Andere westliche Autoren, die durch zahlreiche Beweise davon überzeugt waren, dass die fragliche Neuerung erst im zehnten Jahrhundert entstanden war, scheuten sich nicht, dies zuzugeben, und rächten sich so an Michael Kerularius. Unter ihnen sind der Jesuitenpater Sirmond und der Gelehrte Kardinal Bohn zu nennen.
Es kann auch im Westen nicht bestritten werden, dass die römische Kirche in Bezug auf das Sakrament der Eucharistie eine viel bedeutendere Wandlung vollzogen hat. Es ist allgemein bekannt, dass bis zum zwölften Jahrhundert die heilige Kommunion den Laien unter beiden Gestalten von Brot und Wein gereicht wurde und dass sich erst seit dem dreizehnten Jahrhundert im Westen die Gewohnheit durchsetzte, sie den Laien unter einer Art von Brot zu spenden. Diese Änderung widerspricht dem göttlichen Gebot. Denn Jesus Christus hat, nachdem er das Brot gesegnet hatte, zu seinen Jüngern gesagt: “Nehmet hin und esset; das ist mein Leib. Und als er den Wein gesegnet hatte, sagte er: “Trinkt alle davon, das ist mein Blut.” Man könnte meinen, dass der Heiland damit die römische Kirche verurteilen wollte, die heute das Gegenteil zu sagen wagt: “Ihr sollt nicht alle davon trinken, nur die Priester sollen davon trinken“.
Die römische Neuerung rief im Abendland heftige Proteste hervor; die Wiedereinführung des Kelches für die Laien war der Hauptgrund für den Aufstand, der in der Entstehung des Protestantismus und der Abkehr ganzer Kirchen vom Papsttum endete. Alle diese Kirchen stellten das Abendmahl für Laien unter beiderlei Gestalt von Brot und Wein wieder her.
Die anglikanische Kirche tat dasselbe, indem sie die Gebete der alten Liturgien sowohl für die Konsekration von Brot und Wein durch den Priester als auch für die Kommunion wieder aufnahm.
Die protestantischen Kirchen haben das Priestertum abgelehnt und können daher keine wahre Konsekration der Gaben haben. Aber obwohl sie Brot und Wein nur als Abbilder des Leibes und Blutes des Erlösers betrachten, lehren sie, dass nach dem Bund des Erlösers alle Gläubigen in einem pro-forma-Ritus, den sie Abendmahl nennen, an Brot und Wein teilhaben sollen.
Dogmatisch hat sich die römische Kirche in Bezug auf die Eucharistie nicht geirrt. Sie glaubt, dass nach der Konsekration der Gaben Brot und Wein nur sichtbar vorhanden sind, dass aber unter dieser Hülle der wahre Leib und das wahre Blut Jesu Christi wesentlich verborgen sind. Um alle Angriffe der Protestanten gegen das Dogma von der wahren Gegenwart des Leibes und Blutes Christi abzuwehren, erfand sie das Wort “Transsubstantiatio”. Dieses Wort ist neu, allerdings man muss sich darüber im Klaren sein, dass es die alte und beständige Überzeugung der Kirche in einer sehr endgültigen Weise zum Ausdruck bringt. In der Ostkirche wird genau dieser Glaube mit dem Wort Wesensverwandlung (μετουσίωσις oder russ. Preosuschestwlenie) ausgedrückt.
Im Mittelalter übertrieben einige westliche Theologen die Vorstellung von der realen Gegenwart des Leibes und Blutes des Herrn in den konsekrierten Gaben und behaupteten, sie wollten Jesus Christus in der Eucharistie vergegenständlichen. Andere Theologen vertraten die Ansicht, dass Jesus Christus in der Eucharistie geistig gegenwärtig sei. Dieses Wort kann zwei Bedeutungen haben: die richtige, die die Substanzialität nicht ausschließt und eine falsche, die diese Substanzialität ausschließt und die Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie als rein imaginär darstellt. Diese letztere Bedeutung geben die Calvinisten dem Wort geistlich. Sie sehen im Abendmahl nur Brot und Wein und in diesem Brot und Wein eine Repräsentation des Leibes und Blutes Jesu Christi. Der Heiland jedoch sagte: “Das ist mein Leib, das ist mein Blut, das Blut des Neuen Bundes, das für euch vergossen wird.” Die Calvinisten widersprechen also Jesus Christus, und dabei widersprechen sie ausnahmslos allen. Die christlichen Kirchen, die seit den Anfängen des Christentums das Wort Jesus Christus in seiner unmittelbaren und natürlichen Bedeutung verstanden haben.
Selbst die Lutheraner verurteilen die willkürlichen Auslegungen der Calvinisten und glauben, dass Jesus Christus in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist. Doch auch sie geben den Worten Jesu Christi eine willkürliche Bedeutung, indem sie behaupten, Brot und Wein seien zugleich Leib und Blut Jesu Christi. Der Heiland hat allerdings nicht gesagt: “In diesem oder unter diesem sind mein Leib und mein Blut”, sondern: “Das ist mein Leib, das ist mein Blut”. Es sollte hinzugefügt werden, dass die Lutheraner keine wahre Heiligung der Gaben haben, weil sie nicht das Priestertum haben; und so ist ihr Glaube an die wahre Gegenwart vergeblich.
Die anglikanische Kirche ist, wie es scheint, der gleichen Illusion verfallen wie die Lutheraner, was die Koexistenz von Brot und Wein mit dem Leib und dem Blut Jesu Christi betrifft. In den Gebeten, die ihr aus den alten Liturgien erhalten geblieben sind, finden sich jedoch Hinweise darauf, dass sie bei der Korrektur ihrer Glaubenslehre dies nur im Sinn hatte, um gegen den Materialismus einiger römischer Theologen zu protestieren. Sie hätte ihre Überzeugung in dieser für die christliche Lehre so wichtigen Frage genauer definieren müssen. Wenn sie die Realpräsenz von Leib und Blut Jesu Christi in der Eucharistie anerkennt, muss sie konsequent die Koexistenz von Brot und Wein ablehnen. Worauf gründet sich die Gegenwart zweier gegensätzlicher Wesenheiten in ein und demselben Objekt? – Im Zeugnis der Heiligen Schrift? Offensichtlich nicht, denn Jesus Christus hat nur von einem einzigen Element gesprochen, von seinem Leib und seinem Blut. Auf Grund unserer Gefühle? – Unsere Sinne bezeugen nicht das Wesen der Dinge, sondern nur ihre äußeren Eigenschaften. Sobald man anerkennt, dass die äußeren Eigenschaften oder das Aussehen eines materiellen Gegenstandes nach der Konsekration im Allerheiligsten Sakrament erhalten bleiben, genügt dies voll und ganz den Anforderungen der Sinne; doch dann muss man an die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu Christi glauben, wie Er sie uns geoffenbart hat.
Die Lehre der orthodoxen, armenischen und römischen Kirche, die auch von allen alten Sekten des Ostens bewahrt wird, ist die Einzige, die mit der Heiligen Schrift, der Vernunft und der ständigen Lehre der ersten christlichen Jahrhunderte übereinstimmt.
5) Eine Unterscheidung hinsichtlich der Reue (Beichte).
Die Reue ist zu betrachten: 1) als eine Tugend, die in der Reue über ein Vergehen besteht; 2) als ein heiliger Ritus, der eingesetzt wurde, um uns eine besondere Gnade zur Vergebung der Sünden zu gewähren.
Die Reue als Buße für begangene Vergehen wurde von Jesus Christus vorgeschrieben; darin sind sich alle Christen einig, ebenso darin, dass die Reue allein keine Vergebung der Sünden bewirken kann und dass sie die Kraft des Verdienstes aus dem Sühneopfer Jesu Christi erhält.
Soll die Reue aber nur innerlich sein oder soll sie sich auch in äußeren Handlungen wie Fasten, Beten usw. zeigen?
Die Protestanten halten die innere Reue für ausreichend und haben deshalb in ihren Kirchen alle äußeren Bußübungen abgeschafft, auch solche, die auf die älteste Zeit zurückgehen. In dieser Hinsicht haben sie die Heilige Schrift verworfen, die voll von Vorschriften über die äußere Buße als Zeichen der Reue ist; sie haben sich völlig von der Urkirche getrennt, in der seit den Tagen der Apostel immer die strengsten Vorschriften über die äußere Buße bestanden haben.
Zu dieser Reue gesellt sich das Bewusstsein der begangenen Sünden, die Beichte.
Es ist überflüssig, auf alle Debatten einzugehen, die über diese Einrichtung stattgefunden haben. Nachdem wir alle Argumente der Befürworter und der Gegner sorgfältig geprüft haben, erkennen wir die folgenden Tatsachen als wahr an: 1) Die öffentliche Beichte oder die geheime Beichte war in der Kirche immer gebräuchlich; 2) die öffentliche Beichte war nie für geheime Sünden obligatorisch, sondern nur für Übertretungen, die allen klar bekannt sind; 3) die öffentliche Beichte begann im vierten Jahrhundert aus dem Gebrauch zu verschwinden, und um die Unannehmlichkeiten, die sie mit sich brachte, zu beseitigen, aber unter Beibehaltung ihrer Eigenschaft als rechtmäßige Einrichtung, wurden besondere Priester ernannt, die mit der Aufgabe betraut wurden, Untersuchungen zur Feststellung der Schuld durchzuführen und öffentliche Bußen zu verordnen, die den Pönitenten aufzuerlegen waren; (4) die Einsetzung dieser Priester war nur eine Übergangslösung; (5) seit dem fünften Jahrhundert ist eine Beichte vor Gott, d. h. eine geheime Beichte in Gegenwart eines Priesters, gebräuchlich; 6) Dieses Bekenntnis war nicht für alle gleich verpflichtend, sondern blieb denen freigestellt, deren Gewissen ihnen keine Sünden vorwarf.
Wir könnten unsere Behauptungen mit Beweisen untermauern, doch da wir nicht die Absicht haben, uns in dieser Arbeit in die Gelehrsamkeit zu begeben, beschränken wir uns auf die Feststellung, dass die griechische und die armenische Kirche – die sich im fünften Jahrhundert voneinander getrennt haben und die nach dieser Zeit nichts mehr voneinander entlehnen konnten – beide die geheime Beichte praktizieren, ohne dass es eine besondere kirchliche Verpflichtung dazu gibt. Dies allein zeigt, dass im fünften Jahrhundert der erwähnte Brauch der Sündenbeichte befolgt wurde.
Ob die Beichte in den ersten vier Jahrhunderten immer öffentlich war, wie einige Autoren behaupten, oder ob sie, wie wir meinen, je nach der Schwere der Sünden öffentlich oder geheim war, so bleibt doch sicher, dass die Beichte selbst eine ursprüngliche und apostolische Einrichtung ist. Die Art und Weise, wie sie vollzogen wird, hängt allein von den Regeln der kirchlichen Ordnung ab und kann je nach den Erfordernissen der Zeit und der Umstände geändert werden; aber die Beichte selbst ist eine göttliche Einrichtung, denn ihr Ursprung geht auf die ersten Jahrhunderte zurück, die in allem der Lehre der Apostel folgten, und die Apostel selbst lehrten nur das, was sie von Jesus Christus gehört hatten.
Die griechische und die armenische Kirche betrachten die Beichte als das äußere oder sichtbare Zeichen des Bußsakraments, aber nicht in dem Sinne, dass die Beichte immer mündlich und genau erfolgen muss, denn es ist zulässig, die Reue durch ein Zeichen auszudrücken, wenn ein mündliches Bekenntnis materiell unmöglich ist. Die geistliche Seite des Sakraments ist der Satz oder das Gebet der Absolution, mit dem der Priester die Sünden im Namen Gottes freispricht.
Die Bußstrafen, die dem Pönitenten (Beichtenden) auferlegt werden, sind nicht Teil des heiligen Ritus oder des Sakraments, sondern stellen lediglich die Erfüllung der Verordnungen der Kirche und den Beweis der Reue dar, der das Sündenbekenntnis begleiten muss.
Die römische Kirche hat sich in diesem Punkt geirrt. Sie unterscheidet die Sündenerkenntnis von der Reue, die sie Zerknirschung nennt, und betrachtet die Buße, die sie Genugtuung nennt, als einen wesentlichen Teil des Sakraments. Sie lehrt daher, dass das Sakrament der Buße aus vier Teilen besteht: Bekenntnis, Reue, Vorsatz und Genugtuung. Nur mit scholastischer Klugheit konnte sie die Zerknirschung von der Beichte trennen und von der Zerknirschung den Entschluss, das vom Büßer begangene Unrecht zu bereuen und wiedergutzumachen. In der Tat besteht die Reue hauptsächlich in diesem Entschluß, und ohne Reue gibt es in der Tat keine Beichte.
Darüber hinaus stellt der Ablass (Indulgentia) ein sehr wichtiges Missverständnis in ihrer Lehre über das Sakrament der Buße dar.
In der Antike verstand man unter Ablass die Erleichterung der auferlegten Buße, entweder aufgrund der besonderen Veranlagung bestimmter Büßer oder aufgrund der Fürsprache von Märtyrern, die für Jesus Christus gelitten hatten. Die römische Kirche hat die Bedeutung des Ablasses (Indulgentia) völlig verändert und behauptet, er sei eine vollständige oder unvollständige Befreiung von der allgemeinen Bußpflicht; er sei die Anwendung der Verdienste Jesu Christi, der Jungfrau Maria und der Heiligen auf diese oder jene Person; dieser Vorrat an Verdiensten könne für die Verrichtung bestimmter Werke ausgegeben werden, auch wenn diese Werke in keinem Verhältnis zu den empfangenen Verdiensten stünden; dass sich schließlich die Gewalt des Papstes auch auf die Seelen im Fegefeuer erstreckt, die er ganz oder teilweise von der Strafe befreien kann, indem er ihnen vollständige oder unvollständige Ablässe gewährt.
Vor allem aber beruht diese Lehre unmittelbar auf der falschen Vorstellung von den Verdiensten der Heiligen, die mit den Verdiensten Jesu Christi in einem von den Päpsten erfundenen angeblichen Vorratsschatz gleichgültig vermischt werden. Darüber hinaus widerspricht diese Grundlage – wie bereits erwähnt – der orthodox-katholischen Sühneopferlehre. Die römische Lehre beruht auch darauf, die Verdienste anderer dem willkürlichen Ermessen des Papstes zu überlassen, was dem orthodoxen Verständnis von Rechtfertigung und Buße widerspricht. Wenn die überragenden Verdienste Jesu Christi und der Heiligen nach dem Ermessen des Papstes auf uns angewandt (angerechnet) werden können, dann können wir uns selbst von den schwierigen Werken der Buße befreien, für die wir durch Jesus Christus die Rechtfertigung empfangen. Wenige Worte des Gebetes, für die der Papst einen Ablass gewährt, genügen, um uns von allen Werken der Buße zu befreien und uns vollkommen zu rechtfertigen. Es ist schwer zu verstehen, wie in der römischen Kirche die Lehre vom Fegefeuer und die Lehre vom Ablass nebeneinander bestehen können. Wenn es der Wille des Papstes ist, alle leidenden Seelen aus dem Fegefeuer zu befreien, warum hat er dann die Grausamkeit, auch nur eine einzige Seele dort im Todeskampf allein zu lassen? Die christliche Liebe erlegt ihm die Pflicht auf, seine höchste Macht auf alle leidenden Seelen auszudehnen und das Fegefeuer in einen Ort zu verwandeln, der nutzlos ist, der keine Notwendigkeit hat zu existieren.
Im dreizehnten Jahrhundert erließ die römische Kirche ein kirchliches Dekret über die jährliche Beichte, das alle Menschen bei Strafe der Todsünde und der ewigen Verdammnis zur Beichte verpflichtete. Dieses Dekret wurde auf dem vierten Konzil von Latrine unter dem Vorsitz von Innozenz III. verfasst. Die Kirche konnte natürlich, wenn sie wollte, anordnen, doch sie hatte nicht das Recht zu entscheiden, dass diejenigen, die ungehorsam waren, der ewigen Verdammnis verfielen, denn Gott allein hat die Macht, zu retten und zu verdammen. Die Ostkirche hat in dieser Frage keine Regelung getroffen; sie hat sich darauf beschränkt, die Pflicht zur Beichte bei Bedarf zu fördern und den Brauch der Beichte vor der Kommunion mindestens einmal im Jahr, vor allem während des Quadrizids (Große Fastenzeit), gesegnet.
Die römische Kirche gesteht sehr wichtige Missverständnisse in Bezug auf die Ausübung der Beichte selbst ein. In der Tat lehrt sie, dass die Beichte nur für die Todsünden notwendig ist; dabei hat sie die Zahl der Todsünden willkürlich vervielfacht; dann haben ihre Theologen, dieser Richtung folgend, versucht, jede religiöse oder moralische Handlung mit einer Vielzahl von Fällen oder Umständen zu versehen, in denen die Todsünde den Hauptplatz einnimmt. Auf diese Weise wird der Beichtende gezwungen, in der Beichte auf tausend Einzelheiten einzugehen, die in den meisten Fällen nicht einmal erwähnt werden können, ohne in Versuchung zu geraten. Einige Theologen haben sich in dieser Hinsicht eine solche Willkür angeeignet, dass es nichts Schändlicheres gibt als ihre Schriften, wie z.B. den “Diskurs über die Ehe” von Sanchez, der in gekürzter Form in die von Ligorio herausgegebene Moraltheologie aufgenommen wurde und in der römischen Kirche fast als klassisches Werk gilt, oder die besonderen Instruktionen, die den jungen Diakonen, die sich auf den priesterlichen Dienst vorbereiten, in geheimen geistlichen Gesprächen gegeben werden und deshalb Diakonalia genannt werden.
Neben den schamlosen Kasuisten gab es andere, die versuchten, verschiedene heuchlerische Tricks zu erfinden, um nicht nur eine Rechtfertigung für die begangenen Sünden zu finden, die gewöhnlich von Sterblichen begangen werden, sondern auch, um sich den strengsten Gewissenspflichten zu entziehen. Die Folge solcher Versuche, die dem Ziel und Zweck der Beichte zuwiderliefen, war, dass die Beichte in der römischen Kirche zu einer gelehrten Kunst wurde, in der Täuschung und Unmoral an erster Stelle standen. Die römische Beichte, die heimlich in einer Art Sarg, dem Beichtstuhl, abgelegt wird, enthält allzu oft Geheimnisse, die für die Moral des Beichtvaters ebenso schädlich sind wie für die Moral und die heiligsten geistlichen Bedürfnisse des Beichtenden. Aus diesem Grund ist die Beichte im Abendland zu einem Objekt des Hasses geworden.
In der Ostkirche gibt es keine sakramentale Beichte, keine Kasuistik, keine bedingten Todsünden. Der Beichtende steht in einem offenen Raum vor dem Heiligen Kreuz Jesu, der Beichtvater in heiligen Gewändern neben ihm. Der Priester erinnert den Beichtenden zunächst daran, dass er vor Gott selbst beichtet, hört ihm dann die Beichte zu, ohne ihm ungebührliche Fragen zu stellen, belehrt ihn und spricht schließlich, indem er ihm das Epitrachyl, das Zeichen seines heiligen Amtes, auf das Haupt legt, die Lossprechung im Namen Jesu Christi als seines Dieners. Gegen diese Art der Beichte, bei der alles in ehrlicher Weise, mit der gebührenden Frömmigkeit und Würde geschieht, ist der Tadel, dem die römische Kirche ausgesetzt ist, nie erhoben worden, wird er nie erhoben werden und kann er nie erhoben werden. Alles in dieser Institution, wie in allen anderen Institutionen der orthodoxen Kirche des Ostens, ist zutiefst vom Geist des wahren Christentums durchdrungen und erinnert an die Anfänge der Kirche Christi. Es ist klar, dass die wahre christliche Beichte nicht eine mehr oder weniger detaillierte Chronik der Verfehlungen und der Umstände, unter denen sie begangen wurden, sein kann – die Beichte ist nur ein Schuldbewusstsein, das in Demut und Reue vor Gott ausgesprochen wird.
Diese Einzelheiten zeigen den großen Unterschied zwischen der römischen Beichte, die durch viele Mißbräuche entstellt wurde, und der orthodoxen Beichte, die eine wirklich heilsame und seelenrettende Einrichtung ist.
Die anglikanische Kirche hat das Beichtgeheimnis weitgehend bewahrt. Beichte, bei der der Priester von den Sünden freispricht. Die wesentlichen Ausdrücke dieser Erlaubnis ähneln denen, die in der Ostkirche verwendet werden. In der anglikanischen Kirche ist die Beichte jedoch nicht mehr gebräuchlich, was wahrscheinlich auf einen zu starken Widerstand gegen die römischen Vorschriften zurückzuführen ist; dennoch beichtet eine beträchtliche Anzahl anglikanischer Priester die Gläubigen, die zu ihnen kommen, und erteilt ihnen die Vergebung. Die anglikanische Kirche zählt die Buße selbst zwar nicht zu den Sakramenten, betrachtet sie trotzdem als einen heiligen Ritus, der dem geistlich gesinnten Büßer Gnade vermittelt. Daher stimmt sie in diesem Punkt im Wesentlichen mit der Ostkirche überein. Sie hat keine Vorschrift über die geheime Beichte erlassen, hält sie aber offenbar für Menschen, die in schwere Sünden gefallen sind, nicht für notwendig, was der Annahme geführt hat, dass sie sie abgeschafft hat.
Was die äußere Buße betrifft, so lässt sie diese von Grund auf zu und hat in ihrem Kalender das große Fasten und die Bußtage beibehalten, die sie nach dem Vorbild der römischen Kirche Quatuor- tempora und Vigilia nennt. Folglich ist die anglikanische Kirche in ihrer Lehre über die Bußwerke sehr weit vom Protestantismus entfernt, und um mit der orthodoxen Ostkirche übereinzustimmen, müßte sie nur einige Teile ihrer Lehre ergänzen und präzisieren.
6) Eine Unterscheidung in Bezug auf das Priestertum
Die römische Kirche ist in einen großen Irrtum verfallen, indem sie die Priesterweihe mit dem Erfordernis eines Zölibatsgelübdes verknüpft und denjenigen das Priesteramt verweigert, die nicht bereit sind, sich zum ewigen Zölibat zu verpflichten. Damit soll nicht gesagt werden, dass der Zölibat, als allgemeines Gesetz betrachtet, eine unmoralische Einrichtung ist, sondern dass er dem Priestertum erheblichen Schaden zufügt, indem er ehrenwerte Männer aus ihm entfernt, nur weil sie rechtmäßig verheiratet sind. Obwohl also die römische Kirche das Wesen des Priestersakraments beibehalten hat und ihre Diakone, Priester und Bischöfe rechtmäßig geweiht sind, kann man nicht umhin zu erkennen, dass sie eine sehr verderbliche Lehre über dieses Sakrament eingeführt hat.
Ihre Lehre ist auch in anderer Hinsicht fehlerhaft: Sie hat keine genaue Definition dessen, worin genau die sichtbare sakramentale Handlung oder, wie sie sich ausdrückt, die Substanz des Sakraments besteht. Einige ihrer Theologen meinen, sie bestehe in der Handauflegung, andere in der Salbung und wieder andere in anderen Teilen des Weiheritus; folglich kann ein Bischof nur dann sicher sein, dass er das Priestertum verliehen hat, wenn er alle Weiheriten vollzogen hat.
Die Heilige Schrift legt eindeutig fest, dass das Priestertum durch Handauflegung unter Gebet gelehrt wird – so hat es die orthodoxe Ostkirche immer geglaubt.
Die protestantischen Kirchen leugnen, dass die Ordination durch die Weihe vermittelt wird, die von Zeitalter zu Zeitalter weitergegeben wird und durch die Apostel von Jesus Christus, der einzigen Quelle des Priestertums, herrührt. Die Gebete, die sie für die sogenannte Ordination verwenden, haben keine größere Bedeutung als gewöhnliche Gebete; und die Pfarrer, die die Ordination vornehmen, können anderen keine Würde verleihen, die sie selbst nicht besitzen.
Die Protestanten haben kein echtes Priestertum und keine kirchliche Hierarchie. Die Titel “Pastor”, “Diakon” und andere sind nur Titel, Worte, und die Personen, die sie tragen, sind nicht mehr als einfache Laien. Einige Protestanten haben argumentiert, dass nicht die Ordination, sondern die Wahl das kirchliche Amt und das Recht zum Dienst verleiht. Diese Auslegung wurde jedoch aufgegeben, seit die Kirchen das Recht verloren haben, ihre Pastoren zu wählen. Sie steht jedoch im Widerspruch zur Heiligen Schrift, aus der hervorgeht, dass allein die Apostel und die von ihnen geweihten Messdiener das Priesteramt durch Handauflegung unter Gebet gelehrt haben.
