† Deutschsprachige russisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Hamburg

Starez-über das Mönchsleben

Dem Nachahmer der Taten Abrahams, dem eifrigen Befolger der Gebote Gottes, meinem teuersten Freund, Herrn und Vater, dem Priester Dimitri. Möge die Freude Gottes mit ihm sein!
Du musst wissen, mein geliebter Freund, dass der Heilige Geist durch die heiligen Väter das Mönchsleben in drei Arten eingeteilt und bestimmt hat: nämlich das Verbleiben im Einsiedlertum oder das Einsiedlerleben mit zwei oder drei Mönchen zusammen oder das Koinobitenleben.
Das Einsiedlertum ist so zu verstehen: weitab von den Menschen einsam in der Wüste sein Leben zubringen und in allen Sorgen über das Heil seiner Seele, über Nahrung und Kleidung und die andern irdischen Bedürfnisse, in allen Kämpfen um Seele und Leib einzig an der Hoffnung auf Gott, den Einen, festhalten, denn er allein nur ist Hilfe und Trost in dieser Welt.
Das Leben zusammen mit noch einem oder zweien muß man sich so vorstellen, dass ein in den heiligen Schriften erfahrener Starez in der Abgeschiedenheit lebt und einen oder zwei Schüler hat, die bei ihm sind in völligem Gehorsam und Unterordnung des Leibes und der Seele.
Das Koinobitenleben fängt, entsprechend dem Leben des Herrn mit seinen Jüngern, wie es der heilige Basilius der Große vorschreibt, bei zwölf Brüdern, jedoch nicht weniger, an und kann sich mit Gottes Hilfe bis zu einem viele Menschen umfassenden Gemeinschaftsleben erweitern und auch vielsprachig sein. Die Bedeutung dieses Lebens liegt darin, daß die gemeinsam in Christo lebenden Brüder einer Seele und eines Herzens sind, einen Gedanken und einen Willen haben, sich um Christi willen der Einhaltung der göttlichen Gebote befleißigen, einander die Lasten tragen helfen, indem einer dem andern sich in Liebe unterordnet, den Vorsteher des Klosters, der in der Kenntnis der heiligen Schriften vorangehen und durch Wort und Beispiel belehren soll, als ihren Vater und Lehrer betrachten, sich ihm, als ob es der Herr selber sei, in allem vollständig unterordnen unter gänzlicher Lostrennung und Abtötung des eigenen Willens und der eigenen Meinung, das heißt alle seine Belehrungen und Anweisungen, sofern sie den Geboten Gottes und der Lehre der Väter entsprechen, ohne Widerstreben, mit Eifer, Liebe und aller Ehrfurcht vor Gott fleißig ausführen. Alles, was den leiblichen Bedürfnissen vonnöten ist, soll man gemeinsam haben, persönliches Eigentum aber in keiner Weise besitzen. In allen diesen drei Arten des Mönchtums, wie sie so vom Heiligen Geiste bestimmt waren, fanden viele der heiligen Väter vor Gott Wohlgefallen und leuchteten in ihren geistigen Gaben wie eine Sonne. Und für alle drei Arten und Ordnungen bringen die Väter Beweise aus den göttlichen Schriften.
Von der ersten Art, also vom Einsiedlertum, sagen die heiligen Väter, indem sie die Höhe eines solchen Lebens überdenken, welches nur den Fortgeschrittenen und Leidenschaftslosen, die wunderbar nach der göttlichen Vorsehung hierzu berufen sind, zukommt, und da sie anderseits auch um die Schwächen der Anfänger und der in ihren Leidenschaften Verstrickten, die in ihrem Eigenwillen den mannigfachen Versuchungen des Feindes ausgesetzt sind, wissen – hiervon sagen sie also: „Wehe dem einsam Lebenden, der in Mutlosigkeit oder in Schlaf oder in Unachtsamkeit oder in Verzweiflung verfällt, denn nicht einer unter den Menschen wird ihn wieder aufrichten können!”
