† Deutschsprachige russisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Hamburg

Die Reliquien des Hl. Nikolaus

Am 22. Mai wird die „Übertragung der Reliquien des Wundertäters Nikolaus von Myra in Lykien nach Bari“ gefeiert / Zum ersten Mal seit 930 Jahren wurden die Reliquien am 21. Mai 2017 von Bari nach Russland gebracht und dort eine Woche lang verehrt. Zuerst in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, dann im Juli in St. Petersburg.

Hl. Nikolaus

Die Entführer der Reliquien des Heiligen Nikolaus “Fromme Piraten”

Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem die Menschen noch nicht von Nikolaus, dem Wundertäter, gehört haben. In ganz Europa erwarten die Kinder vor Weihnachten Geschenke von ihm und nennen ihn Santa Claus.

Eine besondere Beziehung zum heiligen Nikolaus haben die Seeleute. In der Lebensgeschichte des Heiligen wird das Wunder beschrieben, wie er auf seiner Pilgerfahrt nach Palästina als Passagier eines Schiffes durch die Kraft seines Gebetes einen heftigen Sturm bändigte und einen jungen Matrosen, der aus Unachtsamkeit vom Mast gefallen war, wieder ins Leben zurückholte. Dies erklärt, warum Seeleute traditionell den Heiligen Nikolaus als ihren himmlischen Schutzpatron betrachten.swn

Die Reliquien des Heiligen ruhen in Bari, einer alten Hafenstadt in Italien. Die Stadt wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet. Schon zu Zeiten der Römer war sie der größte Hafen an der italienischen Küste. Obwohl hier seit Menschengedenken Wein und Oliven wachsen, war das Leben in Bari immer vor allem mit dem Meer verbunden. Und damit sind nicht nur Fischfang und Handel gemeint. Wie in jedem Hafen mussten die Bewohner ihre Freiheit und ihren irdischen Wohlstand mit der Waffe in der Hand verteidigen. Schließlich gab es immer viele, die die Stadt an der Adria angreifen wollten. Jahrhundert wurde Bari für etwa 30 Jahre von den Arabern erobert und war eine Zeit lang sogar die Hauptstadt des Barischen Emirats. Diese Stadt brauchte einen mächtigen himmlischen Schutzpatron, der vor allem die Seefahrer und die Bucht des Seehafens verteidigen und bewachen sollte. Seit der Antike wird der Heilige Nikolaus von Myra, dessen Reliquien sich damals in der Stadt Myra in Lykien befanden, weltweit als Schutzpatron der Seefahrer verehrt.

Die Ruinen des Tempels des Heiligen Nikolaus in den Myra in Lykien (jetzt Demre, Türkei)
Die Ruinen des Tempels des Heiligen Nikolaus    in den Myra in Lykien (jetzt Demre, Türkei)

Die Einwohner von Bari träumten lange davon, die Reliquien bei sich zu haben und sie verehren zu können. Sie brauchten einen Beschützer auf dem Meer.

Außerdem gab es in jenen unruhigen Zeiten die begründete Furcht vor einer völligen Zerstörung der christlichen Heiligtümer durch die Araber. Auf Befehl des Flottenführers des Kalifen Harun AR-Raschid, Chumejda, wäre es 792 beinahe dazu gekommen. Nur ein Wunder verhinderte dies. Nicht lange danach begannen auch die Osmanen ihren Eroberungskrieg.
Auch unter den Italienern gab es genügend mächtige Gegner. Nicht nur in Bari, sondern auch bei den ewigen Rivalen zur See, den Venezianern, Genuesen und Amalfitanern, war der Besitz der Reliquien des heiligen Nikolaus ein Traum.

Wie also kamen die Reliquien des Heiligen Nikolaus nach Bari? Und warum befindet sich nur ein Teil der Reliquien im Grab? Aufschluss über diese Fragen geben zwei wichtige historische Dokumente: die Chroniken des Nikephoros und des Erzdiakons Johannes.