Die anglikanische Kirche hat die Ordination und die kirchliche Hierarchie beibehalten. Ihre Diakone, Priester und Bischöfe werden durch Handauflegung beim Gebet von Bischöfen geweiht, die die Ordination erhalten haben. Sie schloss nur das Priestertum von den Sakramenten aus, entfernte sich damit bis ins 16. Jahrhundert von der Lehre aller christlichen Kirchen, sowohl der östlichen als auch der westlichen. Sie räumt jedoch ein, dass die Ordination ein apostolischer Ritus ist, der die Gnade und die heiligen Weihen verleiht. Im Wesentlichen ist ihre Lehre durchaus richtig, jedoch um völlig orthodox zu sein, hätte sie nur definitiv erklären müssen, dass sie die Ordination als einen heiligen Ritus betrachtet, der von den Aposteln nach der Weisung Jesu Christi und des Heiligen Geistes vollzogen wurde.
Sie hat es aus der Zahl der Sakramente durch die Definition ausgeschlossen, die die römische Kirche für ein Sakrament gibt, nämlich dass es ein sichtbares Zeichen ist, das von Jesus Christus eingesetzt wurde. Da das Evangelium nicht sagt, dass die Ordination von Jesus Christus eingesetzt wurde, folgern die Verfechter der anglikanischen Lehre, dass sie kein Sakrament ist. Aber ob die Ordination nun vom Erlöser selbst während seines irdischen Lebens oder von den Aposteln gemäß den Anweisungen, die sie von Ihm nach seiner Auferstehung und durch die Eingebung des Heiligen Geistes erhalten haben, eingesetzt wurde, so steht jedenfalls fest, dass die Ordination ihren Ursprung in einer göttlichen Einsetzung hat und eine sakramentale Handlung ist, die von Gott für die Vermittlung der Gnade und der Rechte des Priestertums eingesetzt wurde. Folglich ist die anglikanische Kirche dem Fehler verfallen, das Priestertum von den göttlichen Sakramenten auszuschließen.
In der römischen Kirche gab es eine hitzige Debatte über die Gültigkeit der anglikanischen Weihen. Es wurde argumentiert, dass die ersten reformierten Bischöfe, da sie selbst nicht rechtmäßig geweiht worden waren, ein heiliges Amt, das sie selbst nicht innehatten, nicht an andere weitergeben konnten. Die Frage ist natürlich, ob die ersten reformierten Bischöfe von Parker rechtmäßig geweiht wurden, oder ob dieser Bischof, der andere weihte, selbst rechtmäßig geweiht wurde.
Diese Frage gehört der Geschichte, wir brauchen nicht in ihre Diskussion einzutreten. Ohne eine Lösung dieser schwierigen Frage vorwegzunehmen, verweisen wir für die Rechtmäßigkeit der Weihe auf das Zeugnis von John Lingard, einem sehr gelehrten englischen Historiker und zugleich römischen Priester. Er drückt es in seiner Geschichte Englands so aus: “Der Ritus der Bischofsweihe von Parker wurde, wenn auch mit einer leichten Abänderung, gemäß der Ordination von Edward VI. durchgeführt. Zwei der Konsekratoren, Barlow und Godgskin, wurden nach der römischen Ordnung zu Bischöfen geweiht, die beiden anderen nach der korrigierten anglikanischen Ordnung.” Doch sowohl Edward VI. als auch die revidierte anglikanische Ordination, wie sie jetzt im Gebetbuch enthalten sind, enthalten alles, was für eine rechtmäßige Ordination wesentlich ist.
Das Zeugnis von John Lingard ist eminent wichtig, denn als Priester der römischen Kirche hätte er sicherlich die Rechtmäßigkeit von Parkers Ordination angefochten, wenn nicht unzweifelhafte Beweise ihn davon überzeugt hätten, dass sie rechtmäßig erfolgt ist.
7) Unterschiede bezüglich der Eheschließung.
Die römische Kirche hat sich in vielerlei Hinsicht von der wahren Lehre über die Ehe entfernt. 1) Sie hat keine positive Lehre über die Spender dieses Sakraments; ihre Theologen streiten sich darüber, ob es von einem Priester oder von den Eheleuten selbst gespendet wird, deren Verbindung bereits ein Sakrament ist, wenn sie Kinder der Kirche sind. Das tridentinische Konzil hat es vermieden, diese Frage zu klären, und nur erklärt, dass der Priester der notwendige Zeuge für die geistliche Rechtmäßigkeit der Ehe ist. 2) Die römische Kirche lehrt, dass auch im Falle des Ehebruchs eines der Ehegatten die Ehe nicht aufgelöst wird; sie legt die Worte des Evangeliums in dem Sinne aus, dass sich im Falle des Ehebruchs beide trennen können, ohne dass der Unschuldige wieder heiraten darf. Diese Auslegung steht weder mit den Worten des Evangeliums noch mit der Lehre der kirchlichen Tradition der ersten Jahrhunderte im Widerspruch. 3) Die römische Kirche behauptet, dass man nach dem Gelübde des ewigen Lebens, der Ehelosigkeit und der Priesterweihe nie wieder rechtmäßig heiraten könne.[7] Damit weicht sie von der Tradition der Urkirche ab, die das Gelübde der ewigen Ehelosigkeit nicht anerkannte, und von den Auffassungen des gesunden Menschenverstandes, der jede Verpflichtung gegen die Ehe ablehnt, da sie auf dem Naturrecht und der positiven Einrichtung Gottes beruht.
Die orthodoxe Ostkirche bekennt, dass die Gläubigen in bestimmten Ausnahmefällen aus frommen Motiven zölibatär bleiben können; dass der klösterliche Zustand, der durch die Ehelosigkeit bedingt ist, ein heiliger Zustand ist; allerdings sie gibt den Zölibatären die volle Freiheit, ihr Amt niederzulegen und eine rechtmäßige Ehe einzugehen, wenn ihr Gewissen sie überzeugt, dass es ihnen unmöglich ist, in der Keuschheit zu bleiben. Mit dieser von der Urkirche übernommenen Regelung beachtet sie: 1. die Heilige Schrift, die den Zölibat gutheißt; 2. die natürliche und göttliche Einrichtung der Ehe; 3. die persönliche Gewissensfreiheit; 4. die Sittlichkeit, die sich gegen die Annahme ewiger Verpflichtungen sträubt, die über die Kraft der Natur hinausgehen und nicht immer genau erfüllt werden können.
Die anglikanische und die protestantische Kirche erkennen die Notwendigkeit einer kirchlichen, d.h. in Anwesenheit eines Priesters oder Pfarrers geschlossenen Ehe an, aber sie erkennen sie nicht als göttlich eingesetztes Sakrament oder Sakramental an. Diese Lehre hat zur Folge, dass der Priester oder Pfarrer nicht als Spender des Sakraments anerkannt wird, wodurch die Ehe zu einem bloßen Vertrag des Zusammenlebens wird, der durch das Aufsagen bestimmter Gebete geschlossen wird.
Diese Lehre steht im völligen Gegensatz zum Glauben der orthodoxen und armenischen Ostkirchen, die die wahre, ursprüngliche Lehre von der Ehe sowie andere göttlich eingesetzte Sakramente bewahrt haben.
8) Eine Unterscheidung bezüglich der Ölung
Die römische Kirche nennt dieses Sakrament Salbung, weil es in ihrer Kirche nur an todkranken Menschen gespendet wird.
Die östlich-orthodoxe Kirche lehrt, dass die Krankensalbung bei jeder schweren Krankheit, auch wenn keine Lebensgefahr besteht, in der Hoffnung auf Heilung gespendet werden soll.
Die anglikanische Kirche lehnt die Krankensalbung ab und hat für sie nur einige Gebete mit Beichte und Absolution vorgesehen.
Die protestantischen Kirchen haben alles abgeschafft; die einzige Pflicht des Pfarrers gegenüber den Kranken besteht darin, sie mit Lesungen aus der Heiligen Schrift zu trösten, die der Pfarrer willkürlich auswählt.
VIII. Auferstehung der Toten und Leben in der kommenden Welt
“Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben in der kommenden Welt.”
Der Mensch besteht aus Körper und Seele; die Vereinigung dieser beiden Elemente macht die Persönlichkeit des Menschen aus. Wenn die Seele vom Körper getrennt wird, wird dieser nicht nur der Vernunft, sondern auch des Lebens beraubt, denn im Menschen ist die Seele zugleich der Ursprung beider; die lebenswichtigen Tätigkeiten werden nur unter dem Einfluss dieses geistigen Elements ausgeführt. Die Trennung der beiden Elemente, aus denen der Mensch besteht, führt zum Tod. Die Seele ist als geistiges Wesen nicht der Zersetzung unterworfen wie die Materie; sie bleibt auch nach der Trennung vom Körper in ihrem Wesen erhalten.
Und der Körper, der in sich selbst keinen Anfang des Lebens hat, zerfällt; die Elemente, aus denen er besteht, gehen nach den von Gott festgelegten allgemeinen Gesetzen wieder in die materielle Masse ein, die die sichtbare Welt bildet.
Eines dieser Gesetze, das uns aus der göttlichen Offenbarung bekannt ist, besteht darin, dass jeder menschliche Leib in dieser gemeinsamen Masse die zu seiner Wiederherstellung notwendigen Substanzen bewahrt, und dass alle menschlichen Leiber, die durch das Wirken der Allmacht Gottes wiederhergestellt worden sind, sich wieder mit ihren Seelen vereinigen, um gemeinsam ein unendliches Leben zu führen. Diese Auferstehung der Toten wird am Ende der Welt stattfinden, also zu einem Zeitpunkt, den nur Gott kennt. Zu diesem Zeitpunkt wird alles, was die sichtbare Welt ausmacht, zerstört und eine neue Welt des ewigen Lebens geschaffen (2. Petrus 4,7.13). Die menschlichen Leiber und die ganze Welt werden eine neue Natur erhalten; sie werden vergeistigt (1. Kor. 15,22f.), unvergänglich und damit von allen Gebrechen befreit sein, die im jetzigen Leben aus einem allmählichen Verfall herrühren, dessen letzte Folge der Tod ist.
Während die Körper der Menschen verwesen, befinden sich die Seelen, die mit ihnen verbunden waren, in einem Lebenszustand, der je nach dem Guten oder Bösen, das sie während ihrer Verbindung mit dem Körper getan haben, unterschiedlich ist. Die Seelen der Gerechten erfreuen sich einer Seligkeit, die zwar unvollkommen ist, jedoch wie ein Vorgeschmack der Seligkeit ist, die sie mit ihrem Leib nach der allgemeinen Auferstehung genießen werden (Lk 16,22; Phil 1,23). Die sündigen Seelen erleiden je nach dem Grad ihrer Schuld mehr oder weniger schwere Qualen (ebd.). Die Barmherzigkeit Gottes kann diese Qualen für einige Seelen aufgrund der Verdienste des Erlösers mildern, und die Lebenden können durch ihre Gebete und guten Werke für die leidenden Seelen Fürsprache einlegen, damit sie von ihren Qualen befreit werden, wie wir oben gesagt haben.
Zu diesen Seelen gehören jene, die so schuldig sind, dass sie endgültig verurteilt sind. Sie leiden jetzt und werden nach der Auferstehung der Toten zusammen mit ihrem Leib ewig leiden.
Die Leiden dieser Seelen und die Seligkeit der Seelen der Gerechten werden erst nach der Auferstehung der Leiber und der Verkündigung des Endgerichts durch Jesus Christus am Ende der sichtbaren Welt vollendet sein (2. Timotheus 4,8; 2. Korinther 5,10). Dann wird der gerechte Richter die Kronen der Gerechtigkeit verteilen, und jeder wird empfangen, was ihm zusteht, gemäß seinen Taten, seien sie gut oder böse.
Ein neues Leben, das Leben des nächsten Zeitalters, wird für die Gerechten und für die Sünder beginnen. Es wird selig sein für die einen und elend für die anderen. Die Gerechten werden Gott schauen; sie werden leuchten wie die Sonne im Reich ihres Vaters, und keine menschliche Sprache kann die Seligkeit ausdrücken, die ihnen bereitet ist (1. Korinther 13,12; Matthäus 13,43; 2. Korinther 12,4). Der Leib wird die volle Seligkeit genießen, zu der seine vergeistigte Natur fähig ist (1. Korinther 15,43). Nicht alle Gerechten werden sich in gleichem Maße der Seligkeit erfreuen, sondern einige mehr und einige weniger (1 Kor 15,41.42).
Was die Verdammten betrifft, so wird ihr Zustand schrecklich sein; die Qualen, die für sie vorgesehen sind, werden Hölle genannt; ihre Leiden werden je nach dem Grad ihrer Schuld mehr oder weniger schwer sein; aber alle werden für immer dem Anblick Gottes entzogen sein.
Die Unterschiede zwischen den Kirchen in der Lehre über die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.
In diesen beiden Dogmen sind sich alle christlichen Kirchen im Wesentlichen einig, wenn man ihre diesbezüglichen Lehrdenkmäler betrachtet. Trotzdem einige Kirchen verletzen diese Lehre auf mehr oder weniger ausdrückliche und zulässige Weise.
In der römischen Kirche übertreiben die einen die Qualen, zu denen die Verdammten verurteilt werden, während die anderen sie durch das von ihnen erfundene System der sogenannten Gnadenerweise übermäßig zu mildern suchen. Vor allem aber maßt sich die kirchliche Autorität, deren Vertreter die Päpste zu sein beanspruchen, das Recht an, alle, die ihren Dekreten und Neuerungen nicht sklavisch und sogar gegen ihr Gewissen gehorchen, zumindest indirekt zur Verdammnis zu verurteilen. Diese Verurteilung besteht entweder darin, sie aus der Kirche auszuschließen oder sie mit schweren Strafen zu belegen, sie zu Verbrechern zu erklären, weil sie Todsünden begangen haben. All dies ist ein Missbrauch und eine Verletzung des Dogmas vom zukünftigen Leben; alles dient dazu, die wahre Auffassung davon zu entstellen.
Die Anglikanische Kirche scheint der Ansicht zu sein, dass das Wort Ewigkeit, wie es in der Heiligen Schrift verwendet wird, in einem metaphorischen Sinn zu verstehen ist, um eine unbestimmte Zeitspanne zu bezeichnen, nach der die Verdammnis der Sünder endet. Neuere Definitionen in diesem Sinne widersprechen jedoch der Lehre, die die anglikanische Kirche immer vertreten hat.
Die protestantischen Kirchen lassen heute eine größere Freiheit bei der Interpretation des Wortes Ewigkeit zu. Die offizielle Lehre dieser Kirchen verurteilt jedoch diese Lockerung. Sie befinden sich mit ihrem System der Prädestination (Vorherbestimmung) viel mehr im Irrtum über die Wahrheit.
Es besteht kein Zweifel, dass Gott im Voraus weiß, wer gerettet und wer verdammt wird. Es ist auch gewiss, dass Gott in seiner besonderen Vorsehung sowohl in der allgemeinen Verwaltung des zukünftigen Lebens als auch im irdischen Leben die einen zu einer höheren und die anderen zu einer niedrigeren Stufe vorherbestimmen konnte. Doch ohne Seine Gerechtigkeit zu leugnen, kann man nicht sagen, dass die einen unverdient belohnt und die anderen verdammt werden.
Das Vorherwissen Gottes über die Auserwählten und die Verworfenen kann also nicht als entscheidend angesehen werden, das die einen zur Seligkeit und die anderen zur Qual vorherbestimmt. Es ist zu verstehen als ein Vorauswissen all dessen, was in der Zeit geschehen wird, als Folge der von seiner Vorsehung gesetzten allgemeinen Ursachen und der dem Menschen gegebenen Handlungsfreiheit in seinen persönlichen Angelegenheiten. Wir werden Gelegenheit haben, die orthodoxe Lehre zu diesem Thema im zweiten Teil dieses Werkes darzulegen. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Protestanten die Heilige Schrift missverstanden haben, indem sie die besondere Vorherbestimmung Gottes auf alle Belohnungen und Strafen des zukünftigen Lebens allgemein anwenden, obwohl sie nur eine begrenzte Bedeutung hat, die in anderen Aussagen des Wortes Gottes erklärt wird. Auf diese Weise wurden sie zu Theorien verleitet, die die Gerechtigkeit Gottes, die Freiheit des Menschen und die wahre Vorstellung vom zukünftigen Leben zerstören.
Zweiter Teil.
Die Morallehre der orthodoxen Kirche.
I. Gemeinsame Anfänge
Die Moral ist die Regel des menschlichen Handelns. Der Mensch handelt manchmal unbewußt, wegen der unvollständigen Entwicklung seines Wesens oder wegen der zeitweiligen oder dauernden Erschöpfung seiner Fähigkeiten. Solche Handlungen werden nur aus Instinkt begangen, oder sie sind zumindest nicht von den notwendigen Bedingungen begleitet, unter denen der Handelnde dafür verantwortlich gemacht werden kann. Die Voraussetzungen, unter denen der Mensch für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden kann, sind die Vernunft und der freie Willensgebrauch.
Eine Handlung, die dem Gesetz entspricht, ist eine gute Handlung; eine Handlung aber, die dem Gesetz widerspricht, ist eine böse Handlung oder eine Sünde. Die Gewohnheit, Böses zu tun, ist ein Laster; und die Gewohnheit, Gutes zu tun, ist eine Tugend. Eine böse Tat oder Sünde ist mehr oder weniger schwerwiegend, je nach der Bedeutung des gebrochenen Gesetzes und dem Grad der Entwicklung oder der Willensfreiheit der handelnden Person. Ein Mensch, der mit vollem Bewusstsein und in voller Freiheit ein wichtiges Gesetz bricht, ist schuldiger als einer, der mit schwächerem Geist und geringerer Freiheit ein weniger wichtiges Gesetz bricht. Die Naturgesetze bestehen in den Sinnen und der Erkenntnis, die Gott von Anfang an in uns gelegt hat und die unsere sittliche Natur ausmachen, so wie die Sinnlichkeit und ihre Instrumente unsere physische Natur ausmachen. Das Gewissen besteht aus Naturgesetzen; in jedem von uns bezeugt es innerlich und natürlich die Sittlichkeit dieser oder jener Handlung. Das Gewissen beruht auf der genauen Erkenntnis des Guten und des Bösen. Der Grund dieser Erkenntnis liegt in Gott selbst, der Seinem Wesen nach gut ist. Außerhalb des Gottesbegriffs werden Gut und Böse zu Worten ohne Sinn; die Handlungen haben für sich genommen keinen Sinn; sie sind für sich genommen nur eine notwendige Folge der natürlichen Entwicklung, in dieser oder jener Richtung, in diesem oder jener Grade, durch einen Zufall, über den man nicht Rechenschaft ablegen kann. Wenn Gut und Böse nur Worte sind und der Mensch unter dem Einfluss der schicksalhaften Natur steht, dann ist Moral ein Traum [8]. Um zu diesem Extrem zu gelangen, muss man die Anfänge leugnen, die die menschliche Natur ausmachen. In der Menschheit sind die sittlichen Gesetze nicht weniger selbstverständlich als die physischen; der Mensch wird ebenso verleugnet, wenn man die ersteren leugnet, wie wenn man die letzteren leugnet. Das beständige Vorhandensein derselben sittlichen Anschauungen zu allen Zeiten und bei allen Menschen beweist, dass diese Anschauungen der Natur des Menschen selbst als ihr Gesetz innewohnen, so wie die Beständigkeit in der Ausübung und fortschreitenden Entwicklung seiner materiellen Natur beweist, dass auch der Körper Gesetzen unterworfen ist. Da in diesen Gesetzen alles auf dasselbe Ziel hinstrebt, so ergibt sich daraus der Beweis, dass es in der Natur des Menschen ein intelligentes Wirken gibt, d. h. das Wirken des Schöpfers, dessen Wille für den Menschen allgemeine Gesetze, sowohl moralische als auch physische, aufgestellt hat. Gott ist also die Ursache der Gesetze des menschlichen Gewissens; das Gewissen ist das Echo des Willens Gottes. Da aber der Mensch in seinem ursprünglichen Zustand, in dem er geschaffen wurde, durch den Sündenfall verfinstert und sein Wille geschwächt wurde, hat er nicht mehr die volle Freiheit, das Gute zu tun. Um diese Freiheit wiederherzustellen, hat Gott den Verstand erleuchtet und den Willen gelenkt. In der Erleuchtung des Verstandes gab Gott dem Menschengeschlecht positive Begriffe von Wahrheiten, zu denen sich die Menschen nicht mehr von selbst erheben konnten: das ist der dogmatische Teil der Offenbarung. Für die Lenkung des Willens gab Er positive Gesetze. Schließlich hat Gott dem Menschen durch das Wirken des Heiligen Geistes, durch die Verdienste Jesu Christi, eine innere Hilfe gegeben. Durch diese Hilfe, die Gnade genannt wird, hat er dem Menschen die Freiheit zurückgegeben, nach der Wahrheit und dem Guten zu streben. Daher kann man den Menschen in einem zweifachen sittlichen Verhältnis betrachten: zu sich selbst, unabhängig vom Wirken der Gnade in ihm, und – unter dem Einfluß der Gnade. Im ersten Zustand besitzt er von Natur aus die Anfänge des Guten, die die Mittel der sittlichen Natur des Menschen ausmachen; er besitzt die Vernunft, d.h. die Fähigkeit, die ursprünglichen Wahrheiten zu verstehen, und das Gewissen, d.h. das innere Bewusstsein des Guten. Doch seine Vernunft ist nicht ausreichend erleuchtet, um alle Wahrheiten zu kennen, die er braucht, und sein Sinn für das Gute ist nicht stark genug, um ihn immer sittlich handeln zu lassen; er genießt eine unvollständige Freiheit. Ein Mensch, der als Christ betrachtet wird, d. h. unter dem Einfluss der Gnade steht, hat bereits die volle Freiheit, die Wahrheit zu erkennen und das Gute zu tun. Da diese Freiheit eine Gabe Gottes ist, muss man sich darüber im Klaren sein, dass alles Gute, das ein Christ tut, von ihm durch die Gnade getan wird, und dass alle seine Verdienste von ihm allein durch die Gnade Gottes erworben werden. Daraus ergeben sich folgende Hauptgrundsätze der christlichen Moral: 1. Der Mensch braucht unbedingt die Gnade Gottes, sie ist für ihn notwendig; 2. die Gnade Gottes ist eine aktive Kraft, d.h. sie bestimmt das Handeln des Menschen; 3. die Gnade zwingt den Menschen nicht, die Wahrheit zu erkennen und das Gute zu tun, denn sie ist nur eine Hilfe, die die Freiheit des Menschen wiederherstellt, nicht aber einschränkt; 4. die Gnade wird von Gott als Geschenk gegeben, d.h. ohne vorheriges Verdienst unsererseits, denn die Werke, die wir nicht unter dem Einfluss der Gnade, ohne ihre Hilfe, tun, müssen selbst das Merkmal des Mangels haben, wegen unseres geistigen und moralischen Falls. Denn die Werke, die wir nicht unter dem Einfluss der Gnade und ohne ihre Hilfe vollbringen, müssen aufgrund unseres geistigen und sittlichen Falles selbst das Merkmal der Unzulänglichkeit aufweisen. Die Grundlagen der christlichen Moral wurden durch zwei große, einander entgegengesetzte Irrlehren erschüttert: den Pelagianismus und den Fatalismus oder Prädestinationismus. Die erste, die von der Kirche der ersten Jahrhunderte verurteilt worden war, wurde von den Jesuiten wiederbelebt, denen es schließlich gelang, sie der gesamten römischen Kirche aufzuzwingen, wenn auch nicht offen oder unter ihrem wahren Namen, sondern mit Hilfe zahlreicher theologischer Spitzfindigkeiten. Der erste Erfinder dieser Spitzfindigkeiten war der Jesuit Molica, der allerdings die kirchliche Gnadentradition nicht direkt angriff, sondern sogar vortäuschte, sie anzuerkennen. Das Papsttum, das im 16. Jahrhundert in dieser Frage noch an der Orthodoxie festhielt, beauftragte jedoch eine Sonderversammlung (Congregations de Auxilliis) mit der Prüfung der neuen Lehre. Der jesuitische Pelagianismus wurde verurteilt, den Jesuiten jedoch die Möglichkeit gelassen, ihre schädliche Lehre zu verbreiten. Es gab aufrichtige Christen, die ihre Irreführung anprangerten und eine gesunde Lehre vertraten. Die Jesuiten beschuldigten sie, Jansenisten zu sein. Dieselben Jesuiten verwirrten absichtlich die klarsten Begriffe der Autorität in der Kirche und der Gnade, bis sie schließlich von den Päpsten selbst die pelagianische Häresie gelehrt bekamen. Die von Clemens XI. erlassene Bulle Unigenitus stellt die offizielle Verkündigung des Pelagianismus dar und wird heute von allen römischen Bischöfen und Theologen als Glaubensregel akzeptiert. Darüber hinaus enthält die römische Lehre die größten Irrtümer über die christliche Moral, die sie mit Hilfe der Spitzfindigkeiten der Kasuisten, wie die Theologen genannt werden, die Urteile für alle zweifelhaften Gewissensfälle (cas de conscience) ausarbeiten, ausräumt. Vor allem