Das Leben gemeinsam mit einem oder zweien loben die heiligen Väter und bezeichnen es als einen ruhmwürdigen, engelgleichen Zustand, nennen es den Königsweg und berufen sich auf die Worte des Herrn in der Heiligen Schrift: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.” (Mt 18, 20)
Für das Koinobitenleben führen sie die Stelle aus der Heiligen Schrift an: „Was ist besser und schöner als das gemeinsame Leben von Brüdern.” (vgl. Ps 133,1)
Obwohl nun das Mönchsleben aus dreierlei Arten besteht, so lehrt doch der heilige Johannes Climacus jene, die aus der Welt in das Mönchtum eingehen wollen, sich nicht nach links noch nach rechts zu wenden, sondern den Königsweg zu beschreiten. Das heißt also, weder in die Wüste zu gehen, denn das einsame Wüstenleben verlangt eine Engelsstärke, und der Anfänger, der noch häufiger den Leidenschaften seiner Seele unterliegt, soll es nicht wagen, in das Einsiedlertum einzutreten, sofern er nicht Gefahr laufen will, in irgendwelchen Wahnbildern seines Verstandes unterzugehen. Noch auch das Koinobitenleben für sich zu wählen, nicht aus dem Grunde, weil es unnütz sei, sondern weil es die größte Geduld erfordert. „Was ist nützlicher als ein solches Leben?” sagt der heilige Basilius der Große und findet kaum Worte, die Größe und Erhabenheit dieses Lebens zu preisen.
Aber auch der Heilige gibt den Rat, den Königsweg zu gehen: mit einem oder zweien zusammenzuleben, weil das für viele am leichtesten ist und nicht so große Langmut wie das Gemeinschaftsleben erfordert (wenn es auch nicht ganz einfach ist). Denn sich nur dem Vater oder dem mitlebenden Bruder unterzuordnen, ist nicht so sonderlich schwer, und es bedarf weniger Geduld hierzu.
Im gemeinsamen Leben mit vielen Brüdern hat man sich nicht nur seinem Vater unterzuordnen, sondern der gesamten Bruderschaft, und von ihr Ärger, Unehre, Beschimpfung und jede Art von Versuchung hinzunehmen. Sich selbst aber soll man für Staub und Asche unter ihren Füßen achten und allen wie ein gekaufter Sklave in Armseligkeit und Ehrfurcht Gottes dienen. Auch soll man sein ganzes Leben in äußerster Armut und Dürftigkeit verbringen und allen Mangel an Kleidung und Nahrung geduldig ertragen. Es lässt sich mit dem menschlichen Verstand nicht begreifen, noch mit einem menschlichen Wort aussprechen, wie schwierig das Üben solcher Geduld ist und welch eine Vergeltung in der künftigen Glückseligkeit derer wartet, die bis zu ihrem Ende dieses gottgefällige Gemeinschaftsleben auf sich nehmen.
Und darum, so sagen die heiligen Väter, können sich die, welche in den Mönchsstand eintreten wollen, für eine dieser beiden Arten entscheiden und wählen, in welcher sie auf ihrem Weg der Weltentsagung für Christus streiten mögen. In der ersten als in einem freudvollen oder in der zweiten als in einem martyrergleichen Leben – in beiden erhalten sie, nach dem Wort des Johannes Climacus den zweifachen Kranz von Gott am Tage des letzten Gerichtes.
Die dritte Art, das ist das Einsiedlertum, schreiben die heiligen Väter weder vor, noch auch raten sie den Anfängern, die sich vom irdischen Dasein lossagen, dazu, sie für ihr künftiges Leben zu wählen, indem sie nämlich das Wüstenleben mit der Kreuzigung Christi vergleichen, das gemeinschaftliche Leben aber mit dem Leiden, das er vor seinem Kreuzestode für unsere Rettung erduldet hat.
Es ist ein Weg, der nur den Starken und Vollkommenen vorbehalten ist, sagen die Väter, ganz allein zu wachen und gegen den Teufel das Schwert, das ist das Wort Gottes, bereit zu halten. Wer sich dreist vorwagt und die Wüste allzu früh kennenlernt, schneidet Dornengestrüpp anstatt Getreide und findet Verderben anstatt Errettung. Und warum? Weil er zum Verächter und Zerstörer der von Gott gestifteten Ordnung wird, der Ordnung, die – wie schon gesagt -unser Gott Christus durch sein unbeflecktes und reines Leben im Fleisch gegründet hat, und statt des Mitleidens mit Christus im Gemeinschaftsleben wagt er es voll Hochmut, an seinem Kreuz emporzusteigen, indem er das Einsiedlertum dem Koinobitenleben vorzieht. Dieser ist kein Einsiedler, sondern ein Eigenmächtiger, und sein Leben ist kein Einsiedlertum und kein Ausharren in Abgeschiedenheit und Schweigen, sondern ein eigenmächtiges Verhalten. Und durch solch eigenmächtiges Verhalten gingen schon viele Mönche in früherer und in gegenwärtiger Zeit zugrunde. Vom Satan verführt und getrübt im Verstände, bereiteten sie sich einen vielfachen und furchtbaren Tod, davor uns unser Heiland Christus in Gnaden bewahren möge!