Im Jahre 1087 verließ ein großes, voll beladenes Handelsschiff den Hafen von Bari und segelte nach Antiochia. Im Laderaum des Schiffes befanden sich neben den Waren auch Waffen. Unterwegs ankerte das Schiff kurz in der Bucht von Myra in Lykien, und die als Händler verkleideten Seeleute erkundeten die Gegend. In dieser unruhigen Zeit befand sich Jerusalem bereits in türkischer Hand, und eine große Zahl von Soldaten überfiel die Stadt und verwüstete ganze Landstriche des byzantinischen Reiches. Sobald die Kaufleute die Straßen von Myra betraten, erkannten sie, wie schwierig ihr Vorhaben war. Die Stadt wurde von den Türken überrannt. Sie hatten einen ihrer Feldherren begraben. So mussten die Kaufleute aus Bari mit leeren Händen zum Schiff zurückkehren und fuhren hinab nach Antiochia.

Dort trieben sie jedoch nicht lange Handel, denn sie fürchteten, dass die Stadt, wenn die Truppen der Türken erst einmal abgezogen waren, für einige Zeit leer stehen und eine leichte Beute für die Venezianer und Genuesen werden würde. Deshalb beeilten sich die Kaufleute, und der Wind war mit ihnen. Schon bald waren sie wieder im Hafen von Myra. Und tatsächlich, als sie zum zweiten Mal landeten, fanden sie die Stadt fast leer vor. Die Türken hatten sie verlassen, und die Bewohner hatten sich in den Bergen versteckt. Nur ein paar Mönche waren im Tempel geblieben, wo die Reliquien des heiligen Nikolaus aufbewahrt wurden.

Die Ruinen des Tempels des Heiligen Nikolaus in den Myra in Lykien (jetzt Demre, Türkei)

Es ist schwer, sich heute vorzustellen, wie das im 11. In unserer Zeit ist es normal, dass sich die verehrten Reliquien der Heiligen an bedeutenden Orten befinden; damals waren sie oft sehr gut versteckt. Eine Kirche zu finden, die einem bestimmten Heiligen geweiht war, bedeutete also keineswegs, auch seine Reliquien zu finden.

Den Bariern lief die Zeit davon, denn inzwischen kehrten die Einwohner vorsichtig in die Stadt zurück. Die Barier, die schon lange vergeblich nach den Reliquien gesucht hatten, wurden nervös. Sie boten den Mönchen, die das Grab in der Kirche bewachten, ein Lösegeld von 300 Goldmünzen an. Doch die Mönche lehnten das Geldangebot wütend ab und wollten die Stadtbewohner vor dem drohenden Unheil warnen. Daraufhin wurden sie von den Räubern ergriffen, gefesselt und vermutlich gefoltert. Möglicherweise zeigte einer der Mönchsbrüder dabei auf die Stelle, an der sich die Reliquien des heiligen Nikolaus befanden. Oder, wie aus einigen Quellen bekannt ist, einer der Angreifer namens Matteo bewies Einfallsreichtum, als er an einer Stelle der Kirche ein schönes Mosaik auf dem Boden sah. Er schlug mit einem Brecheisen auf diese Stelle und sofort brach der Boden auf. Darunter kam ein leerer Raum zum Vorschein, in den der Räuber fiel: eine Gruft, die reichlich mit dem aus den Reliquien fließenden Myron gefüllt war. Mit einem Freudenschrei gab er seinen Gefährten ein Zeichen, und diese begannen fieberhaft, die Reliquien im Schein einiger Fackeln in ein hölzernes Kästchen zu legen, das für diesen Zweck vorbereitet worden war. Einige Quellen behaupten, dass es sich nicht um eine Kiste handelte, sondern um den Mantel des Priesters Drogo, der die Männer begleitete und in der Kirche sogar ein kurzes Dankgebet gesprochen haben soll. Die Mission war jedenfalls erfolgreich.

Mit den heiligen Reliquien des Gerechten Gottes, seiner Ikone und allem, was ihnen wertvoll erschien, eilten die Barenser zum Hafen. Dort traf ihr Trupp auf die Bürger, die bereits von allen Seiten herbeiströmten. Doch das Glück war auf der Seite der Piraten. So blieb den verjagten Einwohnern von Myra nichts anderes übrig, als nach orientalischer Sitte die Hände zum Himmel zu heben und kummervoll zu flehen. Da auch die Räuber von Bari Christen waren (was Christ sein bedeutet und was verschiedene Menschen darüber denken, ist nicht immer dasselbe), hatten auch sie ein gutes Herz. Sie gaben die wundertätige Ikone der christlichen Gemeinde in Myra zurück.