die Jesuiten taten sich in diesem Bereich der Theologie hervor, indem sie nach Wegen suchten, die präzisesten Dekrete zu umgehen, wenn dies ihrer Gesellschaft zum Vorteil gereichen konnte. So entstand ein ganzes System subtiler Unterscheidungen, mentaler Beschränkungen und einer Vielzahl von Tricks, um das Gewissen zu täuschen und gelegentlich die wichtigsten Unterlassungen zu legitimieren oder zu rechtfertigen. Kein Artikel der Moral blieb ohne Perversion. Zu Beginn des 17. und 18. Jahrhunderts wurden die Lehren der Kasuisten von Päpsten und Bischöfen verurteilt. Doch in den letzten hundert Jahren (19) ist es den Jesuiten gelungen, diese Verurteilungen ins Leere laufen zu lassen. Ihre unmoralische Lehre verbreitete sich, sie legten sie in einer Theologie des italienischen Bischofs Alfons Ligorio dar, und es gelang ihnen, diesem Buch durch die Heiligsprechung des Autors eine indirekte Bestätigung zu geben. Seither ist diese Lehre in der römischen Kirche zu einem Klassiker geworden, wie die öffentliche Zustimmung zu den Schriften von Ligorio, Kardinal Ruse, dem Jesuiten Gury und vielen anderen zeigt. Die wenigen Stimmen, die sich heute in der römischen Kirche zur Verteidigung der christlichen Moral erheben, bleiben einsam und werden als verdächtig angesehen. Die jesuitische Kasuistik hat über die antiken Anfänge die Oberhand gewonnen; ihr Pelagianismus hat die heiligen Vorstellungen von der Gnade zerstört. Luther wird zu Recht vorgeworfen, an den Grundfesten der christlichen Moral zu rütteln, und zwar durch eine Lehre, die sich im Wesentlichen mit einem Wort ausdrücken lässt: “Fanatismus“. Wenn der Mensch, wie Luther lehrte, durch das unabänderliche Urteil Gottes zum Guten oder zum Bösen vorherbestimmt ist, dann nimmt er offensichtlich keinen Anteil mehr an seinen eigenen Angelegenheiten und sein freier Wille ist zerstört. Luther beließ es nicht bei dieser Schlussfolgerung, sondern ersetzte den Ausdruck freier Wille durch das Wort sklavischer Wille. Wenn der Mensch nicht frei handelt, wenn das Wirken der Gnade, statt seine Freiheit wiederherzustellen, sie zerstört, dann handelt der Mensch unfrei. Wenn das Wirken der Gnade seine Freiheit nicht wiederherstellt, sondern zerstört, wird der Mensch zum leidenden Werkzeug des Handelns Gottes; er nimmt nicht einmal an dem Guten teil, das in ihm geschieht, und daher kann ihm das Böse, das er tut, nicht zugerechnet werden, da er des Bewusstseins und des Willens beraubt ist, die für die Sittlichkeit jeder menschlichen Handlung notwendig sind. Einige protestantische Theologen haben diese Lehre Luthers akzeptiert und daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Werke für die Erlösung nutzlos sind. Man muss jedoch zugeben, dass die Mehrheit der Protestanten über diese Lehre und ihre schrecklichen Folgen entsetzt ist. Aufgrund der Freiheit, die jedem Protestanten bei der Auslegung der Heiligen Schrift zugestanden wird, lehnen viele von ihnen die übertriebene Bedeutung ab, die Luther einigen Sprüchen gegeben hat, weil sie erkannt haben, dass dieses allzu ausschließliche und unbedingte Verständnis nicht mit der allgemeinen Bedeutung des Wortes Gottes übereinstimmt. Es muss jedoch festgestellt werden, dass in der protestantischen Lehre eine merkwürdige Verwirrung herrscht, die auf die verschiedenen Systeme zurückzuführen ist, die in Bezug auf die Gnade, die Freiheit und die Notwendigkeit guter Werke angenommen wurden. Zu diesen wichtigen Themen, die sich auf Gott beziehen und daher immer eine geheimnisvolle Seite haben, sind viele zufällige Fragen aufgeworfen worden. Da sich die protestantischen Theologen nicht von der positiven und universalen Lehre der christlichen Tradition leiten ließen, haben sie viele widersprüchliche Systeme zugelassen, die unweigerlich einen sehr schädlichen Einfluss auf die verschiedenen protestantischen Gesellschaften ausübten und die Gewissen in tiefe Verwirrung stürzten. Die orthodoxe Kirche ist von Fanatismus und Pelagianismus gleichermaßen weit entfernt; sie nimmt die Anfänge der Moral in ihrem klarsten Sinn an und greift nicht auf die Täuschungen der Kasuisten zurück. So entspricht ihre Lehre sowohl den Gefühlen eines wahren, ehrlichen Gewissens als auch der positiven Lehre der göttlichen Offenbarung. Wir brauchen die Naturgesetze nicht zu nennen, denn jeder findet sie in seinem eigenen Gewissen, dessen Zeugnis zwar zum Schweigen gebracht, jedoch niemals zerstört werden kann, auch nicht bei den wichtigsten Vergehen. Dessen ungeachtet hat Gott die allgemeinen Gesetze, die Er als Grundlage der sittlichen Natur des Menschen aufgestellt hat, durch positive Gesetze nur ergänzt. Die positiven göttlichen Gesetze sind in den Geboten enthalten, die den Israeliten durch Mose gegeben wurden; sie werden von der orthodoxen Kirche in der folgenden Form angeboten: Jesus Christus hat die von Mose gegebenen Gesetze nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil erklärt, dass sie verbindlich bleiben (Mt 5,18). Sie sollen daher für jeden Christen die Grundregel seiner Pflichten gegenüber Gott und dem Nächsten sein; denn sie sind, mit den Worten unseres Heilands- alle im Geiste der Grundgebote der Gottes- und Nächstenliebe enthalten (Mt 22,36-40) [9]. “Ich bin der Herr, dein Gott; du sollst keine anderen Götter haben außer Mir.” Mit diesem Gebot fordert Gott den Menschen auf, Ihn zu erkennen und zu ehren. Die genaue Erkenntnis Gottes, seines Wesens und seiner Eigenschaften, ist die erste Pflicht des Menschen. Um diese Pflicht zu erfüllen, muss man nicht nur das Licht seiner Vernunft und das Zeugnis des Schöpfers für alle Geschöpfe der Welt gebrauchen, sondern auch die göttliche Lehre studieren, die in den heiligen Büchern des Alten und Neuen Testaments enthalten ist. Um beim Studium dieser heiligen Bücher nicht in Irrtum zu verfallen, muss man sich von den Lehren leiten lassen, die die Kirche ununterbrochen von Zeitalter zu Zeitalter überliefert hat, und daher, soweit möglich, die Schriften der Autoren lesen, die die Kirche stets als ihre Väter und Lehrer anerkannt hat. Auf diese Weise läuft man nicht Gefahr, sich falsche Vorstellungen von Gott anzueignen, die die schlimmsten Folgen für Verstand und Gewissen haben können. Eine genaue Gotteserkenntnis wird die wahre Ehrfurcht vor Gott lehren, die im ersten Gebot mit den Worten “Du sollst keine anderen Götter haben außer Mir” vorgeschrieben ist. Die Ehrfurcht vor Gott besteht darin, Gott zu lieben, gemäß den folgenden Worten des Erlösers: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Das ist das erste und größte Gebot.” (Matthäus 22,37). Nach diesen Worten des göttlichen Meisters sollte Gott das Ziel unseres Verstandes, d.h. unserer Gedanken, unseres Herzens, d.h. unserer Gefühle, und unserer Seele, d.h. all unserer Aktivitäten, sein. Deshalb weist uns der heilige Paulus auf die Erfüllung der drei Tugenden in Bezug auf Gott hin: Glaube, Hoffnung und Liebe. Der Glaube erleuchtet unseren Verstand; die Hoffnung erleuchtet unser Verlangen und unsere Gefühle; die Liebe erleuchtet alle unsere Werke. (1. Korinther 12,13). Solche Taten sind nach dem Apostel Johannes das wesentliche Merkmal der Liebe (Johannes 14,15). Der Glaube ist die Tugend, aus deren Kraft wir an alle von Gott geoffenbarten und von der Kirche bewahrten Wahrheiten glauben. Gegenstand des Glaubens sind also nur die von Gott geoffenbarten Wahrheiten. Alles, was nicht zur Offenbarung gehört, gehört in den Bereich menschlicher Meinungen, die frei angenommen oder verworfen werden können, je nachdem, ob sie mit der Offenbarung übereinstimmen oder nicht. Der Grund des Glaubens ist die Wahrhaftigkeit Gottes, der uns weder täuschen noch irreführen kann. Die wesentliche Voraussetzung des Glaubens ist das Hören auf die Kirche, die allein imstande ist, uns die wahre Offenbarung Gottes mitzuteilen, weil ihr die Unfehlbarkeit verliehen wurde, um sie zu bewahren. Würden wir uns nicht von der Stimme der Kirche leiten lassen, könnten wir niemals die Überzeugung gewinnen, die Wahrheiten der göttlichen Offenbarung mit Sicherheit zu kennen; wir würden sie der Erörterung unserer Vernunft unterwerfen, und in diesem Fall würden wir nicht an Gott, sondern an unsere eigene Vernunft glauben; unser Glaube wäre kein wahrer Glaube, sondern ein bloßer, mehr oder weniger vollständiger Überzeugungsgrad, der sich auf Gründe der Wahrscheinlichkeit stützt, die aus der Überlegung abgeleitet werden. Der wahre Christ glaubt den Wahrheiten der Offenbarung, weil Gott wahrhaftig ist, und er glaubt, dass diese oder jene Wahrheit in der Offenbarung enthalten ist, weil die Kirche sie bezeugt [10]. Der Glaube ist eine innere Tugend; aber er muss äußerlich bekundet werden, d.h. man muss ihn bekennen, nach den Worten des Apostels Paulus: “Mit dem Herzen aber glaubt man an die Wahrheit, mit dem Mund aber bekennt man zum Heil” (Röm. 10,10). Es ist also ein innerer Glaube, d.h. eine aufrichtige, tiefe Überzeugung notwendig, denn ohne sie ist der Glaube nicht wahr. Dazu ist es notwendig, den Glauben auch nach außen hin zu bekennen und nach der Eingebung des Gewissens zu handeln, aus Angst, das Heil zu verlieren. “Wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit” (Lk 9,26). Die Hoffnung ist die Tugend, mit der wir alle unsere Wünsche und Sehnsüchte Gott weihen, sowohl für das gegenwärtige als auch für das zukünftige Leben. Die Hoffnung gründet in dem aufrichtigen Bewusstsein, das uns der Glaube einflößt, dass Gott das höchste Gut ist und dass wir dazu berufen sind, nach dem Scheiden aus dieser sichtbaren Welt in Ihm die ewige Glückseligkeit zu genießen. Der Grund der Hoffnung ist Gott selbst; ihre Ursache ist die göttliche Verheißung, uns in diesem Leben Gnade zum Guten und in der kommenden Welt Herrlichkeit zu schenken; ihr Fundament ist Jesus Christus selbst, der uns Gnade und Herrlichkeit erworben hat und der, wie der Apostel Paulus sagt, “unsere Hoffnung ist” (1 Tim. 1,1). Die Liebe ist die Tugend, die uns drängt, in allem nach dem Willen Gottes zu handeln. Sie ist also die Widmung all unseres Tuns an Gott, weshalb der Apostel Paulus sie die höchste Tugend nennt und sie über den Glauben und die Hoffnung stellt (1 Kor 13,13). Die beiden letztgenannten Tugenden wären nämlich reine Spekulation, wenn sie nicht durch die Liebe in die Tat umgesetzt werden könnten. Gott ist das Objekt der Liebe, aber Jesus Christus hat uns gelehrt, dass wir Gott nicht lieben können, ohne auch unseren Nächsten zu lieben. Deshalb hat der Heiland erklärt, dass die ersten vier Gebote die Vorschrift enthalten, Gott zu lieben, und die letzten sechs Gebote die Vorschrift, den Nächsten zu lieben, und Er hat hinzugefügt, dass dieses zweite Gesetz dem ersten ähnlich ist (Matthäus 22,39). Die wahre Liebe muss allumfassend sein, das heißt, sie muss uns dazu bringen, alle Gebote ohne Ausnahme zu halten, denn alle Gesetze Gottes, die aus derselben Quelle stammen, sind für uns gleichermaßen verbindlich. Die Liebe ist ihrem Wesen nach eine aktive Tugend, d.h. sie besteht darin, Gutes zu tun. Deshalb sagte Jesus Christus: “Wer meine Gebote hat und sie hält, der liebt mich. Wer mich liebt, der hält mein Wort” (Joh 14,21.23). Der Apostel Johannes sagt im gleichen Sinne: “Das ist der Wille Gottes, dass wir seine Gebote halten” (Joh 5,3). “Was hilft’s, Brüder”, schreibt der heilige Jakobus, ” wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen?… Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.” (Jakobus 2,14.26). Die guten Werke sind die Verbindung der Liebe mit dem Glauben, und durch diese Verbindung werden wir in Christus Jesus gerecht. Die Hebräer glaubten, die Rechtfertigung durch rein äußerliches Halten der Satzungen finden zu können. Der Christ findet sie nur in der aufrichtigen Annahme der christlichen Wahrheiten, das heißt in der Vereinigung mit Jesus Christus durch den Glauben; doch der Glaube ist tot, wenn er nicht von der Liebe beseelt ist, jener hohen Tugend, die Gott durch die Verdienste Jesu Christi in unsere Seelen gelegt hat und durch die er uns belebt, heiligt und zur ewigen Seligkeit führt. Unsere Pflichten Gott gegenüber sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Wären diese Tugenden jedoch nur innerlich, so wären sie keine menschlichen Tugenden; denn der Mensch muß wegen seiner doppelten Natur, der geistigen und der leiblichen, seine Gedanken und Gefühle nach außen hin kundtun. Er ist verpflichtet, die äußeren Werke des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu vollbringen, und in der Vollbringung dieser Werke besteht der Gottesdienst. Die Anrufung besteht in den Worten: “Vater unser, der Du bist im Himmel! Wir müssen Gott mit dem heiligen und süßen Namen “Vater” anreden, weil Er allein das wesentliche Recht auf diesen Titel hat, denn Jesus Christus sagte: “Nur einer ist euer Vater, der im Himmel ist” (Mt 23,9). Wenn der Titel Vater dem Menschen gegeben wird, dem wir nach Gott unser Leben verdanken, so deshalb, weil er die göttliche Vaterschaft in der natürlichen Ordnung repräsentiert; wenn er auch den Hirten der Kirche gegeben wird, so deshalb, weil sie das Abbild der göttlichen Vaterschaft in der geistlichen Ordnung sind. “Geheiligt werde Dein Name.” “Der Name Gottes ist an sich heilig” (Lk 1,49). Doch er muss durch uns geheiligt werden, – erstens, indem wir in uns selbst nach seiner Heiligkeit leben, indem wir würdige Kinder des Vaters sind, der von Natur aus heilig ist, und indem wir Seine Gesetze halten, die Ausdruck seiner Heiligkeit sind; zweitens, indem wir Gott vor anderen verherrlichen und durch unsere Werke unseren Vater im Himmel kundtun” (Mt 5,16). “Dein Reich komme!” Gott allein ist der König des Universums; Er regiert und wird regieren in alle Ewigkeit gemäß seiner Allmacht; jedoch die Menschen mißbrauchen oft ihre Freiheit und wagen es, ihre Gedanken der Offenbarung Gottes entgegenzusetzen und die Gesetze Gottes zu übertreten; so rebellieren sie gegen Gott. Indem wir sagen: “Dein Reich komme”, werfen wir uns vor der höchsten Allmacht Gottes nieder; wir erklären unseren Glauben; wir erkennen sein Recht an, über die Seelen und Herzen ebenso zu herrschen wie über die materielle Natur; wir erklären unseren Wunsch, dass alle Menschen seine Souveränität über sich selbst anerkennen und ihm ihr ganzes Leben weihen – so erklären wir unsere Liebe zu Gott. Das Reich Gottes offenbart sich aber auf Erden durch den wahren Glauben. Es hat dem Heiland gefallen, uns in dem Gebet, das er uns hinterlassen hat, immer wieder daran zu erinnern, dass wir an der Ausbreitung des Reiches Gottes in der Welt arbeiten müssen, indem wir die Wahrheit und die Erkenntnis der heiligen Kirche, deren Hüterin sie ist, verbreiten; denn die Kirche ist das Reich Gottes in dieser Welt, das heißt der Bereich, in dem Gott bedingungslos herrscht und in dem er die ihm gebührende Ehre erfährt. Die dritte Petition “Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden”. Die Gesetze, die den sittlichen Menschen oder das Gewissen ausmachen, sind ebenso wie die positiven Gesetze oder Gebote Ausdruck des Willens Gottes. Dieser Wille ist ein Gesetz, das im Himmel unabänderlich befolgt wird. Die dort Seligen handeln in allen Dingen unter dem segensreichen Einfluß des göttlichen Willens, nicht aus Zwang, sondern aus eigenem Willen, der stets mit dem Willen Gottes übereinstimmt. Das ist auf Erden nicht mehr der Fall, seit die Erbsünde den Verstand des Menschen verdunkelt und in seinem Herzen eine Neigung zum Bösen geschaffen hat. Jeder Mensch soll sich jedoch bemühen, mit Hilfe der Gnade Gottes in sich selbst eine Harmonie zwischen dem Gesetz und seinem Handeln herzustellen, indem er sich stets von den Regeln leiten läßt, die der Wille Gottes aufgestellt hat. Er soll sich wünschen, dass alle Menschen dies tun, damit sowohl im Einzelnen als auch in der Gesellschaft Ordnung herrsche. “Unser tägliches Brot gib uns heute.” Der Erlöser lehrt uns, dass wir sowohl im materiellen als auch im geistlichen Bereich unseres Lebens in vollkommener Abhängigkeit von Gott stehen. Der Mensch erhält das Lebensnotwendige und das Leben selbst allein durch die Barmherzigkeit Gottes. Seine Erhaltung ist die Fortsetzung des schöpferischen Aktes, der ihm die Existenz gab, und wenn er lebt, dann deshalb, weil es Gott gefällt, ihn am Leben zu erhalten. Jeden Tag müssen wir Gott um Brot für uns bitten, weil wir es nur aus seiner Fülle empfangen können. Wir müssen nur um das tägliche Brot bitten, denn wir wissen nicht, ob wir am nächsten Tag noch leben werden. “Backt nicht für morgen”, sagte Jesus Christus, “denn der Morgen ist von selbst gebacken; das Böse des Tages ist die Herrschaft des Tages” (Matthäus 6,34). Und so – durch den Glauben erkennen wir Gott als die Quelle unseres Lebens an; durch die Hoffnung streben wir nach jenem höheren Leben, dessen Anfang Gott selbst ist; durch die Liebe suchen wir Gott mit allen Mitteln zu verherrlichen, indem wir dem Nächsten geistige und materielle Hilfe leisten. “Und vergib uns unsere Schulden, wie wir auch vergeben unseren Schuldigern.” Wir sind alle Schuldner Gottes, weil wir alles, ja unser ganzes Wesen von ihm empfangen haben; deshalb gehören ihm die Gedanken unseres Geistes, die Gefühle unseres Herzens und alle Taten unseres Lebens. Wenn wir in irgendeiner Weise gegen seinen Willen und sein Gesetz handeln, werden wir Schuldner seiner Gerechtigkeit. Wer aber kann sich rühmen, beständig für Gott gelebt und sein Gesetz in allem gehalten zu haben, ohne in Gedanken, Gefühlen oder Taten vor ihm gesündigt zu haben? Und wer sagt, er sei ohne Sünde, der betrügt sich selbst. Es gefällt Gott, dass die Menschen einander ihre Verfehlungen vergeben, und durch diese Pflicht zur Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten hat er sogar das Maß seiner eigenen Barmherzigkeit bestimmt. Deshalb sagte der Heiland: “Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben” (Matthäus 6,14.15). “Führe uns nicht in Versuchung.” Versuchung ist eine Reihe von Umständen, die uns in die Gefahr bringen, zu sündigen. Die Versuchung entsteht aus der Neigung zum Bösen und aus der Unwissenheit, die Folgen der Erbsünde sind. Satan, dem Gott erlaubt hat, den Menschen auf die Probe zu stellen, versucht, ihn in die Irre zu führen; indem er seine Unwissenheit ausnützt, stellt er ihm die Unwahrheit als Wahrheit vor, um ihn zum Sündigen gegen den Glauben zu verleiten; er nutzt seine Neigung zum Bösen aus, indem er ihm das Böse als Quelle der Seligkeit vorführt, um ihn dazu zu verleiten, die Gesetze des Gewissens und die Gebote Gottes zu übertreten und diese Welt zum einzigen Objekt seiner Hoffnungen und Vergnügungen und den Reichtum zum einzigen seiner Tätigkeit würdigen Gegenstand zu machen. Indem der Mensch diesen teuflischen Einflüsterungen folgt, verliert er den Glauben, die Hoffnung und die Liebe; er wird in dieser Welt von Gott getrennt, und Gott wird diese Trennung durch ein ewiges Gericht bestätigen. Als aber Gott dem Satan erlaubte, den Menschen zu verführen, beauftragte Er die Engel, ihm vernünftige und gute Gedanken einzuflößen. Er gab ihm die Gnade, die ihn erleuchtet, zum Guten anspornt und ihm den freien Willen gibt, die Wahrheit dem Irrtum, das Gute dem Bösen vorzuziehen. Da aber die Unwissenheit und die Neigung zum Bösen im Menschen oft besonders stark sind, möge er zu Gott beten, dass Er es nicht zulasse, dass Satan ihn in verlockende Versuchungen führe, oder, wenn Er es zulasse, um uns Gelegenheit zu geben, unsere ganze Liebe zu Ihm zu zeigen, dass Er selbst unsere Kraft im Kampf stärke und uns den Sieg gewähre. “Erlöse uns von dem Bösen.” Dieser Böse ist Satan, der gefallene Engel, der mit Hilfe seiner bösen Engel versucht, auch die Menschen in das ewige Unglück zu ziehen, das sie verdienen. Er ist die Verkörperung des Bösen, so wie Gott die Verkörperung des Guten ist. Aber Satan ist nur ein Geschöpf, und obwohl Gott zugelassen hat, dass sein verderblicher Einfluss den Menschen versucht, ist er doch der Allmacht Gottes unterworfen, der uns von ihm befreien kann. In der Ostkirche wird nach dem Vaterunser immer der folgende Lobpreis gelesen:-“Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Diese Worte schließen das eigentliche Gebet ab und bringen zum Ausdruck, warum wir es Gott darbringen. Wir beten zu ihm, weil er unser König ist, dem wir untertan sein müssen; weil er allmächtig ist und uns alles gewähren kann, was wir von ihm erbitten, was recht und gut ist; weil alle Geschöpfe, denen er das Dasein geschenkt hat, zu allen Zeiten seine Ehre und seinen Lobpreis singen sollen. Das Wort Amen (so sei es!), mit dem alle Gebete der Kirche enden, ist die Bestätigung eines Ausdrucks von allem, was gesagt worden ist. Mit dem Gebot des Vaterunsers wollte der Heiland nicht sagen, dass seine Jünger keine anderen Gebete sprechen sollten; vielmehr zeigte Er uns, dass wir nicht wie die Heiden und Pharisäer den wahren Gottesdienst in der Rezitation langer, gelehrter Gebete vermuten sollten. Er hat durch sein eigenes Beispiel jene Gebete gutgeheißen, in denen das wahre Gefühl mit den Worten übereinstimmt. Darum hat die Kirche beschlossen, dass die Grundlage des wahren Gottesdienstes das Gefühl sein soll, das in den Studiengebeten zum Ausdruck kommt, die in ihrem Inhalt alle Entfaltungen oder Auslegungen des Vaterunsers enthalten. Diese Gebete bilden den öffentlichen Gottesdienst, von dem weiter unten die Rede sein wird. Gottesdienst im engeren Sinne, d.h. im Sinne der Anbetung, kann sich nur auf Gott beziehen. Ihm allein sollen wir alle unsere Gedanken, alle unsere Gefühle, unser ganzes Leben darbringen; Ihm allein sollen wir diese Gefühle im Gebet zum Ausdruck bringen. Die orthodoxe Ostkirche sieht jedoch keinen Verstoß gegen das erste Gebot, wenn sie die Verehrung der Jungfrau Maria, der Engel und der Heiligen zulässt, solange diese sekundäre Verehrung unter Bedingungen bleibt, die sie wesentlich von der Verehrung unterscheiden, die Gott allein gebührt. Die sekundäre Anbetung besteht erstens in der Verehrung und Anbetung derer, die Gott selbst mit höheren natürlichen Eigenschaften ausgezeichnet hat, indem Er sie entweder mit für uns nützlichen Aufgaben betraut oder ihnen besondere Vorzüge und Würden verliehen hat; zweitens besteht sie in der Anrufung, die nicht mit dem Gebet verwechselt werden darf, das das Zeugnis der Anbetung ist. Im Gebet bringen wir unser ganzes Wesen vor Gott; in der Anrufung bitten wir nur die Gottesmutter, die Engel und die Heiligen, für uns vor Gott einzutreten. Wir wenden uns an sie als Brüder