Was aber sage und verkünde ich nun vom irdischen Himmel: dem Gemeinschaftsleben – vom Baum des Lebens, den Gott gepflanzt hat, und vom dreimalseligen Gehorsam, wohin die Schwachen und Anfänger, weil sie den Kampf mit dem Feind allein nicht wagen, ihre Zuflucht nehmen, um sich durch das Genießen der unsterblichen Frucht dieses Baumes, ich meine also, durch höchste martyrergleiche Entsagung jeglichen Eigenwillens vom Tode und aller Versuchung des Satans zu retten? Von diesem Leben, dem der Heilige Geist Mauer und Obdach ist?
Es ist ein stiller, sturmgeschützter Hafen für alle, die sich vor dem zwecklosen Toben dieser Welt behüten wollen. Es ist ein Schiff, gesteuert vom Heiligen Geist, das ohne Fährnis alle in den Hafen des Himmelreichs trägt, die sich auf der Fahrt durch das herrliche Meer solchen Gemeinschaftslebens seinem Gnadensteuer ohne Bedenken anvertrauen. Es ist eine Stätte der Genesung und eine bewährte Heilkraft für die, die von Lüsten des Leibes und der Seele befallen sind und in Wahrheit davon geheilt werden wollen. Es ist eine wahre Belehrung für die Krieger Christi im Gedankenstreit mit dem Feind, über den sie einen ruhmvollen und seelenrettenden Sieg erringen wollen. Hierfür besitzen sie eine unüberwindliche Waffe im allheiligen und verehrungswürdigen Geist selber.
Das Gemeinschaftsleben samt seinem heiligen Gehorsam gründete unser Heiland Christus durch sich selbst für die Menschheit auf der Erde und gab ein Vorbild seines Gottwohlgefallens, als er sein Leben mit seinen heiligen Jüngern und Aposteln teilte.
Zuvor war die Wurzel und Grundlage des Gemeinschaftslebens der göttliche Gehorsam, den er den Engeln im Himmel und den Menschen im Paradiese einpflanzte, als die erste und wichtigste aller Tugenden und die von ihm am meisten geliebte. Durch den Neid des Satans und unsere eigene Schwäche wurde sie zerstört, aber seine gewaltige und unaussprechliche Menschenliebe und sein gnadenreiches Erbarmen hat sie erneuert und wiederhergestellt. Er war seinem Vater gehorsam bis zum Tode. Durch seinen Gehorsam heilte er unsern Ungehorsam und öffnete die Tore des Himmelreichs allen, die an ihn in rechter Weise glauben und seine göttlichen Gebote befolgen.
In diesem Gemeinschaftsleben lebten auch die alten, frommen Väter, in Lawren und Klöstern über die ganze Welt verstreut, nach der Ordensregel, die der heilige Basilius der Große, der Mund Christi, niedergeschrieben hatte. In der jetzigen schlimmen Zeit, die des Flehens und Weinens wert ist, fehlt es an solchen Führern, und wenn im Gemeinschaftsleben ein Mönch das Wohlgefallen Gottes erringen will, ist ihm Gott selber und das Lesen in den Büchern der heiligen Väter Lehrer und Führer.
Du musst wissen, mein Gottesfreund, als ich die Welt hinter mir ließ, um mit ganzem Eifer zu Ehren Gottes mich dem Mönchsleben zu weihen, wurde ich in meinen jungen Jahren weder einer gesunden und richtigen Unterweisung, noch auch nur eines Rates oder Hinweises von irgendjemand nach der Lehre der heiligen Väter gewürdigt. In einem einsamen Kloster nahm meine Mönchslaufbahn nach der unaussprechlichen Barmherzigkeit Gottes ihren Anfang. Aber weder empfing ich einen förderlichen Unterricht, noch begriff ich überhaupt, was Gehorsam ist, wie und in welchem Sinne er erzeigt werden soll und welchen verborgenen Nutzen er in sich schließt. Nicht der Hegumenos selber und nicht mein geistiger Taufvater und Starez haben mir darüber eine nützliche Belehrung gegeben. Sie haben mich geschoren und eingekleidet, ohne mir eine Prüfungszeit zu bestimmen, wie es bei Novizen üblich ist, um Eigenwillen und Eigenmeinung in mir absterben zu lassen, und haben mich ohne jede geistige Führung gelassen. Mein Taufvater blieb, nachdem ich eingekleidet war, nur noch eine Woche im Kloster, dann ging er fort – wohin, ist mir bis heute unbekannt – und sagte nur: „Bruder, du bist im Lesen erfahren – lebe, wie Gott dich lehrt!”
Und so war ich denn, wie ein Schaf ohne Hirte, ohne einen Menschen, der mich hätte führen können, begann nun bald hier, bald dort herumzuhorchen, suchte nach allem, was meiner Seele Ruhe und Nutzen bringen konnte, suchte und fand doch nicht, bis ich eines Tages in dem stillen und sturmgeschützten Hafen des Heiligen Berges anlangte, wo ich irgendeine Labung für meine Seele zu erhalten hoffte.