Basilika San Nicola (Photo: Basilika San Nicola)

Nachdem die als Kaufleute verkleideten Räuber mit reinem Gewissen auf das Schiff zurückgekehrt waren, eilten sie nach Hause. In Bari wurden sie wie Helden empfangen. Seitdem feiert der russische Kirchenkalender am 22. Mai die „Überführung der Reliquien des Wundertäters Nikolaus von Myra in Lykien nach Bari“.

Die Reliquien des Hl. Nikolaus wurden in die Kathedrale gebracht, deren Hauptteil wurde sogleich unter einer riesigen Platte verborgen. Ihre erstmalige Erforschung erfolgte erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Aber darüber etwas später.

 Die zweiten Reliquien des Heiligen Nikolaus

8 Jahre nach diesen Ereignissen, im Jahre 1095, segnete Papst Urban II. den Beginn des ersten Kreuzzuges. Auch die Venezianer hatten sich zur Teilnahme entschlossen. Doch sie wären keine Venezianer, wenn sie nicht versucht hätten, ihre Ziele weiter zu verfolgen. Der venezianische Patriarch Padorado drückte in seinem Vorwort die Hoffnung aus, dass die Ritter nicht nur helfen würden, das Grab Christi zu befreien, sondern auch die großen Heiligtümer nach Venedig bringen würden, und zwar nicht nur die von Jerusalem, sondern auch die von Myra in Lykien. Die Reliquien des Heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons der Seefahrer, wollte er unbedingt in Venedig haben.

Wieso das? Die Reliquien des heiligen Nikolaus befanden sich bereits seit acht Jahren in Bari, und das war allgemein bekannt. Bald wurde diese unbestreitbare Tatsache sogar in russischen Quellen erwähnt. Wusste man in Venedig wirklich nichts davon?

Nein, es war ein Geheimnis; die Venezianer glaubten nicht ohne Grund, dass nicht alle Reliquien des heiligen Nikolaus in Bari aufbewahrt wurden.

 Basileios I (Βασίλειος Α΄ο Μακεδών)
Basileios I (Βασίλειος Α΄ο Μακεδών)

Es gab eine alte Legende. Der byzantinische Kaiser Basileios I., der Makedonier (Βασίλειος Αʹ ὁ Μακεδών), wollte bereits im 9. Jahrhundert einen Teil der Reliquien des Heiligen Nikolaus von Myra nach Konstantinopel überführen. Dazu sollte ein Teil der Reliquien abgetrennt und für den Transport in eine Truhe gelegt werden. Doch dazu kam es nicht. Denn am Abend zuvor war der Heilige Nikolaus von Myra selbst dem Kaiser erschienen und hatte ihm die Überführung verboten. Der Kaiser wagte es nicht, das Gebot des verehrten Heiligen zu brechen. Stattdessen, so die Legende, wurde ein Teil der Reliquien des heiligen Nikolaus an einem anderen Ort in der Kirche sicher versteckt.

Begeistert von dieser Geschichte brachen die Kreuzritter auf.

Auf dem Weg nach Jerusalem begaben sie sich nach Myra, auf die Suche nach dort verbliebenen Reliquien des Heiligen Nikolaus. Als Kaufmannsleute verkleidet, führten die venezianischen Krieger, eine Erkundung der Stadt durch. Sie stellten fest, dass nur wenige von den Bewohnern dort waren, trotzdem blieben sie sehr vorsichtig. Sie spazierten durch die Straßen wie einfache Reisende. Niemand von den Bewohnern hatte mitbekommen, was für eine geheime Abteilung in der Stadt auf der Lauer lag und auf einen günstigen Moment für einen Angriff wartete.