in der Herrlichkeit, die Gott näher sind als wir. Wir bitten um ihr Gebet, so wie wir um das Gebet unserer Brüder bitten, die noch in dieser Welt leben. Der Tod zerreißt nicht die Bande der Gemeinschaft, die zwischen den Gläubigen bestehen, und nach der Lehre der göttlichen Offenbarung sind auch die Engel Brüder der Gläubigen. Es besteht also ein wesentlicher Unterschied zwischen der gebührenden Ehre Gottes und der Nebenverehrung von Engeln und Heiligen. Indem die Kirche diese Nebenverehrung zulässt, verstößt sie nicht gegen das erste Gebot, das nur verbietet, einen anderen Gott als den einen wahren Gott zu haben, also einen anderen Gott anzubeten. “Du sollst dir kein Götzenbild machen, auch nicht irgendein Bildnis, weder oben noch unten auf der Erde noch in den Wassern unter der Erde: dass du sie nicht anbeten und ihnen nicht dienen sollst.” Mit diesem Gebot verbietet Gott die Herstellung und Anbetung von Götzen. Es ist also verboten, irgendein Geschöpf der sichtbaren oder unsichtbaren Welt darzustellen, um es zum Gegenstand der Verehrung zu machen, die dem einen Gott gebührt. Das Bild selbst ist nicht verboten, auch nicht im heiligen Gotteshaus. Nachdem Gott die Anfertigung von Götzenbildern verboten hatte, befahl er Mose, goldene Abbilder der beiden Cherubim auf die Bundeslade zu stellen, und zwar auf der Seite, der sich das Volk zur Anbetung Gottes zuwandte (2. Mose 25,18ff.). Der Herr ordnete auch ein ehernes Schlangenbild an, dem Er sogar eine wunderbare Eigenschaft verlieh: Die Israeliten wurden geheilt, wenn sie es ansahen (Num. 21,8ff.). Gott erlaubte also heilige Bilder und ihre Verehrung; Er verbot nur Götzenbilder, d.h. Bilder von Wesen, die als Götter anerkannt wurden. Die Bundeshütte selbst, auf der nach Gottes Gebot die goldenen Cherubim standen, war nur ein Bild und wurde nach Davids Worten so dargestellt, als sei sie der Schemel des Thrones Gottes (Kap. 30,2). Das Bild war ein von Gott anerkannter Gegenstand der Verehrung. Josua bewies dies, indem er sich bis zum Abend vor der Stiftshütte niederwarf, und alle Ältesten Israels folgten seinem Beispiel (Num. 7,6). Die Ostkirche legt das zweite Gebot richtig aus: – 1. Sie verurteilt die Götzen, d.h. die Bilder, die als Götter verehrt werden; – 2. Sie billigt sowohl die Andachtsbilder, die an Gott, die Engel und die Heiligen erinnern, als auch die Verehrung dieser Bilder selbst. Die von der Kirche erlaubte Verehrung ist nicht die Verehrung Gottes, die in Glauben, Hoffnung und Liebe besteht; sie besteht nur in der Verehrung derer, die Gott selbst erhöht hat; diese Verehrung geht letztlich auf Gott selbst zurück, der sich in den Heiligen offenbart. Aus orthodoxer Sicht und gemäß der Argumentation des hl. Gregor des Großen (Buch 9, Satz 9) sind Bilder und Ikonen wie Buchstaben nur Zeichen, die uns geistige Gegenstände darstellen, die in uns gute Gefühle erwecken und der Erleuchtung unseres Geistes dienen. Gott kann durch sie seine Allmacht offenbaren, wie Er es durch die eherne Schlange tat, die Moses in der Wüste aufgestellt hatte. Allerdings nicht das Bild selbst hat die Macht, Wunder zu wirken, es ist nur ein Werkzeug in Gottes Hand. Dasselbe können wir von den sterblichen Überresten der Heiligen sagen wie von den Bildern und Ikonen. “Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Den Namen Gottes missbrauchen heißt: 1. ihn unnötig und leichtfertig auszusprechen; 2. ihn als Beweis der Unwahrheit hinzustellen; 3. ihn zu lästern. Der Christ soll den Namen Gottes nur mit Ehrfurcht und aus gewichtigen Gründen aussprechen; denn dieser Name ist heilig und soll immer das Gefühl der Verehrung für das höchste Wesen hervorrufen, das uns geschaffen hat und dem wir alle Augenblicke unseres Lebens verdanken. “Gedenke des Sabbattages, du sollst ihn heilighalten; sechs Tage sollst du tun, und du sollst an ihnen alle deine Werke tun. Doch der siebte Tag ist ein Sabbat für den Herrn, deinen Gott.” Gott schuf die Welt in sechs Tagen und ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken. Die siebentägige Periode (Woche) ist also durch den Willen und das Beispiel Gottes selbst geheiligt. Sechs Tage sind der Arbeit gewidmet, der siebte Tag der Ruhe, die durch den Gottesdienst geheiligt wird. 12 wichtigste Feiertage: Die von der Kirche festgelegten Tage der Buße sind: An den Sonntagen und an den von der Kirche festgesetzten Feiertagen sollen wir: 1. uns der gewöhnlichen Arbeit enthalten; 2. uns mit gottgefälligen Werken beschäftigen; denn die Ruhe muß geheiligt werden; die Gesetze Gottes und der Kirche würden durch Wollust und Müßiggang noch mehr verletzt als durch Arbeit. “Du sollst Vater und Mutter ehren, damit es dir gut geht und du lange lebst auf Erden.” Die Ehre der Eltern schließt die Verpflichtung ein, sie zu lieben, zu achten, ihnen zu gehorchen, ihnen in Krankheit und Alter beizustehen, für ihr Seelenheil nach dem Tode zu beten und ihren letzten Willen fromm zu erfüllen. “Du sollst nicht töten.” Dies ist ein allgemeines Gebot. Es ist verboten, sich selbst oder einem anderen das Leben zu nehmen. Selbstmord ist ebenso verboten wie Totschlag, d.h. die strafbare Tötung eines Menschen durch einen anderen mit positivem Tötungsvorsatz. ” Begehe keinen Ehebruch.” Die Ehe ist das Grundgesetz der Familie, und die Familie ist die Grundlage der ganzen Gesellschaft. Der Ehebruch, der das Band der Ehe zerstört und Unehrlichkeit und Unordnung in die Familie bringt, ist daher ein Vergehen gegen die Gesellschaft selbst. Deshalb hat Gott den Ehebruch mit einem besonderen Verbot belegt. Wer gegen dieses Verbot verstößt, rebelliert zugleich gegen das positive Gesetz Gottes und gegen die Grundlagen der Gesellschaft selbst. Er begeht ein Verbrechen, das nach dem alttestamentlichen Gesetz mit dem Tod bestraft wird. Das neutestamentliche Gesetz stellt ihn außerhalb der Familie und sogar außerhalb der Gesellschaft, indem es ihm verbietet, erneut zu heiraten, wenn er seine erste Ehe entweiht hat, die durch dieses Verbrechen rechtlich aufgelöst werden kann. “Du sollst nicht stehlen”. Dieses Gebot verbietet es, sich fremdes Eigentum in irgendeiner Weise anzueignen. “Du sollst kein falsches Zeugnis gegen deinen Freund ablegen.” Die Ehre unseres Nächsten gehört ihm, und wir dürfen ihn in dieser Hinsicht nicht verletzen, so wie wir auch sein Eigentum nicht verletzen dürfen. Die Ehre des Nächsten wird verletzt, wenn gegen ihn vor Gericht ein falsches Zeugnis abgelegt wird; wenn er wissentlich zu einer ungerechten Verurteilung beiträgt; wenn er eine unrechtmäßige Anzeige gegen ihn erstattet; wenn er schlecht über seinen Nächsten spricht oder denkt, ohne dass sein Gewissen ihn dazu verpflichtet. Unser Gewissen verpflichtet uns nur dann, schlecht über ein gegen die Gesellschaft begangenes Vergehen zu denken und zu sprechen, wenn es für das Verfahren vor Gericht notwendig ist. Dann erfüllen wir unsere öffentliche Pflicht; der Verbrecher, der die Gesellschaft angegriffen hat, verliert sein Recht auf die Ehre, die er selbst bereits durch die Begehung des Verbrechens verwirkt hat. “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, noch sein Dorf, noch seinen Knecht, noch seine Magd, noch seinen Ochsen, noch seinen Esel noch irgendein anderes Vieh, noch alles, was dein Nächster besitzt.“ Ein solcher Wunsch ist der geistige Wunsch, das Eigentum eines anderen durch unrechtmäßige Mittel zu erlangen. Böse Absichten sind ebenso verboten wie böse Taten; Sünde, auch wenn sie geistig ist, bleibt Sünde. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, das auf ein verbotenes Ziel gerichtet ist, befleckt Geist und Herz und macht den Menschen vor Gott schuldig. Die römische Kirche anerkennt die Zehn Gebote Gottes, teilt sie aber anders ein als die orthodoxe Ostkirche. Sie fasst die ersten beiden Gebote, die sich auf den wahren und den verbotenen Gottesdienst beziehen, zu einem Gebot zusammen und teilt das zehnte Gebot in zwei Gebote auf; das eine verbietet es, die Frau des Nächsten zu begehren, das andere, seinen Besitz zu begehren. Es gibt also nur drei Gebote, die sich auf Gott beziehen, und sieben Gebote, die sich auf den Nächsten beziehen. Man kann sagen, dass die moralische Lehre der römischen Kirche im Allgemeinen mit der der orthodoxen Kirche übereinstimmt. Es ist jedoch festzustellen, dass sie durch ihre Glaubensirrtümer und unzulässigen Neuerungen in der Spendung der Sakramente den wahren Gottesdienst, wie er im ersten Gebot vorgeschrieben ist, verletzt hat. Insbesondere irrte sie durch die Erfindung ihres neuen Dogmas von der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria, das die unmittelbare Folge der Vergöttlichung der Jungfrau Maria war. Einige der von ihrem beauftragten Theologen, darunter Pater Newman und Herr Nicola, haben diese Schlussfolgerung nicht ohne die stillschweigende Zustimmung des Papstes und der Bischöfe gezogen. Eine weitere Folge dieses falschen Dogmas war, dass die Verehrung der Jungfrau ihren Charakter änderte und zu einer wahren Gottesverehrung wurde. Nach der modernen Lehre der römischen Kirche ist die Jungfrau nicht nur der Anrufung würdig, sondern auch des wahren Bittgebets, d.h. eines Dienstes, der auf dem Glauben an ihre Souveränität über Gott selbst beruht, auf der Hoffnung, dass ihre Fürsprache mehr gilt als die Fürbitte. Es ist kaum zu glauben, zu welch frevelhaften Übertreibungen die römischen geistlichen Schriftsteller in Bezug auf die Jungfrau Maria gegriffen haben. Sie schreckten nicht einmal davor zurück, die verführerischsten Werke von Maria Agreda und Schwester Emmerich zu diesem Thema als göttlich inspiriert zu entlarven, als Nachahmungen der apokryphen Evangelien, ergänzt durch widersprüchliche und ungeordnete Fiktionen einer krankhaften Phantasie. Die römische Kirche ist in Bezug auf alle Gebote ohne Ausnahme dem Irrtum verfallen, Unterscheidungen zuzulassen, durch die Kasuisten die Erfüllung der positivsten Gebote vermeiden. Man kann sagen, dass es keine moralische Verpflichtung gibt, die nicht durch diese jesuitischen Unterscheidungen umgangen werden kann. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Nehmen wir an, ein Mensch wollte aus Hass auf seinen Nachbarn eines von dessen Haustieren töten, hat sich aber geirrt und das Tier eines anderen Nachbarn getötet. Ist er verpflichtet, diesem Nachbarn den Verlust zu ersetzen? Nein”, antwortet der Kasuist. Warum nicht? – Weil er das Tier, das er getötet hat, nicht töten wollte! In der römischen Kirche wurde ein ganzer Stapel von Folianten geschrieben, um auf diese Weise alle Gewissenszweifel zu beseitigen und damit alle moralischen Prinzipien und sogar das moralische Empfinden selbst zu zerstören. Die Protestanten haben das erste Gebot dahingehend fehlinterpretiert, dass den Heiligen kein sekundärer Dienst der Verehrung und Anrufung angeboten werden soll. Sie verwechseln die Anrufung mit dem Gebet im eigentlichen Sinne, obwohl die beiden Handlungen wesentlich voneinander verschieden sind. Durch das Gebet legen wir Zeugnis ab von Glauben, Hoffnung und Liebe. Durch die Anrufung bitten wir die Jungfrau Maria, die Engel und die Heiligen um ihre Fürsprache bei Gott. Sie sind keine Fürsprecher für uns, denn der einzige Fürsprecher ist Jesus Christus; aber wir bitten sie, unsere Vermittler zu sein, damit wir durch die Verdienste des einen Fürsprechers von Gott die Gnaden erhalten, die wir brauchen. Die anglikanische Kirche verehrt die Heiligen, aber sie ruft sie nicht an; und was die Anrufung betrifft, hat sie dieselbe Verwirrung und denselben Irrtum begangen wie die Protestanten. Auch das zweite Gebot, das den Götzendienst verbietet, legen die anglikanische und die protestantische Kirche falsch aus, indem sie behaupten, jedes Bild, das angebetet wird, sei ein Götze. Damit widersprechen sie der Heiligen Schrift und übersehen, dass Gott nur solche Bilder verboten hat, die als Götter verehrt werden, also nur Götzen. Diese Kirchen widersprechen der Heiligen Schrift, wenn sie behaupten, man dürfe die Reliquien der Heiligen nicht verehren, während die Leiber der Heiligen sowohl im Alten als auch im Neuen Testament immer Gegenstand großer Verehrung waren, weil sie die Heiligung des Heiligen Geistes empfangen haben und als Werkzeuge für die Seelen der Heiligen dienen. Was die Sittengesetze betrifft, die in den Geboten Gottes enthalten sind, so akzeptieren die anglikanische und die protestantische Kirche sie in ihrer direkten und genauen Bedeutung; sie haben keine Kasuisten, die sie entstellen. Das Gesetz des Evangeliums, das Jesus Christus auf dem Berg Galiläa verkündet hat, steht nicht im Widerspruch zum jüdischen Gesetz, das Mose auf dem Berg Sinai verkündet hat. Beide entspringen einer göttlichen Quelle. Das Gesetz des Evangeliums ist eine Weiterentwicklung und eine vollkommenere Anwendung des alten Gesetzes. Dieses Gesetz ist ein verkürzter Ausdruck der gesamten christlichen Moral, so wie das Gesetz vom Sinai ein verkürzter Ausdruck der gesamten alttestamentlichen Moral war. Jesus Christus legte sein Gesetz in neun Sprüchen dar, die Er die Seligpreisungen nannte, weil sie mit dem Wort “selig” beginnen. Der Heiland begann seine Sprüche mit diesem Wort, um uns zu zeigen, dass die wahre Seligkeit in dieser Welt die Tugend ist und dass wir durch sie die Seligkeit in der kommenden Welt erlangen werden. Dies sind die neun Gebote der Seligpreisung: 1) Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. 2) Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden. 3) Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich erben. 4) Selig sind, die da dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden. 5) Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. 6) Selig sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. 7) Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. 8) Selig sind, die um die Gerechtigkeit willen verstoßen werden, denn ihrer ist das Himmelreich. 9) Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. “Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.“ Der Geist des Verzichts und der Selbstverleugnung ist die Haupttugend des Christen, der weder in der Welt und ihren zeitlichen Gütern den Zweck sehen darf, zu dem sie geschaffen ist, noch in sich selbst den einzigen Zweck, zu dem die Welt und ihre Güter geschaffen sind. Der Geist der Selbstverleugnung ist das Gegenteil der Selbstliebe, des unwürdigsten Lasters des Christen. Der Selbstverliebte denkt nur an sich selbst und erfreut sich an seinen eigenen Gedanken – das ist Hochmut; er bildet sich ein, alles sei geschaffen, um seine Neigungen und Leidenschaften zu befriedigen. Daraus entsteht eine unermessliche Anhänglichkeit an die Güter der Welt, die den Menschen dazu bringt, sich an alles zu versklaven, was er für sein Glück für notwendig hält. Aus dieser Sklaverei erwächst jener ausschweifende Zustand, der nur eine Quelle körperlichen und seelischen Leids, mit einem Wort: des Unglücks sein kann. Der Christ erreicht das Gegenteil durch den Geist der Armut. Wenn ihm Gott Reichtum geschenkt hat, so gebraucht er ihn nicht aus Eigenliebe und nur, um sein Glück darin zu suchen, sondern als ein Pfand, das seiner barmherzigen Gesinnung anvertraut ist. – Wenn er der Güter dieser Welt beraubt ist, erhebt er sich mit dem Herzen über die irdischen Begierden und strebt nach einer besseren Welt, die er umso sicherer erreichen wird, je weniger er sich durch die Bande, die ihn allzu sehr an die irdische Welt binden, verstricken läßt. – Ob reich oder arm, der Christ muß den Geist der Selbstverleugnung besitzen; nur unter dieser Bedingung kann er beginnen, sich des Reiches Gottes in dieser Welt zu erfreuen. Und was ist dieses Reich, wenn nicht Wahrheit und Barmherzigkeit? – Aber ist es möglich, diese Schätze zu besitzen, indem man seine eigenen Gedanken anbetet, anstatt seinen Geist im Glauben dem Wort Gottes zu unterwerfen? Oder indem man sein Herz an die Güter dieser Welt kettet, statt es durch sie zu heiligen? Johannes der Theologe sagt (1 Joh 2,16): „Denn alles, was in der Welt ist, ist die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut der Weltmenschen.“ Der Geist des Christentums ist das genaue Gegenteil davon, d. h. er besteht in der Absage an die ungesetzlichen Begierden des Fleisches, an die zeitlichen Vergnügungen, die das Herz durch ihren Anblick verführen, an den Hochmut, der sich in allen Taten des irdischen Menschen zeigt und nichts anderes ist als Selbstanbetung oder Selbstliebe. Im ersten Gebot der Seligpreisungen beschreibt Jesus Christus in einem Wort das Wesen des treuen Jüngers im Gegensatz zum Nachfolger der Welt. Letzterer sieht nur sich selbst als den Zweck aller Dinge und will alles als Mittel zu seinem Glück gebrauchen, so dass er zum Sklaven aller Dinge und unglücklich wird. Der Christ dagegen sieht in der Welt nichts, was es wert wäre, seinen Geist und sein Herz zu binden. Seine Aufmerksamkeit ist immer auf die zukünftige Welt gerichtet, in der sein Glück vollkommen sein wird; er benutzt alle Gaben der Welt als Mittel, um das Ziel zu erreichen, für das er geschaffen wurde, nämlich den Himmel. Daraus erwächst der Geist der Selbstverleugnung, den der Heiland den Geist der Armut nennt. Reiche und Arme können ihn gleichermaßen hegen. Wer reich und mit Ehre beladen ist, kann in seinen Gefühlen ein Bettler sein, wenn er in Reichtum und Ehre nur die Mittel sieht, die ihm die Vorsehung gegeben hat, um Taten der Liebe und der Wahrheit zu vollbringen. Umgekehrt kann derjenige, der arm an Gütern dieser Welt ist, geizig und hochmütig in seinen unrechtmäßigen Begierden sein, wenn er in den Gütern, die er beneidet, die Quelle seines Glücks sieht. Es ist also möglich, den Segen der Armut inmitten des Reichtums und den Fluch des Reichtums inmitten der Armut zu empfangen. – Jesus Christus hat den Armen nicht deshalb über den Reichen erhoben, weil er der Güter dieser Welt beraubt ist; der Reiche und der Arme sind vor ihm gleich, wenn beide vom Geist der Armut und der Selbstverleugnung beseelt sind. Der wahre Bettler im christlichen Sinn ist der, der in seinem Herzen nicht an den Gütern dieser Welt hängt, nicht der, der sie nicht hat. Nach Johannes Chrysostomus (Gesp. 2 §5) ist der Arme nicht derjenige, der nichts hat, sondern viel begehrt. Reich ist nicht derjenige, der viel besitzt, sondern der seine Bedürfnisse einschränkt. Der Wille und die Lebensweise machen den Menschen reich oder arm, nicht der Mangel oder der Überfluss an den Gütern der Welt.” Der selige Augustinus lehrt auf dieselbe Weise. “Lernt”, schreibt er (über Psalm 85 № 3), “arm und bettelarm zu sein, ihr, die ihr etwas in dieser Welt besitzt, und ebenso ihr, die ihr nichts in ihr habt. Es gibt Bettler, die in ihrer Armut stolz sind, und Reiche, die in ihrem Reichtum demütig sind. Gott aber widersetzt sich den Stolzen, ob sie in Seide oder in Lumpen gekleidet sind; den Demütigen aber schenkt Er Gnade, ob sie den Reichtum dieser Welt besitzen oder nicht. Gott bewertet, wiegt und prüft die Herzen. Ihr seht seine Waage nicht, aber seid gewiss, dass alle eure Gedanken auf ihr gewogen werden.” Alle Kirchenväter, ohne Ausnahme, haben das erste der neun Gebote der Seligpreisungen so erklärt; das ganze Evangelium ist eine getreue Auslegung davon. Unter dem Einfluß des Geistes der Entsagung und der Selbstverleugnung hat der Christ das Reich Gottes erreicht, wenn Gott sein ganzes Denken und Fühlen beherrscht. So erfüllt sich in seinem Geist und Herzen die göttliche Stimmung, die ihm schon jetzt einen Vorgeschmack der Seligkeit gibt, die er in der kommenden Welt genießen wird. Wenn es auch möglich ist, inmitten des Reichtums ein Bettler zu sein, so ist der Reichtum doch oft eine Versuchung, die Güter der Welt überzubewerten und den Geist der Armut zu verlieren. Deshalb sagte Jesus Christus: “Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.” (Matthäus 19,24). In der Tat könnte ein Kamel kaum durch das Tor Jerusalems gehen, das man die Nadelöhr nennt, selbst wenn es von aller Last befreit wäre.