Aber ich fand dort nur wenige Brüder meines Volkes vor, die des Lesens kundig und in der Heiligen Schrift erfahren waren, und da ich mich also nicht gewürdigt sah, die Führung, die ich suchte, zu finden, saß ich eine Zeitlang in meiner Zelle in einer Scheineinsamkeit und hoffte auf Gottes Fürsorge für meine arme Seele. Ich las indessen nach und nach die Schriften der Väter, die ich von meinen Wohltätern in Christo aus den serbischen und bulgarischen Klöstern bekommen hatte, und ich las sie mit großer Aufmerksamkeit.
Als dann der Herr mich Blinden zur Einsicht brachte, erkannte ich auf einmal wie in einem Spiegel, in welcher
Weise mir ziemte, mein armseliges Mönchsleben anzufangen, welcher göttlichen Gnade ich verlustig gegangen war, daß ich mich nicht einem bewährten Vater im Dienste des Gehorsams mit Leib und Seele als ein Unwissender unterordnen durfte, und ich begriff, dass ich nicht würdig war, zu einem so heiligen Tun geführt zu werden. Ich sah, dass das scheinbare Schweigen, in dem ich lebte, nicht meinen Kräften gemäß war, dass es vielmehr denen entsprach, die schon vollkommen und ohne Leidenschaften sich für ein Leben in Einsamkeit bereiten. So entschloss ich mich, für mein Leben den Königsweg zu erwählen, statt eines Starez Gott und die Ehre der heiligen Väter zum Führer zu nehmen und mit einem Bruder in Eintracht und Übereinstimmung, einander dienend und helfend, zusammen zu leben.
Einige Zeit darauf begann ich auf vielfaches Drängen und Bitten, auch auf das meines mitlebenden Bruders hin, in Furcht und Demut nach und nach Schüler zu einem Gemeinschaftsleben zu mir zu nehmen. Auf diese Weise bildete sich durch die Gnade Christi aus dem „Königsweg” unser Koinobitenleben, das sich durch die wachsende Zahl der Brüder ständig vergrößerte.
Später siedelten wir aus mancherlei Gründen, die ich Dir, mein geliebter Freund, schon einmal auseinandergesetzt habe, gemeinsam vom Heiligen Berge nach dem moldawisch-walachischen Land über, und dort, im Dragomirna-Kloster, wurde mit der Gnade Christi unser aller Zusammenleben beständig. Mit der Zeit sammelten sich in unserer Gemeinschaft nicht weniger als hundert Mönche, die einmütig in heiligem Gehorsam für den Herrn streiten wollten. Keiner besaß auch nur das geringste persönliche Eigentum, denn nach dem heiligen Basilius dem Großen ist das im Koinobitenleben oberste Regel, und sie wurde in unserer Bruderschaft aufs strengste eingehalten. Dann waren wir bemüht, jeglichen Eigenwillen und jede eigene Meinung abzutun und uns mit Überlegung und Vorsicht dem Gehorsam zu ergeben. Das ist die zweite Regel, und beide sind Wurzel und Grund des Gemeinschaftslebens.
So waren also Selbstlosigkeit und Gehorsam der Grundstein unseres Mönchslebens, und daneben auch die anderen Koinobitenregeln, die alle ausführlich darzulegen mir jetzt die Zeit fehlt. In unserer Gemeinschaft, die uns die Gnade Christi bewahrte, blieben wir Brüder bestrebt, einander die wahre und aufrichtige göttliche Liebe zu erweisen.
Dies ist mein Bericht über die drei Arten des Mönchslebens, den Du so oft gewünscht hast, und über unser armseliges Leben, das vom wahren Gemeinschaftsleben, wie es zur Zeit der heiligen Väter blühte, so weit entfernt ist wie die Erde vom Himmel.
Indem ich mich Gott und der Heiligsten Gottesgebärerin auf die Fürbitten der Brüder, die um mich sind, anvertraue, lebe ich in der Hoffnung auf meine Rettung, obwohl ich ihrer ganz unwürdig bin. Und ich bitte Deine Hochwürdigkeit, für mich zu Gott zu beten, und verbleibe in Demut Dein Freund, der Dir innigst das Heil wünscht.
Deinen Besuch sehnlich erwartend und Dir allzeit freundschaftlich verbunden,
der unwürdige Vorsteher der im Namen Christi versammelten Bruderschaft der Hieromonach Paisij.
Am 16. Mai 1766
Im Koinobiten-Kloster Dragomirna, in der Moldau – Walachei

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