Als nur noch vier Wächter in der Kirche verblieben waren, drangen die Venezianer ein, suchten nach den Reliquien und stellten alles auf den Kopf. Die erschrockenen Wächter zeigten das zerbrochene Grab und versicherten den Eroberern, dass die Einwohner von Bari die Reliquien des Heiligen Nikolaus bereits mitgenommen hätten. Doch die Venezianer hörten nicht auf sie und begannen, die Wache brutal zu foltern. Einer von ihnen soll den Bischof Enrico Contarini, der die Entführung begleitet hatte, mehrmals um Gnade angefleht haben. Dieser blieb jedoch eine Zeitlang taub für die Bitten des Unglücklichen. Erst nach einer Weile, als klar wurde, dass sie nichts wussten, befahl er, die Folter zu beenden.

Aus Dankbarkeit zeigte ihm einer der Wächter des Heiligtums, wo sich ein Teil der Reliquien des Onkels Hl. Nikolaus, des Hl. Nikolaus Patarski? von Pinara und des heiligen Märtyrers Theodor befinden. Ein großer Teil der venezianischen Gruppe kehrte mit diesen Heiligtümern auf das Schiff zurück.

Und vielleicht wäre die Geschichte so ausgegangen, wenn nicht einige Venezianer in der Kirche geblieben wären. Wenn wir einer venezianischen Chronik Glauben schenken wollen, so bemerkten diese an einer Stelle des Tempels, wo sich das Fresko des hl. Nikolaus befand, einen feinen Wohlgeruch.

Von einem der gequälten Wächter erfuhren sie, dass der Hl.Nikolaus Bischof von Myra an den großen Festen in diese Ecke der alten Kirche zu kommen pflegte, um die Liturgie zu feiern.

Die Venezianer riefen ihre Gefährten vom Schiff zurück. Sie kehrten in die Kirche zurück und begannen, den Boden an dieser Stelle zu öffnen. Nachdem sie mehrere Schichten entfernt hatten, entdeckten sie eine kupferne Schatulle, in der sich der Teil der Reliquien befand, den Kaiser Basileios I. versteckt hatte. Auf der Schatulle stand in griechischer Schrift: “Hier ruht der große Bischof Nikolaus, verherrlicht für die Wunder, die er zu Lande und zu Wasser vollbracht hat. Die Kirche füllte sich mit Wohlgeruch.

Aus Dankbarkeit für den heiligen Nikolaus und zum Trost der Einwohner von Myra überreichten die überglücklichen Venezianer dem Bischof der Stadt hundert Münzen und einen kleinen Teil der Reliquien des Heiligen.

Chiesa San Nicolò (Photo: Chiesa San Nicolò)

Bis heute ruhen die Reliquien in einer Kirche auf der Insel Lido in Venedig. Dort werden sie in einem Marmorkasten über dem Thron des Altars aufbewahrt.

Diese Geschichten haben sich vor langer Zeit zugetragen. Jahrhundertelang blieb die Frage offen, wo sich die Reliquien des Heiligen Nikolaus befinden. Denn sowohl die Bewohner von Venedig als auch die von Bari haben über die Jahrhunderte hinweg versichert: Die Reliquien sind ganz sicher bei ihnen. Also entweder in Bari oder in Venedig. 1953 wagte man in Bari den Versuch, das Rätsel zu lösen. Zu diesem Zweck wurde Luigi Martino, Professor für Anatomie an der Universität von Bari, als Hauptexperte für die Untersuchung der Reliquien eingeladen.

Die Ergebnisse waren verblüffend. Sie bestätigten in vollem Umfang die Berichte über den Erwerb der Reliquien des Heiligen Nikolaus und die Tatsache, dass viele Knochen im Laufe der Zeit ausgedünnt und durch den Sturz des Matrosen Matteo stark beschädigt worden waren.

Was aber am meisten auffiel, war die Tatsache, dass die Reliquien des Myron offiziell bestätigt wurden. Feine Knochen schwammen buchstäblich im Myron. Nachdem Luigi Martino alle Knochen richtig ausgelegt hatte, stellte er fest, dass ein wesentlicher Teil der Reliquien fehlte. Der erste Verdacht, wo sich der zweite Teil der Reliquien befinden könnte, fiel natürlich auf Venedig.

luigi-martino (Professor Luigi Martino examining skull Photo: Venezia Pravoslavie)