[11] Deshalb sagte der Heiland zu dem reichen Mann, der ihn um Anweisungen bat, wie er sich bessern könne:-“Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe deinen Besitz und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und folge mir nach” (Mt 19,21). Allerdings diese Regel gilt nur für diejenigen, die Gott in einen besonderen Zustand völliger Selbstverleugnung beruft; sie ist keine allgemeine und verbindliche Regel für alle. Das dem Gesetz entgegengesetzte Laster, das im ersten Gebot der Seligpreisungen genannt wird, ist die Selbstliebe, in der Stiftung der Stolz, d.h. die unermessliche Liebe zu sich selbst. Dieses Laster ist die Ursache dafür, dass wir uns alles zuschreiben, dass wir uns als Ziel und Objekt alles Seienden betrachten, dass wir uns über alle anderen erheben. “Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.” Jesus Christus hat nicht nur die Gelassenheit in Bedrängnissen und Hindernissen geboten, sondern sogar die Zerbrochenheit und das Weinen zur Tugend erhoben. Seit der Erbsünde ist das Leiden das Los des größten Teils des Menschengeschlechts. Die Philosophie hat vergeblich versucht, dieses Übel auszurotten; sie wird es nie erreichen, noch wird es ihr gelingen, die menschliche Natur selbst zu ändern. Viel besser ist es, vom Erlöser zu lernen, wie wir unsere Tränen heiligen und sie zum Nutzen unserer Seligkeit verwenden können. Zu diesem Zweck müssen wir in jenem Zustand des inneren Weinens leben, von dem die Heilige Schrift oft spricht und der uns die Leiden dieses Lebens als Mittel vor Augen führt, uns von der Welt abzuwenden und den Trost der Ewigkeit zu suchen. Mit seinem zweiten Gebot meinte Jesus Christus nicht das äußerliche Weinen, nicht die Tränen, die über das Gesicht laufen, sondern das Gefühl, das sie hervorrufen, nämlich ein von Zerbrochenheit und Reue erfülltes Herz. Schon in dieser Welt gibt uns der Geist der Zerbrochenheit und der Reue die Kraft, das Unglück zu ertragen, dem wir begegnen und vor dem niemand gefeit ist. So können wir sagen, dass diejenigen, die diesen Geist besitzen, glücklicher sind als diejenigen, die sich der Leidenschaft des Vergnügens hingeben, die nur zu Enttäuschungen führt und uns im Augenblick der Trauer einsam und unter der Last der Verzweiflung zurücklässt. Der Tod selbst ist für diejenigen, die im Geiste der Reue gelebt haben, weniger schrecklich; das Grab erscheint ihnen als der Beginn eines besseren Lebens, während er für diejenigen, die gewohnt sind, in den sinnlichen Freuden das höchste Glück zu sehen, voller Schrecken ist. “Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich erben.” Die Sanftmut ist die Tugend, die es uns ermöglicht, in den freudigen und traurigen Ereignissen des Lebens ruhig zu bleiben. Im Glück bewahrt sie uns davor, in übertriebener Freude zu schwelgen und die Ewigkeit zu vergessen, die uns erwartet; im Leid bewahrt sie uns davor, gegen die Vorsehung zu murren, die uns prüfen will. So interpretiert der selige Augustinus das dritte Gebot der Seligpreisungen. Jesus Christus sagte: “lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig” (Mt 11,29). – In diesen Worten ist Sein ganzes irdisches Leben zusammengefasst; in allem, was Er tat, gab Er ein vollkommenes Beispiel für den Seelenfrieden, der das Wesensmerkmal eines Christen sein sollte. Wer so gesinnt ist, wird dies auch in seinen Worten und Taten zum Ausdruck bringen. Mit den Worten des inspirierten alttestamentlichen Schreibers (Prediger 6,5): “Die Rede eines gottesfürchtigen Mannes ist voll Sanftmut. – Der Prophet Jesaja, der die Züge des Messias über Jahrhunderte hinweg beschreibt, sagt: “Er wird nicht streiten noch schreien, und man wird seine Stimme nicht hören auf den Gassen; das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen” (Jes. 4, Mt. 12, 19, 26). – Petrus schreibt (1 Petr 2,22.23): “Denn auch Christus hat für uns gelitten und uns ein Vorbild hinterlassen, damit wir seinen Fußstapfen folgen: der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; Mit dem Ausdruck “sie werden die Erde erben” kann das Erbe des Landes der Lebenden gemeint sein. Es ist das, was der Psalmist den Himmel nennt, in dem wir als Lohn für unsere Tugenden Glückseligkeit empfangen werden. Die der Sanftmut entgegengesetzte Sünde ist der Zorn (Wut, Bosheit), der uns gegen Gott oder gegen den Nächsten aufbegehren lässt, wenn wir nicht das bekommen, was wir für unser Recht halten. Natürlich ist es erlaubt, unsere legitimen Rechte gegen diejenigen zu verteidigen, die sie ungerechterweise verletzen wollen; jedoch die Sanftmut verpflichtet uns sogar, sie nur dann zu verteidigen, wenn es unmöglich ist, das Ziel mit anderen Mitteln zu erreichen, und gleichzeitig unser Herz immer von Hass, Rachsucht und Vergeltungswünschen fernzuhalten. “Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.” Die Wahrheit ist die Erfüllung des Willens Gottes, denn alles, was der göttlichen Natur entspricht, ist wahr, und der Wille Gottes entspricht immer seiner Natur. Jesus Christus verglich die Nahrung mit dem fleißigen Bemühen, den Willen Gottes zu tun. Er sagte: “Meine Speise ist mein, damit ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat” (Joh 4,34). – Nach Gerechtigkeit hungern und dürsten bedeutet, die Speise sehnlichst zu begehren, von der der Heiland spricht, nämlich die Erfüllung des Willens Gottes in uns und in der ganzen Welt. Dieser Hunger und Durst kommen in der Bitte des Vaterunsers zum Ausdruck: “Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden”. Wenn wir den Willen Gottes tun, wird alles, was wir denken, fühlen und tun, richtig sein; nichts wird als verwerflich empfunden werden. Wenn alle den Willen Gottes täten, würde auf Erden die gleiche göttliche Harmonie herrschen wie im Himmel. Wenn wir wirklich nach der Wahrheit hungern und dürsten, dann soll sie sich in uns offenbaren, indem wir uns sorgfältig darum bemühen, uns von der Wahrheit zu nähren und unser ganzes inneres und äußeres Handeln in der Erfüllung unserer Pflichten gegenüber Gott und dem Nächsten mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen. Diese Nahrung wird unsere Seele stärken und sättigen. Wie wir uns gesund fühlen, wenn wir den Hunger unseres Fleisches mit Nahrung stillen, so fühlt sich die Seele gesegnet, wenn sie mit dem Willen Gottes oder mit der Wahrheit genährt wird. Nach den Worten des Psalmisten wird diese Sättigung mit Seligkeit erst dann vollkommen sein, wenn ” Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde.” (Psalm 17,15). Das Laster, das dem Durst nach Wahrheit entgegensteht, ist das Verharren in Ungerechtigkeit oder Sünde; es ist die Liebe zum Bösen. Leider ist es nur allzu wahr, dass der Mensch in diesen unglücklichen Zustand geraten kann, in dem ihm das Böse und die Ungerechtigkeit attraktiv erscheinen und er sich gegen den Willen Gottes auflehnt. Die Anhänger des Bösen, die wahren Mitarbeiter Satans, sind zu allen Zeiten zahlreich gewesen; man findet sie vor allem unter denen, die die Gnade Gottes zum Bösen ausgenützt haben. Ihr Herz verhärtet sich, ihr Sinn verdunkelt sich; sie werden so weit getrieben, dass sie “das Gute böse nennen und die Finsternis für Licht halten” (Jes 5); – ihre Seelen werden nach den Worten des heiligen Lukas zu einem Schatz des Bösen (Lk 6,45). “Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.” Mit diesem Gebot gebietet Jesus Christus die Vergebung der Schuld. “Er sagte: “Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist” (Lk 6,36). Paulus interpretiert diese Weisung so: “Bekleidet euch … mit dem Gewand der Großzügigkeit, der Freundlichkeit, der Demut, der Sanftmut und der Geduld. Nehmt einander an und vergebt einander, wie auch Christus euch vergeben hat” (Kolosser 3,12.13). Bei der Erläuterung der Vaterunser-Bitte gegen jemanden, der Groll hegt, haben wir bereits festgestellt, dass Gott uns nur dann vergibt, wenn wir uns selbst vergeben. “Selig sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.” Die Reinheit des Herzens ist die vollkommene Harmonie zwischen Gefühl und Güte, die aufrichtige Verwirklichung der Tugenden, die wir üben sollen. Der vollkommene Christ ist der, der ein reines Herz hat, denn nach den Worten des Apostels Paulus hat der wahre Christ ein reines Herz (Eph 1,18). Daher kann er Gott leichter schauen, zuerst im gegenwärtigen Leben, in allen Geschöpfen, durch die er sich offenbart, und dann von Angesicht zu Angesicht und ohne Verhüllung im seligen Leben. Da Gott die Wahrheit und das wesentliche Gut ist, ist Er für unseren Geist und unser Herz das, was die Sonne für die Natur ist. Wie eine Wolke die Sonne verdunkelt und die Erde ihrer segensreichen Strahlen beraubt, so stellt sich die Sünde zwischen Gott und unsere Seele und beraubt sie des Lichtes und des Lebens. Wenn die Sünde nicht in uns ist, wird unser Geist vom göttlichen Licht erleuchtet und unsere Seele ist wie ein klarer Tag. Gott ist sozusagen in uns gegenwärtig, wärmt uns, erleuchtet uns und befähigt uns, reiche Frucht zu bringen. So verschmilzt das Gute mit dem Herzen, das rein wird von aller Heuchelei, von aller Verblendung, von allem Bösen; es enthält dann Gott, sieht und fühlt ihn. Daraus erwächst unaussprechliche Seligkeit auch in diesem Leben. Das Herz, das so mit Gott vereint ist, wird von all seinen verunreinigenden, lüsternen und gesetzlosen Neigungen befreit. “Schaffe in mir ein reines Herz“, ruft der Psalmist zu Gott, “und erneuere den Geist der Gerechtigkeit in meinem Schoß.” (Ps. 50). Diese durch die Gnade geschenkte Veranlagung offenbart uns Gott nach den Worten des Heilandes: – “Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen… Wer meine Gebote hält... den will ich lieben und ihm selbst erscheinen (Johannes 8,31.32; 9,21). – Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart.” (Lukas 10,21). “Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.” Friedensstifter sind diejenigen, die den Frieden lieben, die sich bemühen, ihn mit allen zu erhalten, und die sich bemühen, ihn wiederherzustellen, wenn er zerbrochen ist. “Wir können keine Friedensstifter sein”, sagt der heilige Gregor von Nyssa, “wenn wir uns nicht bemühen, den Frieden unter unseren Nächsten zu erhalten und wiederherzustellen. Dazu müssen wir aber zuerst in uns selbst Frieden haben. “Was nützt es dir”, schreibt der selige Hieronymus, “anderen Frieden zu bringen, wenn du in dir selbst Laster gegen dich hast” (Hieronymus, Über die Eucharistie des heiligen Matthäus, Buch 50). Nach Jakobus ist diese innere Feindschaft die Quelle der äußeren Zwietracht. – Woher kommt Streit, woher Krieg unter euch?”, schreibt er, “Kommt’s nicht daher: aus euren Gelüsten, die da streiten in euren Gliedern?” (Jak 4,1) Darum sagt hl. Ambrosius: “Habt zuerst Frieden mit euch selbst, damit ihr, wenn ihr den Frieden in euch habt, ihn auch anderen bringen könnt.” (Ambrosius, Über die Eucharistie nach Lukas, Kap. 5). Es gibt zwei Arten von Frieden: den Frieden Jesu Christi und den Frieden der Menschen. “Den Frieden hinterlasse ich euch”, sagte der Heiland zu seinen Jüngern, “meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch” (Joh 14,27). Der christliche Friede ist echt; er beruht auf dem Frieden mit Gott und mit sich selbst, durch den Sieg über die Laster. Der Friede der Menschen1 scheint nur eine Form des Friedens zu sein; er beruht auf Parteilichkeit, auf Verstellung, auf Heuchelei. Friedensstifter im christlichen Sinn zu sein, bedeutet, entschlossen gegen alles Böse zu kämpfen; denn nur ein solcher Kampf kann Frieden mit Gott bringen. Wer dagegen aus menschlichen Gründen Laster und Irrtum duldet, sucht nicht den christlichen, sondern nur den heuchlerischen Frieden; er ist nur in dem von Jesus Christus verurteilten Sinn ein Friedensstifter. So segensreich der christliche Friede ist, der seinen Ursprung in der Wahrheit hat, so viel gefährlicher ist der menschliche Friede, der auf verbrecherischer Nachsicht beruht; hinter ihm verbirgt sich der Abgrund der Heuchelei und der Gleichgültigkeit. Deshalb ist er kein Friede, sondern nur eine geistige Erstarrung. Der Friedensstifter, dem es um den göttlichen oder christlichen Frieden geht, kämpft gegen alle Irrtümer, Laster und weltlichen Vorteile, und je mehr er sein Ziel erreichen will, desto mutiger muß er in diesem Kampf sein. In diesem Sinne sagte Jesus Christus: “Denkt nicht, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert” (Matthäus 10,34). Er hat das Schwert gegen eine falsche, weltliche Welt erhoben, und der Christ, der seinem Beispiel folgt, ist ein wahrer Friedensstifter, der mutig für den Frieden Gottes kämpft, den einzigen Frieden, den Jesus Christus in sich hatte. Die Laster, die der christlichen Frieden entgegenstehen, sind: die Nachgiebigkeit gegenüber dem Bösen und dem Irrtum; die Verstellung und die Heuchelei, die die wahren Ursprünge der menschlichen Frieden sind; schließlich die Gleichgültigkeit. “Selig sind, die um die Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.” Dieses Gebot ist eine Folge des vorhergehenden. Wenn wir gegen das Böse und den Irrtum bekämpfen, um den Frieden Gottes aufzurichten, setzen wir uns der Verfolgung um der Wahrheit willen aus. Sollte eine solche Gefahr den wahren Christen abschrecken? Nein – der Heiland warnt ihn, dass er, wenn er Verfolgung um der Wahrheit willen erduldet, das Himmelreich und damit die Seligkeit empfangen wird. “Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verachten, Und sie werden jedes böse Wort gegen euch sagen, die um meinetwillen lügen. Freut euch und seid fröhlich, denn euer Lohn ist groß im Himmel; denn so wurden die Propheten, die vor euch waren, verstoßen.” Wenn der Kampf für die Wahrheit dem wahren Christen Schande, Verfolgung und Eide bringt, so soll er sich darüber freuen. Je mehr er erträgt, desto größer ist der Lohn, der ihn im Himmel erwartet. Jesus Christus erinnert uns an die Propheten, die in dieser Welt Verfolgung und Tod erlitten haben als Vergeltung für die Botschaft, die sie im Namen Gottes verkündeten. Die weltliche Feigheit wird umso schärfer verurteilt, je höher der Heiland den christlichen Mut erhebt. *** Es erübrigt sich, auf die Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen im Blick auf die evangelische Weiterentwicklung der alttestamentlichen Gebote durch Jesus Christus hinzuweisen. Die Wahrheiten, die in den neun Geboten der Seligpreisungen enthalten sind, werden von allen Christen anerkannt. Bestimmte Ausleger, die Rationalisten, haben die christliche Lehre nicht verstanden und sich bemüht, sie auf möglichst falsche Weise darzustellen. Es ist nicht unsere Aufgabe, ihre Systeme zu zerlegen. Wir sind nur verpflichtet, den wahren Sinn der Worte des Erlösers so genau wiederzugeben, wie er von denen, die die Ehre hatten, seine Jünger zu sein, immer verstanden wurde.Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen in Bezug auf die Grundprinzipien der christlichen Morallehre
II. Über die göttlichen Gebote (Gesetze)
Das erste Gebot
Über den Glauben
Hoffnung
Liebe
Gottesdienst
Der private Gottesdienst besteht vor allem im Gebet, der öffentliche Gottesdienst in den Riten, die mit der Spendung der heiligen Sakramente verbunden sind, und insbesondere in der göttlichen Liturgie, die im vierten Teil dieses Buches beschrieben wird.
Was das Gebet betrifft, so hat uns Jesus Christus mit den folgenden Worten das Vorbild für alle Gebete gegeben, die wir vor Gott bringen können (Mt 6,9ff).
“Vater unser, der Du bist im Himmel. Geheiligt werde dein Name; Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern; Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.”
Dieses Gebet – Das Gebet des Herrn – enthält Anrufungen und sieben Bitten.
Anrufung
Beide sind also nur Symbole der väterlichen Würde, die ganz und gar in dem einen Gott besteht, weil er der einzige Schöpfer alles Seienden ist.
Mit dem Wort “unser”, das der Heiland allen seinen Jüngern in den Mund legt, erinnert er sie daran, dass das ganze Menschengeschlecht, das Er erlöst hat, in den Augen Gottes eine einzige Familie ist. Allen, die das fleischgewordene Wort aufgenommen haben, hat Er die Möglichkeit gegeben, Kinder Gottes zu werden (Joh 1,12).
Nach den Worten “Vater unser” fügte Jesus Christus hinzu: “der Du bist im Himmel”, um uns daran zu erinnern, dass die Kinder Gottes “nicht vom Blut, nicht von der Begierde des Fleisches, nicht von der Begierde des Mannes, sondern von Gott geboren sind” (Joh 1,13. 1,13); dass sie ihre Hoffnung nicht auf diese Welt beschränken sollen; dass sie sich auf Erden nur in einem Übergangszustand befinden; dass sie ihren Ursprung im Himmel haben, wo ihr Vater wohnt, d.h. in der höchsten Region der Seligkeit und Unsterblichkeit. Die Erste Petition (Bitte)
Und so bitten wir Gott in der ersten Bitte um die Gnade zur Erfüllung des Bundes des Herrn, der da lautet: “Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist” (Mt 5,48), und im dritten Gebot des Alten Testaments:-“Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Den Namen Gottes zu heiligen bedeutet in der Tat, ihm die gebührende Ehre und Anbetung zu erweisen, ihn niemals zum Bösen zu missbrauchen, sondern ihn stets durch unser Denken, Fühlen, Reden und Handeln zu verherrlichen.
Die erste Bitte ist somit Ausdruck des christlichen Glaubens, der christlichen Hoffnung und der christlichen Liebe. Die Zweite Petition
Mit den Worten des Apostels Paulus: “Das Reich Gottes ist Wahrheit und Friede und Freude im Heiligen Geist” (Röm 14,17). Mit der Bitte “es komme” drücken wir den Wunsch aus, dass alle Menschen in der Wahrheit leben, dass Friede unter ihnen herrsche, dass sie in der Tiefe ihres Herzens jene göttliche Freude genießen, jene Glückseligkeit, die ein reines Gewissen unter dem Einfluss des Heiligen Geistes mit sich bringt. Das ist das wahre Reich Gottes, das nicht außen ist, sondern in uns wohnt. (Lk 17,20.21).
Da das Reich Gottes erst in der kommenden Welt endgültig vollendet sein wird, sind die Worte „Dein Reich komme“ Ausdruck der Hoffnung und Sehnsucht nach dem Tag, an dem wir, befreit von den Fesseln des sterblichen und vergänglichen Leibes, mit Jesus Christus in der ewigen Gegenwart Gottes wahrhaft selig sein werden.
Indem wir den Willen Gottes als das einzige Gesetz anerkennen, bekennen wir unseren Glauben; indem wir zum Himmel aufschauen, wo der Wille Gottes herrscht, und den Himmel als Vorbild für die irdische Ordnung nehmen, bekennen wir unsere Hoffnung; indem wir aufrichtig wünschen und fördern, dass das ganze Menschengeschlecht die Bewohner des Himmels nachahmt, bekennen wir unsere Liebe. Die Vierte Petition
Wenn Gott uns manchmal mehr schickt, als wir brauchen, dann nicht, damit wir den Überschuss zum Bösen verwenden, sondern damit wir ihn treu für unsere Brüder verwalten und uns als Vermittler zwischen ihnen und der Vorsehung verstehen. “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jeder Speise, die aus dem Munde Gottes kommt” (Mt 4,4).
Der Mensch besteht aus zwei Naturen, der leiblichen und der geistlichen; das Wort Gottes ist das Brot der Seele; wie das Materielle für das Leben des Leibes notwendig ist, so ist das Wort Gottes für die Seele notwendig, und wir müssen Gott um das tägliche Brot für die Seele und für den Leib bitten.
Neben dem Wort Gottes gibt es noch ein anderes tägliches Brot für die Seele, die heilige Eucharistie, die Seele und Leib belebt, indem sie der Seele Jesus Christus, das Brot des Lebens, mitteilt und den Leib, der das Mittel dieser göttlichen Mitteilung ist, heiligt.
Wir müssen jeden Tag zu Gott beten, dass er uns würdig macht, dieses Brot des Lebens zu essen, wenn auch nicht jeden Tag in Wirklichkeit, so doch in der Sehnsucht danach. Die fünfte Petition
Darum müssen wir täglich im Glauben anerkennen, dass Gott ein Recht auf unser ganzes Dasein hat, hoffnungsvoll von ihm den gnädigen Erlass unserer Schuld erwarten und liebevoll in uns den Entschluss zur Umkehr erneuern.
Doch Jesus Christus hat uns gelehrt, dass Gott nur dann barmherzig zu uns sein wird, wenn wir selbst barmherzig zu anderen sind. Alle Menschen sind durch gegenseitige Rechte und Pflichten miteinander verbunden. Aber allzu oft wollen wir die Rechte über die Pflichten stellen, indem wir unsere Rechte übertreiben und unsere Pflichten vernachlässigen; so entsteht Feindschaft, aus der Unordnung mit all ihren bitteren Folgen erwächst.
Indem wir unserem Nächsten vergeben, schenken wir ihm die Liebe, die das Gesetz der Vollkommenheit ist; wir hoffen auf die Barmherzigkeit Gottes, durch die uns unsere eigenen Sünden vergeben werden; und der Glaube weist uns in jedem Nächsten auf Jesus Christus selbst hin, der gesagt hat, dass Er jedes Werk der Nächstenliebe anrechnet, als wäre es für Ihn getan worden. Die Sechste Petition
Die siebte Petition
Das zweite Gebot
Das dritte Gebot
Gott ist die Wahrheit, und wir beleidigen ihn, wenn wir ihn als Zeugen anrufen, um eine Lüge zu beweisen. Der Meineid ist eine der schwersten Sünden, weil er das Wesen Gottes angreift und seine Existenz leugnet. Gotteslästerung ist eine Beleidigung Gottes selbst. Deshalb sollte sie nie über die Lippen eines vernünftigen Menschen kommen, schon gar nicht über die eines Christen. Viertes Gebot
Nach dem mosaischen Gesetz war der letzte Tag der Woche, der Sabbat (Samstag), der Ruhetag; nach dem neutestamentlichen Gesetz ist der erste Tag, der Sonntag, heilig zu halten zum Gedächtnis der Auferstehung Jesu Christi, durch die das große Werk der Heiligung des Menschen vollbracht wurde.
Diese Änderung vollzog sich mit den Aposteln; aus der Apostelgeschichte (20,7) geht hervor, dass die ersten Christen sich mit den Aposteln am ersten Tag der Woche zum Brotbrechen, d.h. zur Heiligen Eucharistie, versammelten. Von da an nannten sie diesen Tag den Tag der Auferstehung, den Tag des Herrn (Apg 1,10).
Neben der Ruhe am siebten Tag setzte Gott im Alten Testament Feste ein, um der Ereignisse zu gedenken, an denen er seine Macht am deutlichsten gezeigt hatte, sowie Bußtage, an denen sein Volk für begangene Übertretungen büßen konnte.
In Übereinstimmung mit diesen Anweisungen Gottes hat die orthodoxe Kirche Feste und Bußtage festgelegt, die von allen Gläubigen heilig gehalten werden sollen, so wie sie auch den Sonntag heilig halten.
Zur Heiligung der Sonn- und Feiertage sollen wir: 1. der Liturgie und anderen öffentlichen Gottesdiensten beiwohnen; 2. uns privat im Gebet und in der Lektüre seelenheilsamer Bücher, besonders der Heiligen Schrift, üben; 3. Almosen geben und andere Werke der Nächstenliebe tun.
Wie man gegen das Gesetz Gottes und der Kirche sündigt, wenn man den siebten Tag der Woche und die gebotenen Feste nicht heiligt, so sündigt man auch gegen das göttliche Gesetz, wenn man die übrigen Tage in Muße verbringt. Denn an den Werktagen ist die Arbeit für alle verpflichtend, während die Ruhetage von allen geheiligt werden sollen. Jeder soll also nach der Stellung arbeiten, in die ihn die Vorsehung gestellt hat, und seine Arbeit heiligen durch die tägliche und beständige Bereitschaft, den Willen Gottes zu tun. Fünftes Gebot
Mit dem Gebot, die Eltern zu ehren, beginnt Gott die zweite Gebotsordnung, die Pflichten gegenüber dem Nächsten, damit wir begreifen, dass die Familie den ersten Platz in unserem Herzen einnehmen soll und dass sie nach den Pflichten, die wir Gott gegenüber haben, unsere erste Pflicht ist.
Im alttestamentlichen Gesetz belohnte der Herr diejenigen mit einem langen Leben, die ihre Pflichten gegenüber ihren Eltern erfüllten (1. Mose 37); diejenigen, die sie verletzten, bestrafte er mit dem Tod (2. Mose 21,16).
Im neutestamentlichen Gesetz belohnt und bestraft Gott in der Regel nur geistlich. Demnach sind diejenigen, die ihre Pflichten gegenüber ihren Eltern nicht erfüllen, des geistlichen Todes oder der ewigen Verdammnis würdig; diejenigen aber, die sie erfüllen, werden mit einem ewigen und gesegneten Leben belohnt; Gott wird sie segnen und ihnen die Gnade senden, weitere Pflichten zu erfüllen. Das sechste Gebot
Gott allein hat die Macht über Leben und Tod des Menschen. Da Er jedoch die Ordnung als Grundlage der menschlichen Gesellschaft geschaffen hat, hat Er den rechtmäßigen Autoritäten das Recht gegeben, die grundlegenden Gesetze der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Daher sollte die Todesstrafe, die für bestimmte Verbrechen wie Mord verhängt wird, wenn die Grundlagen der sozialen Ordnung verletzt werden, nicht als Strafe für die Tötung eines Menschen anerkannt werden, die Gott verboten hat.
Es ist auch kein Mord, wenn man den Tod herbeiführt, um sich selbst, das Vaterland, die Familie oder den Nächsten im allgemeinen gegen einen ungerechten Angriff zu verteidigen. Wir würden uns vielmehr der Beihilfe zum Mord schuldig machen, wenn wir aus Feigheit dem Bedrohten nicht zu Hilfe kämen, weil wir das Verbrechen begünstigen würden.
Wer einem Angreifer in gerechter Verteidigung den Tod zufügt, macht sich nicht des Mordes schuldig; der Tod kann als gerechte Strafe für eine Tat angesehen werden, gegen die es uns freisteht, uns und andere zu verteidigen.