Gott hat dem Anatomieprofessor Luigi Martino ein langes Leben geschenkt, wohl damit er in Venedig vollenden konnte, was er in Bari begonnen hatte. Denn erst 1992 fand in Venedig die gründlichste Untersuchung der Reliquien des heiligen Nikolaus statt. Als die Kommission den Kasten öffnete, fand sie darin eine Menge Knochen und einen schwarzen Stein mit einer griechischen Inschrift: «die Reliquien des heiligen Nikolaus». Nachdem Professor Martino die Ergebnisse sorgfältig untersucht und mit den in Bari gefundenen Reliquien verglichen hatte, kam er zu dem Schluss: «Die weißen Knochen in Venedig ergänzen die in Bari aufbewahrten Überreste».
Ein weiterer Auszug aus dem Abschlussbericht der Kommission lautet: «… die Überreste in Venedig sind zwar bescheidener, jedoch nicht weniger bedeutsam und sollten als nicht weniger wichtig angesehen werden als die in Bari». Damit ist das Geheimnis gelüftet.

Basilika San Nicola (Photo: Basilika San Nicola (Bari))

Wir wollten keine Wertung der beschriebenen Ereignisse vornehmen. Die Geschichtsforschung ist gerade deshalb interessant, weil man, wenn man ihre Tiefe betrachtet, die besondere Vorsehung verstehen kann, die in der realen Zeit nicht weggewischt wurde. Die Heiligtümer befanden sich auf dem Gebiet des ehemaligen Byzantinischen Reiches. Heute existiert diese große Zivilisation auf der Landkarte unseres Planeten schon lange nicht mehr. Und wir wissen, dass viele christliche Heiligtümer durch die osmanischen Eroberungen für immer verloren gegangen sind. So sind zum Beispiel die Reliquien des heiligen Apostels Konstantin für immer verloren. Sie wurden zerstört, als die Stadt von den Türken eingenommen wurde. Es gibt kein Groß-Byzanz mehr, es gibt die Türkei – ein Land mit jahrhundertealter muslimischer Kultur. Und in die italienischen Städte Bari und Venedig, wo sich die christlichen Kirchen mit den Reliquien des Heiligen Nikolaus befinden, strömen Tausende von Pilgern aus aller Welt.

(Dieser Teil des Berichts wurde auf der Grundlage des Films «Das unbekannte Europa» des Fernsehsenders «Kultur» verfasst.)

Warum wird dieses Fest im orthodoxen Russland gefeiert?

Das Fest der Reliquienübertragung wurde erstmals von Papst Urban von Rom im Jahre 1090 festgelegt. Diese berühmte päpstliche Entscheidung fiel auf den 1. Oktober 1089 (der Papst hielt sich auf Einladung der normannischen Herzöge in Bari auf, um der Weihe des neuen Bischofs von Bari – Elias – und der Einweihung des neu erbauten Nikolaustempels beizuwohnen).
In Russland taucht dieses Fest fast unmittelbar danach auf – im Jahre 1092 (und zwar so feierlich, als ob die Reliquien nach Moskau gebracht worden wären). Der Grund für diesen Import könnte darin liegen, dass die Tochter des Fürsten Wsewolod, Eupraxia-Adelheida, die Gemahlin Kaiser Heinrichs IV. bei der Überführung der Reliquien anwesend war.

Der Grund für die Feierlichkeiten in Russland liegt vor allem in der Annahme, dass die Reliquien, wären sie nicht gestohlen worden, nach der osmanischen Invasion und dem Fall Konstantinopels (der erst 1453 erfolgte) für immer für die christliche Welt verloren gewesen wären. Ein zweifelhaftes Argument, den Raub orthodoxer Heiligtümer durch Räuber mit dem Segen der römisch-katholischen Kirche zu feiern, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Schisma von der Orthodoxie getrennt hatte.

“Die Chronik des Nikon” berichtet, dass im Jahre 1091 Theodor, der griechische Metropolit, vom Papst aus Rom kam und viele Reliquien der Heiligen mitbrachte. Ob es sich um die Folgen der Unia handelte, die sich gerade in der Zeit des Konflikts zwischen Rom und Konstantinopel vereinigten, oder um andere Ereignisse, ist nicht genau bekannt, auch nicht, um welche Reliquien es sich handelte, jedoch die Daten stimmen in etwa überein. Arbeiten, die sich speziell diesem Thema widmen, können hier (in Kürze) recherchiert werden.

Die Pilgerfahrt zum Grab des Wundertäters.

Schon die ersten russischen Pilger, die nach Westen zogen, betrachteten es als ihre heilige Pflicht, die Reliquien des Wundertäters zu verehren. Die erste bekannte Pilgerfahrt nach Bari unternahm 1459 der Mönch Warlaam aus Rostow. Als Folge der Wunder, die sich vor der Ikone in Bari ereigneten, gründete er ein Kloster am Ufer des Flusses Ulejma in der Nähe von Uglitsch.
Viele Pilger des 19. und frühen 20. Jahrhunderts berichteten über ihre Eindrücke in Bari. Bei aller Freude über das erreichte Ziel bedauerten sie die Strapazen der Reise. Besonders betrübt waren die Pilger über das Fehlen orthodoxer Gottesdienste in Bari.
Am 12. Mai 1911 wurde unter dem höchsten Schutz des Heiligen Zaren Nikolaus II. das Komitee gegründet, das von dem Kenner der altrussischen Kunst, Fürst A. Schirinski, geleitet wurde und seinen Sitz in St. Petersburg hatte. Eine der Aufgaben des Komitees war der Bau einer Kirche mit Gästehaus für die russischen Pilger in Italien, die sich würdig über die orthodoxe Kunst äußerten.
Die Regierung von Bari begrüßte die russische Initiative. Am 22. Mai 1913 (dem Festtag der Reliquienüberführung) fand die feierliche Grundsteinlegung der Kirche statt. Die Baustelle war mit den Staatsflaggen Russlands und Italiens geschmückt. Urkunden in beiden Sprachen und silberne Rubel wurden in das Fundament der Kirche gelegt. Im Sommer 1914 wurde das Gästehaus für die Pilger offiziell eingeweiht. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs diente es jedoch nur wenige Tage. Im August desselben Jahres wurde das Gästehaus zu einer Anlaufstelle für Flüchtlinge: Russische Pilger (etwa 200 Personen) konnten nicht auf dem üblichen Weg über Italien und Deutschland nach Hause zurückkehren und warteten auf die Überfahrt nach Russland.
podwTrotz des Krieges gingen die Bauarbeiten erfolgreich weiter und waren im Januar 1915 weitgehend abgeschlossen. Revolution und Bürgerkrieg in Russland brachten das Haus in eine schwierige Lage. Damit endete die “vorrevolutionäre Zeit” und die Geschichte der Emigration begann. Im Gegensatz zu den russischen Kirchen in Rom, Florenz und San Remo gab es in Bari keine orthodoxe Gemeinde, und der Pilgerstrom blieb natürlich aus. Nach verschiedenen Umstrukturierungen ging das gesamte riesige russische Gebäude in den Besitz der Stadtverwaltung von Bari über.
Doch im Jahr 2008 ging eine erfreuliche Nachricht durch die orthodoxe Welt: Nach einer Entscheidung der italienischen Regierung wurde die Kirche und das Patriarchat an das russische Patriarchat zurückgegeben“ Das russische Patriarchat in Bari ist ein einzigartiges Denkmal in Westeuropa. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden außerhalb Russlands viele Werke nationaler Architektur geschaffen, die meisten im Moskau-Jaroslawler Stil und nicht im Pskow-Nowgoroder Stil, wie in Bari, wo direkt neben der Kirche ein kolossaler Komplex für Pilger entstand, der an altrussische /Terem/ erinnert.
Dieser Kirchenbau war zweistöckig: im unteren Stockwerk war die «Winterkirche», im oberen Stockwerk die «Sommerkirche».
Die Unterkirche wurde 1921 dem Heiligen Spyridon geweiht und beherbergt eine große Ikone (Mutter Gottes und Christus). Im Altarraum der Kirche befindet sich die Ikone des Heiligen Nikolaus mit einem Teil seiner Reliquien.
Im Jahr 2011, fast ein Jahrhundert nach ihrer Erbauung, öffnete die Herberge in Bari endlich wieder ihre Türen für die Pilger.
Der Architekt: A. Schtschussew und W. Subbotin Die Adresse: Corso Benedetto Croce, 130 – 70125 Bari, Italien
Die Webseite des russischen Hofes in Bari

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