Der Selbstmord ist ein wirklicher Kapitalmord, weil wir über unser eigenes Leben genauso verfügen können wie über das Leben eines anderen Menschen. Nur der Gott, der das Leben gegeben hat, kann es wieder nehmen.
Eine Schlägerei verstößt gegen das sechste Gebot; sie gefährdet das eigene Leben und verletzt das Leben des Nächsten. Ebenso verbrecherisch ist es, bei einer Schlägerei den Tod eines Menschen herbeizuführen. Das siebte Gebot
Das achte Gebot
Das Eigentum wird damit zu einem der Grundprinzipien der menschlichen Gesellschaft, und jeder Versuch, es zu verletzen, ist eine Straftat.
Ein Verstoß gegen dieses Gebot besteht nicht nur im Diebstahl, d.h. in der gewaltsamen oder listigen Wegnahme fremder Sachen, sondern auch darin, einem anderen durch List, Betrug, Täuschung über die Gesamtheit oder die Beschaffenheit von Geld und Gütern, absichtliche Nichtzahlung von Schulden, unredliche Ausübung eines Amtes, für das man eine Vergütung erhält, usw., Schaden zuzufügen. Schaden zufügen. Darunter fallen auch die außergewöhnliche Erhöhung der Preise bestimmter Güter, die Ausnutzung einer öffentlichen Katastrophe und alle Arten von unehrenhaften Tricks, um sich auf Kosten anderer zu bereichern.
Kurz gesagt, alles, was das Eigentum eines anderen in irgendeiner Weise schädigt, ist nach Gottes Gesetz verboten. Das neunte Gebot
Das zehnte Gebot
Man soll nicht die Frau seines Nächsten begehren, d.h. ehebrecherische Gedanken und Gefühle sind verboten.
Man soll nicht begehren, was dem Nächsten gehört, d.h. man soll nicht versuchen, es mit unrechtmäßigen Mitteln zu erwerben.Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen in Bezug auf die Gebote Gottes.
Diese Einteilung ist willkürlich, und es ist nicht ersichtlich, worauf die römische Kirche die Zweiteilung des zehnten Gebotes gründet. Nach diesem Gesetz Gottes umfassen nicht drei, sondern vier Gebote unsere Pflichten gegenüber Gott, und nicht sieben, sondern sechs Gebote unsere Pflichten gegenüber dem Nächsten.
Die orthodoxe Ostkirche hat diese Botschaft Gottes an Mose heilig bewahrt. III. Die Entwicklung des Gesetzes Gottes im Evangelium
Das erste Gebot der Seligpreisungen
Das zweite Gebot der Seligpreisungen
Wie es in der Wirklichkeit der Armut Begehrlichkeiten geben kann und Reiche arm im Geiste sein können, so kann es auch vorkommen, dass Menschen, die von Leiden geplagt sind, all ihre Begierden auf weltliche Vergnügungen richten, während andere inmitten von Vergnügungen aller Art nicht mit dem Herzen daran hängen.
Das zweite Gebot der Seligpreisungen bezieht sich wie alle anderen hauptsächlich auf die Gefühle des Herzens; Jesus Christus verurteilt darin nicht die erlaubten und unschuldigen Vergnügungen, dabei billigt Er auch nicht die Verzweiflung im Leiden. Er lehrt nur, dass die Vergnügungen an sich, ebenso wie der Reichtum, ein Hindernis für die christliche Vollkommenheit sein können; dass es schwieriger ist, inmitten von Vergnügungen gerettet zu werden als inmitten von Leiden. In der Tat ist es für das Herz leichter, sich von der Welt zu lösen, wenn die Vergnügungen es nicht von den Dingen des Himmels ablenken und die Erde nicht als Ort des Vergnügens erscheinen lassen.
Deshalb sind die Trauernden in diesem Leben gesegnet, denn sie sind bereits getröstet und durch die Prüfungen gestärkt. So rühmte der heilige Paulus, der in seinen Leiden verzweifelt war, den inneren Trost, der ihm durch die Gnade Gottes zuteilwurde (2 Kor 7,5.6.7). Vor allem aber verwies der Heiland auf den ewigen Trost, der denen bereitet ist, die auf Erden im Geist der Buße leben. Auf sie beziehen sich die Worte: “Guter, guter und treuer Knecht … nimm teil an der Freude deines Herrn” (Mt 25,21). Dann wird sich “die Traurigkeit in Freude verwandeln … und niemand wird euch die Freude nehmen” (Joh 16,20.22).
Das Laster, das dem zweiten Gebot der Seligpreisungen entgegensteht, ist die ungezügelte Leidenschaft für weltliche Vergnügungen oder die Eitelkeit. Das dritte Gebot der Seligpreisungen
Durch die Sanftmut des Geistes erheben wir uns über alles Irdische, überwinden alles Irdische, besitzen es und herrschen darüber, ohne uns der Herrschaft des Irdischen zu unterwerfen. Darum sagte Jesus Christus, dass diejenigen, die diese Tugend üben, die Erde erben und gesegnet sein werden. Denn wenn die irdischen Verhältnisse die Ruhe unserer Seele stören, verursachen sie uns Leiden und Störungen, die alle unsere Gedanken und gleichsam unser ganzes Dasein verzehren. Das vierte Gebot der Seligpreisungen
Die Seligkeit, ein reines Gewissen zu haben, wird in diesem Leben erfahren, aber sie wird erst im kommenden Leben vollständig sein, denn nur dort wird der Wille Gottes immer geschehen, ohne von der Natur daran gehindert zu werden. Diese Glückseligkeit hatte der Psalmist vor Augen, als er ausrief: “Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes / und dein Recht wie die große Tiefe… dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.” (Psalm 36). Das fünfte Gebot der Seligpreisungen
Wenn wir von Gott die Vergebung unserer Sünden empfangen, werden wir durch unser geistliches Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit schon in diesem Leben gesegnet, besonders in der zukünftigen Welt, in der unsere Sünden, wenn wir barmherzig zu unseren Nächsten gewesen sind, weiß werden wie Schnee, und wenn sie wie Scharlach waren, werden sie weiß wie eine Welle (Jesaja 1,18). Das Laster, das der Barmherzigkeit entgegensteht, ist der Hass, der sich in Rache, Neid und Vergeltung äußert.
Dieses Laster beraubt uns des Glücks in diesem Leben durch die große Unruhe, die es hervorruft; es wird uns auch der ewigen Seligkeit berauben, denn Gott wird mit dem bösen und rachsüchtigen Menschen so verfahren, wie er selbst mit den anderen verfahren ist.
Wie der Hass den Menschen dazu treibt, seinem Nächsten Schaden zuzufügen, so treibt ihn die Liebe dazu, alles Gute zu tun, geistig und materiell. Das sechste Gebot der Seligpreisungen
Das siebte Gebot der Seligpreisungen
Jesus Christus war ein Friedensstifter, als er die Händler, die im Tempel Handel trieben, mit der Geißel vertrieb; aber der Pharisäer, der den frevelhaften Handel billigte, war nur gleichgültig gegenüber der Ehre, die dem Tempel erwiesen werden sollte.
Frieden, im weitesten Sinne verstanden, ist die Folge der gegenseitigen Achtung von Rechten und Pflichten. Frieden zu wollen bedeutet, dafür zu sorgen, dass alle Rechte geachtet und alle Pflichten erfüllt werden; es bedeutet, für die Errichtung einer Weltordnung zu sorgen. Da der Ursprung der Ordnung Gott selbst ist, die Quelle alles Guten und Gerechten, ist derjenige, der sich um ihre Errichtung kümmert, ein Kind Gottes.
Deshalb hat Jesus Christus gesagt, dass diejenigen, die Frieden stiften, Söhne Gottes genannt werden. Das achte Gebot der Seligpreisungen
Man darf nicht vergessen, dass ein aufrichtiger und wahrhaftiger Mensch, der in seinem Kampf gegen die Unwahrheit nur von übernatürlichen Motiven beseelt ist, auch in dieser Welt glücklich sein kann, selbst wenn er sich sein Leben lang in einer Situation befindet, die denen unerträglich erscheint, die nur den Eigennutz und das Vergnügen im Sinn haben. Das Glück besteht mehr in der inneren Überzeugung der Pflicht als im Genuss dessen, was die Welt Vergnügen nennt. Als Folge dieses Bewußtseins hat derjenige, der für die Gerechtigkeit eintritt, das Reich Gottes bereits in sich. Er ist glücklich in dieser Welt, und Gott wird ihn im zukünftigen Leben umso mehr belohnen, je härter er in diesem Leben gekämpft hat.
Das Laster, das das achte Gebot des Erlösers verurteilt, ist die Feigheit, die uns daran hindert, gegen das Unrecht zu kämpfen, und uns dazu verleitet, die falsche Ruhe dem Kampf für die Wahrheit vorzuziehen. Das neunte Gebot der Seligpreisungen
Derjenige, der sich für die Wahrheit, die Gerechtigkeit und das Gute opfert, ist der Nachfolger der Propheten des Alten Testaments. Er wird in diesem Leben das gleiche Schicksal erleiden wie sie, und er wird auch den gleichen Lohn in der Ewigkeit erhalten, einen außergewöhnlichen Lohn, eine strahlende Krone des Himmels für die Leiden, die er ertragen hat.
Als Jesus Christus am Kreuz starb, lehrte Er seine Jünger, dass es besser sei, den Märtyrertod zu erleiden, als sich der Ungerechtigkeit hinzugeben. Der Mut eines wahren Christen sollte den Tod für Gott und den Glauben nicht fürchten.
Dritter Teil.
Die Deanery (Blagochinnye oder Frömmigkeitsordnung) der orthodoxen Kirche.
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Quelle der Gesetze der Deanery (Blagochinnye).
Die Regeln der kirchlichen Deanery bestehen aus der Gesamtheit der Gesetze oder Kanones, die seit der Gründung der Kirche von den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen, unter der Eingebung des göttlichen Geistes zur Bewahrung des Glaubens, der Sitten und Gebote Jesu Christi aufgestellt wurden.
Die Apostel gaben den ersten Bischöfen einige Regeln für die Leitung der Kirche. Diese Regeln, die zunächst überliefert wurden, wurden im dritten Jahrhundert schriftlich niedergelegt. Sie erhielten den Namen Apostelregeln (Kanones). Die orthodoxe Kirche erkennt sie als eine der fünfundachtzig Regeln an, die die Grundlage ihrer Frömmigkeit bilden, lehnt jedoch das Werk mit dem Titel ” Vorschriften der Apostel” ab, weil es von Häretikern entstellt worden sei.
Es handelt sich um die Gesetzeswerke, die am Ende des siebten Jahrhunderts die Grundlage für die gute Ordnung (Deanery) der orthodoxen Kirche bildeten. Sie werden vom Konzil von Trullo [12] erwähnt, das in Konstantinopel einberufen wurde, um das Fünfte und das Sechste Ökumenische Konzil zu ergänzen, die sich nicht mit der Ausarbeitung von Regeln für den Gottesdienst befasst hatten. Nimmt man zu den oben genannten Denkmälern noch die Kanones des Konzils von Trullo und des Siebten Ökumenischen Konzils hinzu, so erhält man alle Bestimmungen, die noch heute den Kodex des kanonischen Rechts der orthodoxen Ostkirche bilden. Diese Dekrete haben ihre ganze Kraft bis heute bewahrt, und da sie die gute Ordnung (Dianery) der Kirche in den ersten sieben Jahrhunderten zum Ausdruck bringen, folgt daraus, dass die orthodoxe Kirche in Bezug darauf immer noch dieselbe ist, die sie in den ersten Zeiten war. Es ist kaum möglich, in ihrer Gesetzgebung einige unbedeutende Änderungen nachzuweisen, die die Substanz der Sache nicht berühren und zu denen sie durch die bloße Kraft der Umstände gezwungen war. Bereits zu Beginn des fünften Jahrhunderts wurde der Kanonische Codex verfasst, der alle Gesetze enthält, die von den ersten beiden ökumenischen Konzilien und den fünf lokalen Konzilien von Ancyra, Neocesarea, Gangra, Antiochia und Laodicea erlassen wurden. Im Jahr 451 bestätigte das Ökumenische Konzil von Chalcedon diesen Kodex. Das Konzil von Trullo ergänzte ihn. Dies sind die Quellen der Güte der orthodoxen Kirche, die hohe Wertschätzung verdienen. Aus den Akten des Konzils von Trullo geht hervor, dass die römische Kirche bereits im 7. Jahrhundert in vielen Bereichen vom allgemein anerkannten Anstand abzuweichen begann. In der Folgezeit entfernte sie sich immer mehr davon. Im sechsten Jahrhundert übersetzte der römische Mönch Dionysius der Kleine den Kanon aus dem Griechischen ins Lateinische. Er nahm in seine Übersetzung nur die ersten 50 Regeln der heiligen Apostel auf und fügte ihnen mehrere Dekrete oder Briefe der römischen Bischöfe von Syricius (398) bis Anastasius II (498) hinzu. Diese Sammlung blieb im Westen bis zum Ende des achten Jahrhunderts in Kraft. Dieses altkirchliche Regelwerk ist im Wesentlichen identisch mit der Gesetzgebung der Ostkirche. Doch ab dem neunten Jahrhundert verbreitete sich im Westen ein neues Gesetzbuch, die sogenannten falschen Dekrete (Dekretal), deren wichtigste Bestimmungen den angeblich kanonischen Episteln der römischen Bischöfe der ersten Jahrhunderte entlehnt waren. Auch wenn der Ursprung dieses Werkes nicht genau bekannt ist, so ist doch unübersehbar, dass seine Entstehungszeit mit der Etablierung der päpstlichen Autorität zusammenfällt, und es genügt, einen Blick auf diese Dekrete zu werfen, um festzustellen, dass alle darin enthaltenen Bestimmungen nur einem einzigen Zweck dienten: der Legitimierung der Ansprüche der römischen Bischöfe. Aufgrund der damaligen Unkenntnis über den Ursprung der Kirchen wurden diese Dokumente, die alle Merkmale einer Fälschung aufwiesen, als authentisch akzeptiert. So entstand im Westen das Vorurteil, dass die Autorität des Papstes bis in die apostolische Zeit zurückreiche und sich bis heute hält. Viele westliche Kirchen lehnten das neue Gesetzbuch ab und behielten das alte bei. Die französische oder gallikanische Kirche brachte ihre Ablehnung stärker zum Ausdruck als andere. Daher wurde das alte Gesetzbuch, das die französische Kirche beibehielt, Gallikanismus oder gallikanisches Recht genannt. Da die alten östlichen und westlichen Kirchengesetzbücher im Wesentlichen identisch sind, müssen ein orthodoxes Kirchenmitglied und ein Gallikaner in allen Fragen der kirchlichen Ordnung dieselben Regeln befolgen. In der Folge der falschen Dekrete wurden viele Sammlungen der alten Kanones angefertigt, wie die von Régimon, Burkargt und Yves von Chartres. Indem sich die Päpste an die falschen Dekrete hielten, wandten sie im Laufe der Zeit alle darin enthaltenen Dekrete an und verbreiteten sie. Damit erhoben sie den Anspruch auf Unfehlbarkeit und Alleinherrschaft in der Kirche. Auf diese Weise entfernten sie sich von Jahrhundert zu Jahrhundert immer mehr von der Güte der Kirche der ersten Jahrhunderte. Im 12. Jahrhundert gab der Benediktinermönch Gratian eine neue Kanonensammlung heraus, in der er die alten Kanones mit falschen Dekreten vermischte. Später kamen weitere Dekretsammlungen hinzu, wie die fünf Bücher des Raimundus Peñafor, die sechste oder Sexta, die von Bonifaz VIII. herausgegeben wurde, die Clementine und schließlich die Extravagantes, d.h. die Dekrete, die außerhalb des Dekretskodex wanderenden. Diese Sammlungen haben sich stark vermehrt und haben in der heutigen römischen Kirche alle anderen Kodizes und Monumente der Gesetzgebung verdrängt. In den Kirchen, die von der Orthodoxie abgefallen sind und sich vom Papst getrennt haben, ist die gute Ordnung (Dianery) so verworren, so voller Widersprüche und so vernachlässigt, dass es sich nicht lohnt, darüber zu sprechen. Diese Kirchen, die jede Verbindung mit der Tradition abgebrochen haben, die jede Autorität abgelehnt oder nur den Schatten einer Autorität hinterlassen haben, sind nicht in der Lage, eine Gesetzgebung aufrechtzuerhalten, die Respekt verdient. Sie sind in eine Art Mischzustand verfallen, in dem die zivilen Gesetze fast alle alten Kirchengesetze verändert oder ersetzt haben. Alle kirchlichen Gesetze haben als Objekt: 1. Die Ordnung der von Jesus Christus eingesetzten Regierung. 2. Die Bewahrung des Glaubens, der Moral und der rechtmäßigen Verwaltung der heiligen Sakramente. 3. die Bewahrung des wahren Gottesdienstes. Wenn wir die Kanones studieren, finden wir in ihnen die weisesten Vorschriften zu verschiedenen Themen, von denen die wichtigsten sind: Die niederen Stufen Kleriker oder der Klerus. 2. Bedingungen für die Definition des Glaubens. Verurteilung von Schismen und Häresien. 3. Kirchliche Teilung der Jahreszeit. Gottesdienst. In diesem Aufsatz können wir nur die wichtigsten Themen der kirchlichen Frömmigkeitsordnung erwähnen. Für Details müssen wir uns auf spezielle Werke zu diesem Thema und vor allem auf den Codex der Kanones selbst beziehen. Wir müssen erklären, dass wir bei den kirchlichen Vorschriften einen wesentlichen Unterschied machen zwischen solchen, die für alle jederzeit verbindlich sind, und solchen, die örtliche oder vorübergehende Bestimmungen enthalten. Letztere sind nicht für alle Kirchen verbindlich. Die ersteren sind dagegen überall zu beachten und bilden die Grundlage für die privaten Regelungen, die die Bischöfe für die gute Verwaltung der ihnen anvertrauten Kirchen treffen können. Wir müssen uns hier auf eine Darstellung der kirchlichen Frömmigkeitsordnung beschränken, und zwar nur in ihren wichtigsten Zügen; dennoch ist es notwendig, einen Überblick über die kirchliche Leitung zu geben, zumal die im Westen darüber verbreiteten falschen Informationen die gesamte Ordnung in der römischen Kirche und in anderen christlichen Gesellschaften entstellen. Diese kirchliche Ordnung wurde zunächst sozusagen durch die Macht der Verhältnisse geschaffen. Der Bischof einer großen Stadt hatte natürlich mehr Einfluss als der Bischof einer kleinen Stadt. Aus den Akten des ersten ökumenischen Konzils von Nizäa geht hervor, dass der Bischof von Rom seit Beginn des vierten Jahrhunderts aufgrund eines alten Brauchs eine gewisse Autorität über die Bischöfe der an diese Hauptstadt angrenzenden Städte besaß; die Autorität des Bischofs von Alexandria erstreckte sich auf alle Bischöfe Ägyptens und Libyens. Andere Bischöfe, die in den wichtigsten Diözesanstädten des Römischen Reiches residierten, erhielten die gleiche oberste Autorität in ihren Diözesen mit dem Titel Exarch oder Primas, je nach der Bedeutung der Städte, in denen sie Bischöfe waren. Die Rechte aller Bischöfe, die sich aus ihrer Weihe ergeben, sind vollkommen gleich. Aber die Vorrechte der Ehre und der Autorität, die nicht von Gott, sondern von der Kirche eingesetzt sind, müssen von den Kanones bestimmt werden, auf denen sie beruhen. So können die Privilegien der Patriarchen, Exarchen, Primaten und Metropoliten nicht über die Grenzen hinausgehen, die ihnen die Konzilien gesetzt haben. Den Vorsitz in den Konzilien führen von Rechts wegen die Patriarchen in der hierarchischen Reihenfolge ihrer Throne und in ihrer Abwesenheit einer oder mehrere der ranghöchsten Bischöfe. Wenn die Beschlüsse eines Konzils von der ganzen Kirche angenommen werden, erhalten sie die Kraft ökumenischer Dekrete und werden zu allgemeinen Gesetzen. Hat das Konzil nur lokale Bedeutung, sind seine Beschlüsse nur für die Kirchen verbindlich, die auf dem Konzil vertreten waren. Deshalb spricht in der orthodoxen Kirchenleitung alles dafür, das gemeinsame Handeln der Bischöfe beizubehalten, die kathedrale oder kumulative Ausübung der Autorität zu bewahren und die autokratische Ordnung eines Bischofs auf Kosten des gemeinsamen Rechts zu bekämpfen. In der römischen Kirche ist das Gegenteil der Fall: Alles fördert die Zerstörung des gemeinsamen Handelns zugunsten der Herrschaft eines einzigen Bischofs, eines autokratischen Herrschers, der alle Macht der Kirche auf sich konzentriert. II. Inhalt der Dianery (Pfründe, Dekanat)
oder der kirchlichen Frömmigkeitsordnung.
Die Wahl des Klerus.
Die Tugenden, in denen sie sich üben sollten.
Die Laster, die sie meiden sollten.
Der Rang der Kirche und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Institutionen.
Die Kathedralen.
Kirchliche Gerichtsverfahren.
Das Mönchtum.
Kirchliche Strafen (Epetimie).
Regeln für die rechtmäßige Spendung der sieben heiligen Sakramente.
Feiertage.
Fastenzeit.
Kirchen und ihre Einweihung.
Throne
Zum Gottesdienst benötigte Gegenstände. III. Leitung der Kirche
Der Herr Jesus Christus hat zur Leitung der Kirche das Priestertum eingesetzt, das seit der Zeit der Apostel in drei Stufen gegliedert ist: Bischöfe, Presbyter, Diakone. Die Bischöfe sind an die Stelle der Apostel getreten. Wie das Apostelamt eins war und allen Aposteln dieselbe Vollmacht zukam, so ist auch das Bischofsamt eins, das allen Bischöfen kumulativ und gegenseitig verbindlich zukommt.
Dies ist die Lehre der Kirchenväter und insbesondere des heiligen Cyprian in seinem “Traktat über die Einheit.”
Ein einziges Bistum, das die ganze Kirche nach einer gemeinsamen Ordnung regiert und von Priestern und Diakonen unterstützt wird, ist die göttliche Einrichtung und die von Jesus Christus selbst geschaffene Regierungsform. Von diesem Gedanken beseelt, hat die Kirche in der Person ihrer Bischöfe danach gestrebt, deren allgemeines Wirken in der Leitung der christlichen Gesellschaft durch untergeordnete Einrichtungen zu erleichtern und zu sichern. So kam es zur Ordination nach kirchlicher Regel, die sie in Verbindung mit der Ordination nach göttlicher Leitung einführte.
Die Bischöfe der drei Hauptstädte des Römischen Reiches, Rom, Alexandria und Antiochia, galten als die ersten Bischöfe der Kirche und erhielten die Leitungsgewalt über bestimmte Gebiete; später kam der Bischof von Jerusalem hinzu, weil mit dieser heiligen Stadt viele Erinnerungen verbunden waren. Diese vier Bischöfe nannte man Patriarchen.
Als Konstantin der Große Byzanz in Konstantinopel umbenannte, erhielt auch der Bischof dieser Stadt den Titel eines Patriarchen und nahm unter ihnen den zweiten Platz ein, da Konstantinopel die zweite Hauptstadt der Welt geworden war.
Seit dieser Zeit standen fünf Patriarchen an der Spitze des Bistums.
Die Diözesen des Römischen Reiches waren in Regionen eingeteilt, an deren Spitze Städte standen, die Metropolen genannt wurden; die Bischöfe dieser Städte wurden Erzbischöfe oder Metropoliten genannt.
Die Bischöfe der von den Metropolen abhängigen Städte, die Parinia, wurden einfach Bischöfe genannt.
In der orthodoxen Kirche gibt es diese Institution noch heute. Die einzelnen Bischofskonvente in den Metropolen bildeten die Diözesanräte. Die Versammlungen der Bischöfe einer Region oder eines Patriarchats bilden die regionalen Räte. Die Vollversammlung der Bischöfe aller Patriarchate bildet den Ökumenischen Rat.
Auf diese Weise handeln die Bischöfe gemeinsam; jeder Bischof hat Anteil an der allgemeinen Leitung der Kirche. Die Autorität ist hier im Wesentlichen kathedral oder kollektiv; die Einheit ergibt sich jedoch aus dem gemeinsamen und geeinten Handeln der Bischöfe.
Die Kanones verleihen dem römischen Patriarchen keinen höheren und ausschließlichen Vorrang vor den anderen Patriarchen, und er hat daher nicht den geringsten Anspruch auf den Titel des Oberhauptes der Kirche, den er sich selbst willkürlich verleiht, oder auf irgendeinen Vorrang der Autorität. Noch weniger kann er sich diese Vorrechte durch göttliches Recht aneignen. Nach dem Kanon war er nur der erste der fünf Patriarchen. Als er sich von der Kirche trennte, verlor er seine Rechte, und der Bischof von Konstantinopel, der als zweiter Patriarch galt, wurde zum ersten Oberhirten der wahren Kirche.
Dieser sehr ehrenvolle Titel verleiht ihm keine Autorität über die Kirchen, die von seinem Patriarchat unabhängig sind. Jede Ortskirche wird von ihren eigenen Bischöfen geleitet, und wenn eine Frage auftaucht, die die ganze Kirche betrifft, ist es Sache der Bischöfe, gemeinsam zu handeln, die dringende Gründe haben, ihre Mitbischöfe um Hilfe zu bitten, um die Unverletzlichkeit des Glaubens zu verteidigen.
Vierter Teil.
Liturgie der orthodoxen Kirche
- Allgemeines Konzept der Liturgie
Die Liturgie bedeutet die Opfergabe von Jesus Christus zu zelebrieren, das in der Kirche durch ein sakramentales Opfer verewigt wird, die vom Klerus vollzogen wird. Der Herr segnete das Brot und den Wein und reichte sie den Aposteln mit den Worten: “Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; … das ist mein Blut, das für euch vergossen wird; … tut dies zu meinem Gedächtnis.
Getreu dieser Weisung des Herrn konsekriert die orthodoxe Kirche Brot und Wein getrennt, die transubstantiiert, d.h. in den wahren Leib und das wahre Blut Christi verwandelt werden. Leib und Blut, jedes für sich, repräsentieren und verewigen so das Sühneopfer, das einst auf Golgatha dargebracht wurde. Das Opfer war einmalig, doch es lebt in der Kirche ewig fort, nicht nur durch seine Handlungen, d.h. durch die Gnade und das Verdienst, deren Quelle es ist, sondern auch durch sich selbst, durch die wirkliche Gegenwart des Leibes und des Blutes, die Gott unter den Gestalten von Brot und Wein dargebracht werden.
Das wahre Opfer Jesu Christi vollzog sich auf dem Kalvarienberg, doch es begann mit seinem irdischen Leben. Deshalb ist die Liturgie der orthodoxen Kirche ein Gedächtnis des ganzen Lebens des Erlösers.
Die Liturgie ist also zugleich Darbringung des Sühneopfers des Erlösers in Gestalt von Brot und Wein in der Eucharistie und zugleich Fortsetzung und Verewigung desselben Opfers, da in ihr Leib und Blut des Erlösers im Zustand des Schlachtopfers sind. Die römische Kirche hat dieselbe dogmatische Lehre wie die orthodoxe Kirche bezüglich des eucharistischen Opfers beibehalten; aber sie hat in ihren Vollzug Riten eingeführt, die denen der Urkirche widersprechen; so hält sie mehrmals am Tag auf demselben Thron und jeden Tag geheime Liturgien oder kleine Messen [14] ab. All dies sind Missbräuche, denn nach der Lehre der Urkirche sollte die Liturgie immer laut gefeiert werden, so dass Klerus und Laien daran teilnehmen konnten, indem sie auf die Ausrufe des Priesters hin Gebete vortrugen; – es sollten nicht zwei Liturgien am selben Tag und auf demselben Thron gefeiert werden; – die Liturgie sollte nur an bekannten bestimmten Tagen gefeiert werden, die ursprünglich im Westen wie im Osten der Sonntag, der Mittwoch und der Freitag jeder Woche waren, und außerdem an Festen. Neben diesen Missbräuchen führte die römische Kirche noch weitere Änderungen in der Feier der Liturgie ein, die im Folgenden erwähnt werden. Der Priester nimmt eine der Prosphora in die linke Hand und hält in der rechten Hand eine Lanze, mit der er sich dreimal über der Oberseite der Prosphora bekreuzigt, aus der er die Große Teil entnehmen und weihen soll. Dieser Teil der Prosphora stellt Jesus Christus dar, der im Alten Testament als Vorbild dient. Deshalb sagt der Priester, wenn er eine die Prosphora in die Hand nimmt, dreimal: “Zum Gedenken an unseren Herrn, Gott und Heiland Jesus Christus”. Dann stößt er den Speer an und schneidet die Prosphora auf der rechten Seite des Siegels mit den Worten aus den Prophezeiungen des Jesaja an: – “Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird”; – auf der linken Seite mit den Worten – “Und wie ein Lamm tadellos ist, gerade vor seinem Scherer ist es sprachlos, also tut es seinen Mund nicht auf”; – auf der oberen Seite mit den Worten – “In seiner Demut wird sein Gericht aufgenommen” – und auf der unteren Seite mit den Worten – “Wer aber wird sein Geschlecht bekennen?”. Schließlich sticht der Priester den Speer zum fünften Mal in die Seite der Prosphora, um den mittleren Teil vollständig abzutrennen und herauszunehmen, um ihn mit den Worten “Wie es von der Erde sein Leben genommen ist” zu weihen. – So wird der abgetrennte Teil der Prosphora Lamm (Agnez) genannt, weil er das Osterlamm darstellt, das im Alten Testament als Prototyp für Jesus Christus steht. Der Priester legt sie mit dem Siegel nach unten auf die Scheibe (Diskos) [17]. Dann sagt der Diakon: – „Bringe das Opfer dar, Herr!“ – Der Priester schneidet das heilige Brot kreuzweise an und sagt: „Das Lamm Gottes wird geopfert, um die Sünde der Welt wegzunehmen, für das Leben und das Heil der Welt.“ – Dann drehte er das Lamm mit dem Siegel nach oben und stieß einen Speer in seine rechte Seite und spricht die Worte des Evangelisten Johannes: – “Einer der Soldaten durchbohrte mit dem Speer seine Rippen, und Blut und Wasser flossen heraus; und der, der es sah, legte Zeugnis ab, und sein Zeugnis war wahr. Der Diakon reicht dem Priester einen Kelch, in den dieser den Wein, ein Abbild des Blutes, und das Wasser gießt, zum Gedenken an das Wasser, das aus der Rippe des Erlösers floss. Dies sind die sakramentalen Riten, mit denen die orthodoxe Kirche Jesus Christus gedenkt, der im Alten Testament als Prototyp dient. Um noch deutlicher zu machen, dass Er der einzige Erlöser der Welt ist, sowohl als der erwartete Messias als auch als der Retter, der menschgewordene Sohn Gottes, legt die Kirche auf die Platten neben dem Lamm die von den anderen vier Prosphoren abgetrennten Stücke zum Gedenken an die Heiligen des Alten und Neuen Testaments. Eine dieser Prosphoren wird zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau Maria dargebracht. Der Priester nimmt es und spricht die Worte: “Zu Ehren und zum Gedächtnis unserer allerseligsten Frau, der Theotokos und Maria, und durch ihre Gebete, o Herr, nimm dieses Opfer auf Deinem himmlischen Altar an”. – Dann nimmt er ein Stück aus dem oberen Teil der Prosphora und legt es auf die Scheibe rechts neben dem Lamm mit den Worten aus dem Psalm: “Die Königin steht zu deiner Rechten, bekleidet mit einem goldenen Gewand, geschmückt mit Herrlichkeit. Aus der letzten Prosphora werden die Partikel zum Gedenken an alle verstorbenen orthodoxen Christen, geistliche und weltliche, herausgenommen, die in der Hoffnung auf die Auferstehung und in Gemeinschaft mit der Kirche von uns gegangen sind. Auch diese Gesänge werden unter die vorhergehenden gestellt, damit die Gnade des Opfers über alle Verstorbenen und Lebenden ausgegossen werde. *** Die römische Kirche hat nichts von dieser vorbereitenden Liturgie bewahrt. Aus einigen noch bestehenden Bräuchen kann man jedoch schließen, dass sie in der Antike durchgeführt wurde und durch Nachlässigkeit in Vergessenheit geraten ist. So schneidet der Priester vor Beginn der Liturgie das zu konsekrierende Brot (hostie), um es bei der Darbringung des Opfers bequemer ausbreiten zu können, und bedeckt den Kelch mit einer Decke, obwohl noch kein Wein oder Wasser hineingegossen wurde. Viele römische Priester sind so nachlässig, dass sie einen einfachen Laien beauftragen, der als Akolyth in der Kirche dient, und dieser Akolyth trägt sogar die Gaben zum Thron, obwohl es ihm von den Kanones verboten ist, sich diesem zu nähern. Da die anglikanische Kirche die römische Liturgie in verkürzter Form beibehalten hat, fehlt ihr die heilige Handlung, die das alttestamentliche Leben Jesu Christi darstellt und die Gläubigen an die Verbindung von Altem und Neuem Testament in Jesus Christus, unserem einzigen Fürsprecher, erinnert. Die protestantischen Kirchen hingegen haben nur ein Erscheinungsbild der Liturgie beibehalten, und deshalb brauchen wir hier nicht auf ihre Lehre einzugehen. Das irdische Leben Jesu Christi gliedert sich in zwei Zeitabschnitte: – den ersten von dreißig Jahren, die Jesus Christus im Verborgenen verbrachte; – den zweiten von dreieinhalb Jahren, in denen er seine Lehre verkündete. Beim Betreten des Altars ruft der Priester die Engel und Heiligen zum Thron Gottes, und die Geistlichen laden die Gläubigen ein, mit der himmlischen Kirche das Halleluja zu singen und den Allerhöchsten zu preisen. Da die orthodoxe Kirche darauf bedacht ist, nichts zu ändern, nicht nur im Glauben, sondern auch in den Gebräuchen, die aus der frühesten Zeit des Christentums stammen, hat sie die Gebete für die Unverschleierten und die Einladung an sie, die Kirche zu verlassen, beibehalten, obwohl es in der Kirche keine Katechumenen mehr gibt. Dennoch ist dieses andächtige Gedenken an die apostolische Zeit ein neuer Beweis für die heilsame Unersetzlichkeit der heiligen Kirche in allem, was die apostolische Tradition betrifft. In ihr gibt es keine Ungesalbten mehr, denn die Gläubigen, die ihren Kindern das kostbare Gut des Glaubens weitergeben, führen sie bald nach ihrer Geburt zur heiligen Taufe. Wenn sie in der Liturgie die Anwesenheit von Personen zuläßt, die nicht zu den Gläubigen gehören, so übt sie damit ihren Geist der Sanftmut aus, der es ihr nicht erlaubt, Fremde zu suchen und aus der Kirche zu vertreiben; aber ihre positive Absicht bleibt unverändert, dass nur die Glieder der Kirche, die durch die Taufe und den einen Glauben mit ihr verbunden sind, an der Liturgie teilnehmen sollen. Diese Absicht verkündet sie öffentlich durch den dreifachen Ruf an die Katechumenen aus der Kirche heraus, bevor die Liturgie der Gläubigen beginnt. Die römische Kirche hat die Liturgie der Katechumenen mit einigen Änderungen beibehalten; sie beginnt mit dem Einzug (nicht identifizierter Text von S. 180 des Originals), jedoch nur eine Antiphon [19] wird gelesen. Sie ersetzte die Litanei durch den Ausruf: “Herr erbarme dich”, sechsmal wiederholt, und: “Christus erbarme dich”, dreimal wiederholt. In diesen Ausrufen behielt sie die griechischen Worte Κυριε ελεησον, Χριϛτε ελεησον – Trisagion durch Gesang ersetzt: “Ehre sei Gott in der Höhe”, das als eine Art Auslegung dient. Danach werden die Epistel und das Evangelium gelesen; das Gebet der Lesungen entfällt jedoch. Sie schließt diesen Teil der Liturgie mit dem Nizänischen Glaubensbekenntnis ab, das in jeder Hinsicht mit dem der orthodoxen Kirche übereinstimmt, mit Ausnahme der Hinzufügung der Worte “und des Sohnes” (filioque), von denen wir oben gesprochen haben. Die alte gallikanische Liturgie hatte mehr Ähnlichkeit mit der östlichen Liturgie; man kann sogar annehmen, dass sie ursprünglich mit ihr identisch war, da die ersten Aufklärer Frankreichs aus dem Osten kamen und ihre Liturgie von dort übernahmen. Die wenigen erhaltenen Denkmäler dieser alten Liturgie bezeugen ihren östlichen Ursprung. Unter anderem wurde das Trisagion gesungen, anstelle des in der römischen Kirche gesungenen “Ehre sei Gott in der Höhe“. Ab dem 9. Jahrhundert näherte sich die gallikanische Liturgie allmählich der römischen Liturgie an. Die mailändische, die ambrosianische und die spanische oder mozarabische Liturgie sind der östlichen Liturgie ähnlicher als der römischen. Die gelehrtesten westlichen Liturgiewissenschaftler sind sich darin einig. Dennoch ist die römische Liturgie in ihrem ersten Teil, der sogenannten Liturgie der Katechumenen, der östlichen Liturgie im Wesentlichen ähnlich. Nur in der Gesamtheit ihrer Riten hat sie nicht die weise und fromme Symbolik der orthodoxen Liturgie bewahrt. Die anglikanische Kirche hat diese Bedeutung durch die Verkürzung und Umgestaltung der römischen Liturgie im 16 Jahrhundert völlig zerstört. Die Reihenfolge, in der sie den ersten Teil der Liturgie gestaltet hat, ist die folgende: – Das Vaterunser, begleitet von der Anrufung des Heiligen Geistes; die Rezitation der Zehn Gebote mit dem Ausruf “Herr, erbarme dich” nach jedem Gebot, gefolgt von einem Gebet für den Herrscher, danach die Verlesung der Episteln (Briefe) und des Evangeliums und schließlich das Glaubensbekenntnis von Nizäa mit dem römischen Einschub. Zuerst breitet der Priester auf dem Thron die Antiminen[20] aus, dann liest er zwei Gebete für die Gläubigen, während der Diakon und die Gläubigen in der Litanei die Barmherzigkeit Gottes für die ganze Kirche erflehen. Der Priester bringt Gott, dem Vater, den lebendigen Christus in einem Bittgebet dar, das in der westlichen Liturgie Offertorium genannt wird. Während er das Offertorium vorträgt, sprechen der Diakon und die Gläubigen eine laute Litanei, die mit der Anrufung der Jungfrau Maria und aller Heiligen endet. Danach wird das Glaubensbekenntnis von Nizäa vom Priester vor sich selbst und den Gläubigen laut gesprochen.[21]. Dann verkündet der Diakon den Gläubigen, dass das Sakrament gespendet wird. Der Priester fordert sie mit lauter Stimme auf, ihre Herzen zu Gott zu erheben, und spricht vor sich selbst ein Gebet, das in der westlichen Liturgie Prefalio genannt wird. Dann verkündet er laut den Siegesgesang der Engel, und die Gläubigen singen: “Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott der Heerscharen; erfülle Himmel und Erde mit deiner Herrlichkeit; Hosianna in der Höhe! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosianna in der Höhe!” Während dieses Liedes spricht der Priester ein Gebet, in dem er die Heiligkeit Gottes preist, der die Welt geliebt hat, bevor er seinen eingeborenen Sohn sandte, der vor seinem Tod am Kreuz das Brot nahm, es segnete und an seine Jünger austeilte mit den Worten: “Nehmt und esst! … Der Priester spricht laut die Worte Jesu Christi. Die Gläubigen antworten: “Amen!” Der Priester spricht es auch laut aus: “Trinkt alle davon …” Die Gläubigen antworten: “Amen!” Der Priester erhebt die Gaben, um sie Gott darzubringen, und ruft dreimal den Heiligen Geist an, damit er durch seine allmächtige Kraft das Brot in den Leib Christi und den Wein in sein Blut verwandle. Dann betet er und mit ihm alle Gläubigen Jesus Christus an, der auf dem Thron sitzt. Dann gedenkt der Priester aller Heiligen des Alten und Neuen Testaments, die durch die Kraft desselben Opfers gerettet worden sind, und erhebt seine Stimme und ruft: – “Besonders der Allerheiligsten, Reinsten, Seligsten und immerwährenden Jungfrau Maria (Theotokos)” – Die Gläubigen antworten mit einem Lobgesang auf die Allerheiligste Jungfrau Maria -Theotokos. In dieser Zeit gedenkt der Priester bestimmter Heiliger, insbesondere der verstorbenen Hirten der Kirche: der ganzen Kirche, des Herrschers, seiner Familie und seines Heeres; dann – mit erhobener Stimme – der höchsten Autorität der Kirche, d. h. des Patriarchen oder der heiligen Synode. Die Gläubigen bitten laut um das Gedenken an alle. Der Priester kommt ihrer Bitte nach und betet zu Gott für sie, für alle Leidenden und Gefährdeten, für die Wohltäter der Kirche und für die Armen; dann lädt er alle ein, einmütig die Heiligste Dreifaltigkeit zu verherrlichen, und erbittet das Erbarmen Gottes durch Jesus Christus für alle. Der Diakon bittet in der Litanei um alle Gaben, die die Gläubigen benötigen. Der Priester ruft alle auf, im Vaterunser zu Gott zu beten. Während die Gläubigen dieses Gebet sprechen, bittet der Priester um Gottes Erbarmen für alle und betet vor allem dafür, dass sie würdig sind, am Leib und Blut Jesu Christi teilzuhaben. Dann erhebt er seine Stimme, um die Gläubigen mit den Worten “Das Heilige den heiligen” zur Kommunion zu rufen. Während die Gläubigen den sakramentalen Vers singen, teilt der Priester das geweihte Lamm [22]und legt einen Teil in den Kelch, in den er warmes Wasser gießt, das die Wärme des Glaubens der Heiligen, das heißt der Gläubigen, die daran teilhaben sollen, darstellt. Nachdem der Priester und der Diakon ein Gebet des Glaubens und der Demut gesprochen haben, nehmen sie unter beiden Gestalten an den heiligen Geheimnissen teil. Die Weihe des Lammes steht für den Tod oder das Opfer Jesu Christi, die Kommunion für Sein Begräbnis. Um jedoch nicht zu denken, dass der Erlöser, der in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist, noch einmal stirbt und wirklich begraben wird, hat die Kirche dafür gesorgt, dass vor diesen beiden Zeichen ein besonderer Ritus als Zeichen des Begräbnisses vollzogen wird, wie wir oben bemerkt haben. Nachdem der Priester und der Diakon die Kommunion empfangen haben, werden die königlichen Türen geöffnet [23] , und der Diakon wendet sich mit dem Kelch, in dem sich die Eucharistie in zwei Gestalten befindet, an die Laien und spricht: ” Mit Gottesfurcht und Glauben tretet heran! Die Gläubigen antworten: “Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Gott ist der Herr, er ist uns erschienen”, und gehen zum Empfang des Allerheiligsten über. Mit diesem Ritus wird die Auferstehung des Erlösers gefeiert. Anschließend bittet der Priester den Herrn, die Gläubigen zu segnen, so wie er die Apostel gesegnet hat, als er in den Himmel aufgefahren ist. –“„Du bist in den Himmel aufgefahren, o Gott, und Deine Herrlichkeit ist über der ganzen Erde”. – Er nimmt den Kelch, wendet sich den Gläubigen zu und spricht:-“Gepriesen sei unser Gott in Ewigkeit.” Dieser Ritus kennzeichnet die Himmelfahrt und die darauffolgende Herrschaft Christi. Der Priester bringt feierlich die Gefäße zum Altar und faltet die Antiminen, während der Diakon die Dankgebete spricht; dann segnet er zum letzten Mal den Thron mit dem Buch des Evangeliums und verlässt den Altar mit den Worten: “Lasst uns in Frieden gehen”. Mit Blick auf den Altar und inmitten der Gläubigen spricht er das Fürbittgebet, um den Segen Gottes für alle Glieder der Kirche zu erbitten, die sich anschicken, die Kirche zu verlassen. Er kehrt zum Altar zurück, segnet die Gläubigen noch einmal und vertraut sie dem Gebet der Jungfrau Maria, der Apostel, des Kirchenpatrons, des Heiligen, der an diesem Tag geehrt wird, des Heiligen, der die vollkommene Liturgie verfasst hat, Johannes Chrysostomus oder Basilius der Große, und schließlich aller Heiligen an. Nach der Liturgie liest der Diakon die festgelegten Gebete, verzehrt, was von der Eucharistie übrigbleibt. Aus diesem kurzen Überblick über die Heilige Liturgie wird deutlich, dass sie ein vollständiges Gedenken an das Leben Jesu Christi ist. Wir haben bereits festgestellt, dass die römische Liturgie weit davon entfernt ist, die Vollständigkeit der orientalischen Liturgie zu erreichen, da sie das Leben der Menschwerdung des Erlösers ausklammert und einen großen Teil der Bedeutung der Liturgie der Katechumenen verloren hat. Die Liturgie der Gläubigen beginnt mit der Opfergabe oder dem Opferlorium. Der Priester bringt zunächst das Brot dar; dann gießt er Wein und Wasser aus und bringt sie Gott dar. Danach ruft er die Gläubigen auf, sich ihm bei der Opfergabe anzuschließen, und bittet den Heiligen Geist, das Opfer zu segnen [24]. Es folgt die Präfation (Proefalio), nach der gesungen wird: “Heilig, heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr…”. Bei laut gefeierten Liturgien singt der Priester die Präfation laut. Nach der Präfation folgt der Kanon. Dies ist der Name des Teils der Liturgie, in dem das Sakrament gefeiert wird. Der Priester liest ihn mit leiser Stimme vor. Darin gedenkt er der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit, aller Lebenden und besonders der Anwesenden. Dann gedenkt er der heiligen Jungfrau Maria, der Engel und aller Heiligen, die er um Gebete bittet. Dann streckt er seine Hände über die Gaben aus und bittet Gott, sie durch seine Allmacht in den Leib und das Blut Jesu Christi zu verwandeln, der vor seinem Tod am Kreuz segnend zum Brot sagte: “Das ist mein Leib“, und zum Wein: “Das ist mein Blut. “. Nach der in der römischen Kirche verbreiteten Auffassung wird die Transsubstantiation durch das Aussprechen der sakramentalen Spendeworte durch den Priester vollzogen. Die orthodoxe Kirche hingegen lehrt, dass die Gaben durch die Herabrufung des Heiligen Geistes geweiht werden. Diese Meinungsverschiedenheit ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass in der römischen Kirche die Einsetzungsworte nach dem Bittgebet verlesen werden und Bestandteil desselben sind, während sie in der orthodoxen Kirche nachgesprochen werden und die Anrufung des Heiligen Geistes folgt. Es steht außer Zweifel, dass die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi nur durch das Wirken der Allmacht Gottes geschieht. In diesem Punkt sind sich beide Kirchen einig, so dass beide daraus folgern müssen, dass das Wirken Gottes in dem Augenblick offenbar wird, in dem der Priester Gott um ein Wunder bei der Verwandlung der Materie bittet. Das Bittgebet gibt es in der römischen Liturgie, wobei einzuräumen ist, dass es nicht so ausdrucksstark ist wie in der orthodoxen Kirche. Der Kanon der Liturgie, wie er heute in der römischen Kirche gelesen wird, geht jedoch auf die Zeit vor der Trennung der Kirchen zurück und wurde immer als dem Geist der Orthodoxie entsprechend anerkannt. Nach der Weihe betet der Priester zu Gott um die segensreiche Aufnahme der dargebrachten Gaben. Gleichzeitig gedenkt er der Verstorbenen, der Apostel und der Märtyrer. Dann liest er die Gebete zur Vorbereitung auf die Kommunion und nimmt an beiden Gestalten der Kommunion teil. Er verzehrt alles und wäscht den Kelch zweimal mit Wein, damit nichts von den geweihten Gaben darin zurückbleibt. Dann kommuniziert er den Gläubigen unter einer anderen Gestalt und mit einem anderen konsekrierten Brot als dem, das in der Liturgie verwendet wird. So übertritt die römische Kirche das Gebot Gottes. Auf die Worte des Heilands, der die Eucharistie eingesetzt hat: “Trinkt alle davon“, antwortet sie: “Nur die Priester sollen davon trinken”, denn auch der Diakon nimmt nur an einer Art von Brot teil und ist in dieser Hinsicht allen Gläubigen gleich. Andererseits wird der apostolische Ritus, der nach dem heiligen Paulus die Einheit der Kirche kennzeichnet, nicht eingehalten, wenn die Gläubigen mit anderem Brot als dem in der Liturgie und für die Teilnahme des Priesters verwendeten teilhaben. Nach dem Gebet, in dem der Priester darum bittet, dass die heilbringende Wirkung des heiligen Opfers für alle Gläubigen wirksam wird, erteilt er den Laien den Segen und schließt die Liturgie mit der Verlesung des Anfangs des Johannesevangeliums ab. Dieser kurze Überblick über die römische Liturgie genügt, um uns davon zu überzeugen, dass sie zwar die wesentlichen Teile der orthodoxen Liturgie erhalten hat, jedoch weder die wunderbare Harmonie, die alle ihre Teile kennzeichnet, noch ihre sakramentale Bedeutung. Die römische Liturgie ist nur eine Sammlung von Gebeten, die zweifellos nützlich sind, aber nicht dem Hauptgedanken der christlichen Liturgie entsprechen, der im vollen Gedächtnis Jesu Christi besteht. Sie weist genügend Ähnlichkeiten mit der orthodoxen Liturgie auf, um zu dem Schluss zu kommen, dass beide denselben Ursprung haben, aber es gibt auch solche Unterschiede, die beweisen, dass die römische Liturgie zu verschiedenen Zeiten von Reformatoren verändert wurde, die ihren Sinn nicht verstanden. Außerdem gibt es verschiedene Missverständnisse, von denen die wichtigsten bereits erwähnt wurden. Die anglikanische Liturgie ist noch weniger vollkommen als die römische. Nach dem Teil, der der Liturgie der Katechumenen entspricht, und nach der Predigt folgt die so genannte Opfergabe (Offerlorium). Es besteht aus der Lesung der Evangelien, bei der die Opfergaben eingesammelt werden. Es folgt ein Gebet zu Gott, in dem er um die wohlwollende Annahme der Bitten und um die Gewährung von Wohltaten für den Herrscher des Landes, den Klerus und alle Gläubigen bittet. Der Priester verliest die Anweisungen für die Kommunionempfänger; einer der Priester liest ein Beichtbeispiel vor, woraufhin der Priester die allgemeine Vergebung erteilt. Danach liest der Priester die Vorrede (Proefalio), gefolgt von dem Lied “Heilig, heilig, heilig”…; dann kniet er vor dem Thron, auf dem Brot und Wein liegen, und liest das Gebet zur Vorbereitung der Kommunion. Dann erhebt er sich und spricht das Gebet, in dem die Einsetzung der Heiligen Eucharistie nach dem Evangelium dargelegt wird. Es wird das Konsekrationsgebet genannt. Es enthält zwar die Einsetzungsworte, jedoch keine Anrufung, um Gott um die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut des Herrn zu bitten [25]. Unmittelbar danach nehmen der Priester und die Gläubigen an Brot und Wein teil. Nach der Kommunion legt der Priester die Reste der konsekrierten Substanzen (wie die Heiligen Gaben im Gebetbuch genannt werden) auf den Thron und bedeckt sie mit einem weißen Schleier. Dann spricht er das Vaterunser, das Dankgebet, “Ehre sei Gott in der Höhe”, und entlässt die Gläubigen mit dem Wunsch, dass sie den Frieden und den Segen Gottes empfangen. Aus dieser Übersicht geht hervor, dass die anglikanische Kirche so viele Änderungen an der römischen Liturgie vorgenommen hat, die sie bis zum 16. Jahrhundert übernommen hat, dass von der ursprünglichen, von der orthodoxen Kirche bewahrten Liturgie kaum noch etwas übrig ist. Insbesondere enthält sie sehr dunkle Aussagen über die heilige Eucharistie. Protestanten, die nicht an die Gültigkeit der Transsubstantiation glauben, mögen sich damit begnügen; diese Ausdrücke sind zweifellos calvinistisch, wenn sie gemäß den Glaubensartikeln [25] interpretiert werden, die absichtlich verfasst wurden, um das Glaubensbekenntnis der Kirche von England zu erklären. In den Abschnitten 28, 29 und 31 wird die Transsubstantiation des Wesens in den Gaben der Eucharistie geleugnet; es wird behauptet, dass die Teilhabe an Leib und Blut Christi durch den Glauben geschieht; dass Sünder und Ungläubige nicht an Leib und Blut Christi teilhaben, obwohl sie die Zeichen davon in sich empfangen. Schließlich wird die Lehre von der Darbringung eines unblutigen Opfers in der Liturgie als Blasphemie verurteilt; alle diese Teile des Glaubensbekenntnisses haben unbestreitbar eine calvinistische Bedeutung, und wenn sie als Auslegung des Gebetbuches dienen, ist es unmöglich zu denken, dass die anglikanische Kirche eine wahre Liturgie hat. Die östlichen Liturgien, die sich von denen des Hl. Johannes Chrysostomos und des Hl. Basilius des Großen unterscheiden, werden nicht erwähnt, da sie vieles gemeinsam haben; sie enthalten alles, was im Wesentlichen für die Spendung des Sakramentes der Eucharistie notwendig ist, und die orthodoxe Kirche erkennt ihr Alter und ihre Rechtmäßigkeit an. Die Orthodoxe Kirche akzeptiert als Regel, dass jede Ortskirche ihre eigene Liturgie haben kann, die in ihrer eigenen natürlichen Sprache gefeiert wird, solange diese Liturgie keine lehrwidrigen Irrtümer enthält und alles enthält, was für die Spendung des Sakramentes wesentlich ist. Die orthodoxe Kirche sieht keinen Grund, dies zu verurteilen. Umso mehr überläßt sie jeder Kirche die Freiheit, die Ordnung ihrer anderen Gottesdienste festzulegen; sie verlangt nur, um die Einheit der Kirche, die Reinheit und die Fülle des Glaubens zu bewahren, eine Ordnung, die den Kanones der Apostel und der ökumenischen Konzilien entspricht, und eine Liturgie, in der das heilige Sakrament der Eucharistie wahrhaftig gespendet wird. Die römische Kirche verfährt umgekehrt. Sie scheint die östlichen Liturgien als legitim anzuerkennen, doch ihre Vorschriften in den westlichen Kirchen und ihre geheimen Bestimmungen gegenüber den östlichen Kirchen beweisen, dass sie nur äußerliche Zugeständnisse macht, um die Mittel zur Behauptung ihrer Oberhoheit vorzubereiten. Für sie besteht die Einheit in der vollkommenen Gleichheit mit ihr, oder besser gesagt, in der blinden Unterwerfung unter die Autorität des Papstes, den sie als universalen und göttlichen Herrscher betrachtet, obwohl das Wort Gottes und die kirchliche Tradition diese Übergriffe verurteilen. Ihr einziges Anliegen ist es, die päpstliche Autorität zu erhalten und auszubauen. Deshalb macht sie Zugeständnisse, imaginäre Zugeständnisse, aber in Wirklichkeit handelt sie autokratisch, wo immer sie kann, und setzt ihren Kult, ihre lateinische Sprache, ihre Bräuche, ihre Frömmigkeit, ihre kasuistische Moral und ihre neuen Dogmen mit Gewalt durch. Für sie besteht die Einheit in der vollkommenen Übereinstimmung mit dem Papst oder vielmehr in der blinden Unterwerfung unter die Autorität des Papstes, den sie als universalen und göttlichen Herrscher betrachten, obwohl das Wort Gottes und die kirchliche Tradition diese Übergriffe verurteilen.
Die orthodoxe Kirche bewahrt das Gedächtnis daran, und ihre Liturgie ist ein vollständiges Gedächtnis des Erlösers: – an Seine Erwartung als Messias in den prophetischen Riten und Prophezeiungen, – an Seine Lehre, – an Sein Leiden, Seinen Tod, Sein Begräbnis, – an Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt und Sein ewiges Reich. Auf diese Weise verwirklicht die Orthodoxe Kirche im wahrsten Sinne des Wortes die Worte des Erlösers: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Denn in der Feier der Liturgie erscheint uns Jesus Christus in seiner Fülle.
Die Orthodoxe Kirche betrachtet die Liturgie als ein gültiges Opfer und unterscheidet sie nicht von dem Opfer, das der gekreuzigte Erlöser in Seinem Tod am Kreuz für die Erlösung des Menschengeschlechtes dargebracht hat. Als Jesus Christus sagte: “Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird”, bezog Er sich nicht nur auf den Tod, den Er auf dem Kalvarienberg erleiden musste, sondern Er bot das geweihte Brot und den geweihten Wein als denselben Leib und dasselbe Blut an, die am Kreuz geopfert werden sollten, und befahl, dass dieses Opfer zu Seinem Gedächtnis wiederholt werden sollte.
In der Vollziehung der Liturgie bringt sich Jesus Christus durch die Priester als Opfer dar, so wie Er sich in Seinem irdischen Leben als Opfer dargebracht hat. Wie hier die Opfergabe wirklich ist, so ist auch das Opfer selbst wirklich, auch wenn der Tod darin geheimnisvoll dargestellt wird.
Das Opfer ist hier dasselbe, und deshalb kann seine Darbringung in der Liturgie nicht von dem Sühneopfer des Erlösers am Kreuz unterschieden werden.
Dieses Opfer wird Gott allein dargebracht und kann nur Ihm allein dargebracht werden, denn es ist die höchste Belohnung für die Anbetung Gottes.
Es wird für die Lebenden dargebracht, damit ihnen die Verdienste Jesu Christi angerechnet werden; es wird auch gemeinsam dargebracht “für die, die in der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi gestorben sind”, wie der selige Augustinus sagt. (Wort 172, über das Wort Apostol.), und deshalb wird ihrer im Opfer gedacht.
Die Verstorbenen, die noch nicht an der Herrlichkeit Gottes teilhaben und noch nicht endgültig verdammt sind, haben an der Wirkung des Opfers Jesu Christi teil, und deshalb hat die Kirche ihrer immer in der Liturgie gedacht. Sie hat auch immer der Engel und der Heiligen gedacht, um sie in Jesus Christus zu verherrlichen, und sie angerufen, damit das heilige Opfer, das sie mit ihnen darbringt, auch uns das Heil schenke, das sie schon empfangen haben.
So nimmt die ganze Kirche, die aus den sichtbaren und unsichtbaren Gläubigen besteht, an der Darbringung des Opfers in der Liturgie teil und steht vor dem Thron, wo die Schlachtung des Lammes Gottes bis zum Ende der Zeiten vollzogen wird.[13]. II. Proskomidia
Das prototypische Leben von Jesus Christus
Nachdem der Priester die vorbereitenden Gebete gesprochen hat, legt er sein heiliges Gewand an[15] und tritt in Begleitung des Diakons an den Altar (Opfertisch). So wird der Tisch im nördlichen Teil des Altars genannt, auf den zuvor fünf Brote oder Prosphora (προσφορά)[16], Wein, Gefäße, Decken und andere für die Opfergabe notwendige Gegenstände gestellt worden sind.
Während der Priester auf diese Weise die erzieherische Schlachtung des sühnenden Lammes vollzieht, steht der Diakon neben ihm und wiederholt mit seinem Ornament in der Hand bei jedem Speerstoß: “Lasst uns zum Herrn beten!”.
Aus dem anderen Prosphora werden Teile zum Gedenken an die Heiligen des Alten und Neuen Testaments entnommen und auf der Scheibe links neben dem Lamm in drei senkrechten Reihen angeordnet. In der ersten Reihe – zum Gedenken an Johannes den Täufer, die Propheten, die Apostel; in der zweiten Reihe – Heilige, Märtyrer, Verehrungswürdige; in der dritten Reihe – Wundertäter, Märtyrer, Vorfahren Jesu Christi nach dem Fleisch; der Heilige, der an diesem Tag gefeiert wird, alle Heiligen und der Heilige, dessen Liturgie gesungen wird, Johannes Chrysostomus oder Basilius der Große. Die dritte Prosphora wird im Gedenken an alle lebenden Gläubigen genommen, insbesondere an die orthodoxen Patriarchen, den Heiligen Synod, die Metropoliten, Bischöfe, Priester und Diakone. Alle diese Teilchen werden einer Reihe am unteren Ende des Lamms platziert. Alle diese Teilchen befinden sich in einer Reihe am unteren Ende des Lamms.
Dann bedeckt der Priester den Kelch und die Scheibe mit einem besonderen Überzug und diese beiden Gefäße mit einem großen Überzug, der Luft genannt wird; er beweihräuchert die dargebrachten Gaben und betet zu Gott um ihre Annahme; schließlich begibt er sich zum Altar, um die Liturgie der Katechumenen zu vollziehen. III. die Liturgie der Katechumenen.
Das irdische Leben von Jesus Christus
Die erste Periode ist gewissermaßen in drei Abschnitte von je zehn Jahren unterteilt.
Von den Ereignissen des ersten Jahrzehnts kennen wir diejenigen, die mit der Geburt des Erlösers zusammenhängen; von den Ereignissen des zweiten Jahrzehnts – seine Wanderung durch Jerusalem, bei der er die Schriftgelehrten in Erstaunen versetzte; von den Ereignissen des dritten Jahrzehnts – die Taufe, die er von Johannes dem Täufer empfing.
Die orthodoxe Kirche gedenkt dieser drei Teile des Lebens Jesu Christi, indem sie drei Antiphonen über den Weg des Erlösers in die Welt singt.
Zuerst liest der Diakon die ergreifende Litanei, in der die Barmherzigkeit Gottes für alle Gläubigen erfleht wird, damit sie durch die Gebete zur Allerseligsten Jungfrau Maria und zu allen Heiligen geistlichen und weltlichen Segen erlangen; dann wird die erste Antiphon gesungen. Der Diakon wiederholt die letzten Bitten der Litanei, die zweite Antiphon wird gesungen; der Diakon wiederholt die letzten Bitten der Litanei, die dritte Antiphon wird gesungen.
Danach verlässt der Priester den Altar [18] durch die Nordtür und kehrt durch die Königstür zurück. Vor ihm gehen der Diakon mit dem Evangelium und der Altardiener mit der Kerze. Dieser Ritus stellt dar, wie Jesus Christus aus der Finsternis, in der er sich befand, hervortritt, um das Licht des Evangeliums in die Welt zu bringen.
Dann wird das Τρισάγιον (Trisagion) gesungen, wobei der Priester auf der Höhe (ἡ ἄνω καθέδρα) steht, die den Thron darstellt, auf dem Gott zwischen den Cherubim sitzt, und ein erhöhtes Gebet spricht, in dem er die Heiligkeit Gottes preist und um seine Gnade bittet.
Danach wird die Lehre Jesu Christi in den Lesungen aus den Briefen durch den Kirchendiener und aus dem Evangelium durch den Diakon gehört. Vor jeder dieser Lesungen erinnert der Diakon die Gläubigen daran, das Wort der Wahrheit mit Aufmerksamkeit und Ehrfurcht zu hören. Vor Beginn und am Ende des Evangeliums singt der Diakon im Namen der Gläubigen: “Ehre sei dir, Herr, Ehre sei dir!”
Danach liest der Diakon die Litanei, in der die Barmherzigkeit Gottes für alle Glieder der Kirche erfleht wird. Nach jeder Bitte wird dreimal gerufen: “Herr, erbarme dich! Dann liest der Priester das Gebet der erhöhten Bitten. Danach wird die Litanei für die Verstorbenen gebetet, wenn an diesem Tag in der Liturgie ein Totengedenken stattfindet. Schließlich wird die Litanei für die Katechumenen gebetet, und der Diakon fordert sie dreimal auf, die Kirche zu verlassen. IV. Die Liturgie der Gläubigen
Der Cherubimgesang wird gesungen, um die Engel zu dem Sakrament zu rufen, das gespendet werden soll. Bei dieser Gelegenheit spricht der Priester ein Gebet, in dem er die Gläubigen inständig bittet, den Geist der Engel zu haben, damit die sichtbare Kirche würdig sei, sich mit der unsichtbaren Kirche vor dem Thron zu vereinen, auf dem Christus geopfert wird.
Priester und Diakon treten vor den Altar. Der Diakon erhebt die Scheibe (Diskos) mit dem Lamm auf dem Kopf, das mit dem Schleier bedeckt ist; der Priester erhebt den Kelch mit Wein und Wasser, die für die Konsekration (weihen) bestimmt sind. Vor ihnen verlässt der Altardiener mit der Kerze den Altar durch die Nordtür, der Priester spricht ein Gebet für die kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten und für alle orthodoxen Christen und kehrt durch die Königstüren zum Altar zurück, wo der Priester die heiligen Gaben auf den Thron legt.
Dieser große Eingang bedeutet, dass Jesus Christus unter der Last des Kreuzes nach Golgatha geht, um sich selbst zu opfern. Nachdem der Priester das Allerheiligste auf den Thron gestellt hat, segnet er es, bedeckt es mit Luft (Ἀήρ) und erinnert gleichzeitig an den frommen Josef, der Jesus begraben, in das Grabtuch gehüllt und mit Weihrauch gesalbt hat. Dieser sakramentale Ritus bedeutet, dass der Christus, der sich auf dem Thron opfert, nicht der tote Christus ist, sondern der lebendige Christus, der in Herrlichkeit aus dem Grab auferstanden ist. Deshalb wird vor dem Opfersakrament des Begräbnisses gedacht.
Danach wird das Vaterunser gelesen, mit dem die Kommunionvorbereitung beginnt. Nachdem der Priester Gott gebeten hat, durch die Gebete der allerseligsten Gottesmutter, der Apostel und aller Heiligen von allem Bösen zu befreien, bricht er das heilige Lamm in drei Teile und legt das kleinste in den Kelch.
Anmerkungen
1) – 1 3:15 Timotheus Eph 5:, , Kol 1:24.
2) – Apok. 12:7,8,9; Mt. 4:1-2, 12:24; 13:39;16:27; 17:30; 2Kor.11:14; Hebr. 1:14; 1 Petrus 5:8,9.
3) – Lk. 15:22; Apok. 5.
4) Wir halten es nicht für nötig, auf die Aussagen der Heiligen Schrift über die Erschaffung der Welt, den Sündenfall und die Erlösung des Menschen hinzuweisen, da sie allen bekannt sind.
5) – In einem seltsamen, scheinbaren Widerspruch geben die römischen Theologen zu, dass die Seelen der Verstorbenen kein Verdienst vollbringen können, und gestehen gleichzeitig die Existenz einer Strafe zu, die befriedigend ist, d.h. die Kraft eines Verdienstes hat.
6) – Die Konfirmation bedeutet eine Bestätigung des Glaubens; dieser Ritus ersetzt die Salbung.
7) – Diese Worte bringen den Gedanken zum Ausdruck, dass in der orthodoxen Kirche die Ehe für Kleriker und Mönche, die ihre klerikale Würde abgelegt haben, erlaubt ist.
8) – In jüngster Zeit haben die gottlosen Menschen eine unabhängige Moral erfunden. Die Kombination dieser beiden Wörter stellt eine der größten Absurditäten dar, die die Kriminalität des Menschen hervorgebracht hat.
9) – Indem Jesus Christus verkündete, dass das Gesetz des Moses nicht aufgehoben ist, bestätigte er die Gültigkeit des gesamten Alten Testaments, wie es in ihm zusammengefasst ist. Deshalb ehrt die orthodoxe Kirche das Alte und das Neue Testament gleichermaßen als Wort Gottes. Folgende Bücher des Alten Testaments werden von ihr als kanonisch anerkannt und gehören auch zum Kanon der Juden: Genesis. Exodus. Levitikus. Numeri. Deuteronomium. Josua. Richter und Ruth. Das erste und zweite Buch der Könige. Das dritte und vierte Buch der Könige. Das erste und zweite Buch des Paralipomenons. Das erste und zweite Buch Esra. Esther. Die Psalmen. Sprüche Salomos. Kohelet. Hohelied. Jesaja. Jeremia. Hesekiel. Daniel. Die zwölf Propheten.
10) – Es wurde oben erklärt, was die Kirche ist und wie sie die Wahrheit der göttlichen Offenbarung bezeugt.
11) – Es ist zu beachten, dass der Ausdruck Kamel manchmal im Sinne eines Seils interpretiert wird, und dann haben die Worte Adlerohren keinen metaphorischen Sinn mehr. Die Lehre des Erlösers ist nach beiden Auslegungen dieselbe. Denn damit das Seil durch das Nadelöhr passt, muss das Nadelöhr über den Maßen verkleinert werden. Und in diesem letzten Fall sind die Worte des Heilands auch ein Bild für den Geist der Entsagung und der Selbstverleugnung.
12) – Dieser Name rührt daher, dass die Versammlung unter der Kuppel des kaiserlichen Palastes in Konstantinopel stattfand.
13) – Der öffentliche Gottesdienst der orthodoxen Kirche besteht nicht nur aus der Liturgie; es werden auch andere Gottesdienste abgehalten. Da aber die Liturgie das wichtigste Sakrament darstellt, halten wir es für möglich, uns in diesem Aufsatz nur auf ihre Auslegung zu beschränken. Die anderen Gottesdienste stellen eine kirchliche Einrichtung dar, die je nach der Natur der Nationen modifiziert werden kann, während die Liturgie als Mittelpunkt der ganzen Religion ein wesentlicher Teil des Glaubens ist. In der römischen Kirche ist die Liturgie die Gesamtheit aller kirchlichen Riten; die eigentliche Liturgie wird Messa genannt. Die orthodoxe Kirche hat mit Recht den Namen Liturgie für den Gottesdienst beibehalten, in dem das Opfer des Leibes und Blutes des Erlösers dargebracht wird, denn es handelt sich in erster Linie um einen öffentlichen Dienst (das ist die grammatikalische Bedeutung des griechischen Wortes) und um die wichtigste Aufgabe des Priestertums.
14) – Das Abendessen wird halb geflüstert und nicht gesungen.
15) – Die heiligen Gewänder bestehen aus: 1) der, gewöhnlich von heller Farbe, 2) dem Epitrachil, 3) der Schärpe, 4) den Bändern, die die Ärmel der Weste bedecken, 5) dem Gewand. Wenn ein Priester das Recht erhalten hat, einen zu tragen, trägt er ihn unter dem Gewand.
16) – Auf der Oberseite der Oblate befindet sich ein Siegel, das aus einem Kreuz mit dem abgekürzten Namen Christi in den Ecken besteht: IC. XP. HI. KA. Jesus Christus der Sieger.
17) – Dies ist der Name des flachen Gefäßes, auf das das Lamm und andere Teile der Oblate gelegt werden. Um sie zu bedecken über ihnen befindet sich ein Stern, der zwei Halbkreisen besteht, die durch eine Schraube verbunden sind, auf deren Kopf sich ein Stern befindet.
18) – Der Altar ist der Teil der Kirche, in dem sich der Altar befindet. Er ist vom Rest der Kirche durch eine Trennwand getrennt, die Ikonostase genannt wird, wegen der heiligen Ikonen, die darauf stehen. Die Ikonostase hat drei Türen: in der Mitte die Heilige oder Königliche Tür, an den Seiten die Nord- und Südtür. Auf diesen Seitentüren stehen Engel oder Archidiakon geschrieben, als Zeichen dafür, dass sie hauptsächlich für den Eintritt von Diakonen und Klerikern dienen und durch ihren Dienst am Thron Engel darstellen, die am Thron Gottes stehen und bereit sind, seine Befehle zu erfüllen. Die königlichen Türen sind hauptsächlich dem Priester vorbehalten, und auch der Diakon darf sie nur bei bestimmten zeremoniellen Riten betreten.
19) – Die heilige Prozession, die in der römischen Kirche vor Beginn der Liturgie stattfindet, stellt wahrscheinlich eine Erinnerung an den Eingang mit dem Evangelium dar, wie er in der orthodoxen Kirche vollzogen wird.
20) – Die Antimine ist ein vom geweihtes, auf das die Heiligen Gaben gelegt werden. In die Antiminen sind die Reliquien der Heiligen eingenäht, in Erinnerung an die Gräber der Märtyrer, an denen die Liturgie während der Christenverfolgung gefeiert wurde. In der römischen Kirche gibt es kein Antimonium, sondern vom Bischof geweihten Stein, der über dem Thron steht, in dem die Reliquien aufbewahrt werden. Wenn die Liturgie gefeiert wird, wird ein weißes Tuch, das sogenannte Korporale, auf diesem Stein ausgebreitet. In der anglikanischen Kirche gibt es weder ein Antimins noch einen geweihten Stein.
21) – Wie wir bereits festgestellt haben, ist es vergeblich, dass in der westlichen Liturgie die Verlesung des Glaubensbekenntnisses dem Bittgebet vorangestellt wird, . h. in der Liturgie der Ovation. Das Glaubensbekenntnis ist allein zu lesen Gläubige, und diejenigen, die wieder zugelassen wurden, sind diejenigen, die vor der Taufe noch nicht gläubig waren. Diese Neuerung entsprang einer völligen Vergessenheit des Brauchs der Urkirche.
22) – Das geweihte Lamm ist für die Gemeinschaft des Priesters, des Diakons und der Gläubigen bestimmt, gemäß den Worten des Apostels Paulus: “Wir sind ein Brot, ein Leib, wir sind viele: wir haben alle an dem einen Brot teil”.
23) – Mehrmals während der Liturgie werden die königlichen Türen geschlossen und geöffnet; wir haben diese Handlung, wie auch viele andere, nicht erwähnt, weil wir nur eine allgemeine Vorstellung von der Heiligen Liturgie geben wollten, ohne alle Einzelheiten zu erklären. Es wäre notwendig, ein spezielles Werk zu verfassen, um die tiefe Bedeutung dieser Details zu erklären, die alle ihren Ursprung im fernen Altertum haben.
24) – Diese Anrufung des Heiligen Geistes, die zeitlich sehr weit von der Heiligung entfernt ist, kann nicht als die Anrufung angesehen werden, die die Heiligung voraussetzt.
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p style=”text-align: justify;”>25) – Diese Anrufung des Heiligen Geistes findet sich in der schottischen Liturgie, die der orthodoxen Liturgie näher steht als der anglikanischen Liturgie.
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